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Coronamutation bereitet SorgeInfektionszahlen sinken langsamer

Die Ausbreitung mutierter Viren schwächt den bisherigen Abwärtstrend deutlich ab. RKI-Präsident Wieler warnt vor zu schnellen Lockerungen.

Warnen vor übereilten Lockerungen: RKI-Chef Lothar Wieler und Gesundheitsminister Jens Spahn Foto: Michael Sohn/AP

Berlin taz | Der morgendliche Blick auf die aktuellen Infektionszahlen war in den letzten Wochen meist erfreulich, denn sie gingen kontinuierlich zurück: Von fast 26.000 Fällen pro Tag zu Weihnachten fiel der 7-Tage-Mittelwert bis Anfang dieser Woche um mehr als 70 Prozent auf 7.200. Doch seit einigen Tagen ist es damit vorbei: In dieser Woche stagnierte der Mittelwert vier Tage lang, am Freitag gab es wieder einen Rückgang, aber dieser war deutlich geringer als zuvor.

Die Stagnation dürfte zum Teil daran liegen, dass in der vergangenen Woche wegen des Extremwetters weniger getestet und Ergebnisse verspätet gemeldet wurden, sodass die Werte in dieser Woche im Vergleich höher wirken. Zum Teil dürfte die Entwicklung aber auch darauf zurückzuführen sein, dass sich die stärker ansteckenden Virusmutanten in Deutschland immer weiter verbreiten – vor allem jene, die zuerst in Großbritannien nachgewiesen wurde.

Hier hatten neue Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) am Mittwoch gezeigt, dass diese Viren inzwischen für rund 22 Prozent aller Infektionen verantwortlich ist. Zwei Wochen zuvor waren es noch 5,8 Prozent. Auch in absoluten Zahlen nehmen die Infektionen mit dem mutierten Virus stark zu. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte die Zahl der Neuinfektionen insgesamt in Kürze wieder steigen. Dann überkompensieren die zunehmenden Infektionen mit dem mutierten Virus den Rückgang der Infektionen mit der ursprünglichen Variante.

Vor dieser Entwicklung warnte am Freitag RKI-Präsident Lothar Wieler: „Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt“, sagte er. Angesichts der stagnierenden Zahlen wandte er sich gegen eine übereilte Aufhebung des Lockdowns. „Jede unbedachte Lockerung beschleunigt das Virus und wirft uns zurück“, erklärte er. „Dann stehen wir in ein paar Wochen wieder an dem Punkt, wo wir Weihnachten waren.“

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn wertete die aktuellen Zahlen als Anlass zur Vorsicht. Dennoch planen mehrere Bundesländer für nächste Woche die Wiederaufnahme oder Ausweitung des Präsenzunterrichts, was Lehrerverbände und viele Eltern mit Sorge sehen. Am Montag soll entschieden werden, ob Leh­re­r*in­nen früher geimpft werden als bisher geplant.

Geringere Dunkelziffer bei Infektionen

Neue Daten gab es in dieser Woche auch zur Frage, wie hoch die Dunkelziffer der Corona-Infektionen ist. Eine Untersuchung, die in der zweiten Novemberhälfte in Berlin durchgeführt wurde, fand bei 4,4 Prozent der zufällig ausgewählten Teil­neh­me­r*in­nen Antikörper gegen das Coronavirus. Das wären 2,2 mal so viele, wie bisher offiziell festgestellt.

Weil bei mehr als einem Drittel der Infizierten keine Antikörper gefunden werden, dürfte die reale Zahl eher beim Dreifachen der offiziell gemeldeten Werte liegen. Das wäre aber immer noch deutlich weniger als zuvor vom RKI angenommen: Im Dezember hatte Wieler den Faktor noch auf 4 bis 6 geschätzt.

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1 Kommentar

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  • Wer irgendwo Kontakt zu einem Infizierten hatte und dabei FFP2-Maske trug wird i.d.R. nicht in Quarantäne versetzt. Ergo sollte alles öffnen wobei dauerhaft FFP2 Masken getragen werden können. Die Tragepflicht muss natürlich entsprechend kontrolliert werden.