Coronainfektion und Arbeiten: Trotz Infektion einspringen
Berlins Bürgermeisterin Giffey schließt im Notfall nicht aus, auch Omikron-Infizierte in der Versorgung einzusetzen. Für Verdi wirft das Fragen auf.
„Es geht hier wirklich um den Not-Not-Notfall“, sagte Giffey am Montag im RBB-Inforadio. „Wenn wir eine Situation haben, in der wirklich massiv Personal ausfällt und die gesundheitliche Versorgung in Notfällen in Frage steht, dann muss man sich darüber Gedanken machen.“
Giffey hatte zuvor der Bild am Sonntag gesagt, es sei denkbar, symptomlose Infizierte etwa im Wasserwerk oder bei der Feuerwehr arbeiten zu lassen, wenn es dort coronabedingt zu sehr großen Personalengpässen komme. Für die Arbeit im Krankenhaus oder in der Pflege sei das aber nur im äußersten Notfall denkbar.
Der Personalausfall in der sogenannten kritischen Infrastruktur in Berlin liegt derzeit bei 15 Prozent. Bis zu 30 Prozent seien durch Umorganisation und Angebotsreduzierung zu stemmen, meinte die Regierende. Der Einsatz solle für infizierte Arbeitnehmer:innen aber freiwillig sein, betonte eine Senatssprecherin anschließend.
Viele Infizierte ohne Symptome
Viele der Omikron-Infizierten haben keine Symptome wie etwa Kopfschmerzen, Husten oder ein Mattigkeitsgefühl, sind aber hochinfektiös. Nach derzeitiger Rechtslage sei es so, dass positiv getestete Corona-Infizierte, die keine Symptome aufweisen, keine Krankschreibung vom Hausarzt bekommen, sagte die Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Arbeitnehmerhilfe e. V., Miruna Xenocrat, der taz.
Der Arbeitgeber könne vom symptomlosen infizierten Beschäftigten verlangen, im Homeoffice zu arbeiten, sofern dies möglich sei, so die Anwältin. Laut Infektionsschutzgesetz seien positiv Getestete zur Quarantäne, also zur Absonderung, verpflichtet. Auch wer zu Hause seiner Tätigkeit nicht nachgehen kann, bekommt in der Quarantäne trotzdem das Arbeitsentgelt bezahlt.
Aufgrund der geltenden Quarantäneregeln sei es nicht möglich, einen positiv Getesteten im Betrieb arbeiten zu lassen, sagte Xenocrat, „alleine in einer Werkhalle an einer Maschine, das ist keine Quarantäne“. Es müsse dann zudem geklärt werden, wie der oder die Infizierte zur Arbeit komme, ob mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder nicht.
Versicherungsrechtliche Fragen
Infizierte ohne Symptome in der Firma arbeiten zu lassen, das werfe „viele Fragen auf“, sagte auch Andreas Splanemann, Sprecher des Verdi-Landesbezirks Berlin-Brandenburg, der taz. Zum einen stelle sich die Frage, wie denn Infizierte im Betrieb arbeiten könnten, ohne möglicherweise andere anzustecken. Zum Zweiten könnte ein Beschäftigter, der oder die zuerst keine Krankheitssymptome aufweist, dann womöglich während der Arbeit eben doch Symptome entwickeln, „wenn dann was passiert, könnten sich auch versicherungsrechtliche Fragen stellen“, erklärte Splanemann.
Im Jahr 2020 hatte Jens Spahn für Proteste gesorgt, als er darauf hinwies, dass bei hohem Personalausfall im Gesundheitswesen positiv getestete Beschäftigte ohne Symptome in extremen Einzelfällen und unter hohen Schutzstandards und mit Masken in der gesundheitlichen Versorgung eingesetzt werden könnten, wenn andernfalls die Versorgung nicht mehr sichergestellt sei. Vom Robert-Koch-Institut (RKI) gab es eine entsprechende Empfehlung zu Beginn der Pandemie.
Im Februar 2020 war es besonders im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen wegen der sehr hohen Zahl an Corona-Infizierten zu Ausfällen gekommen. Laut Spahn waren dort so viele Beschäftigte im Gesundheitsbereich in Quarantäne, dass die Schließung von Arztpraxen drohte. Vereinzelt habe es Situationen gegeben, in denen positiv Getestete unter hohen Schutzvorkehrungen mithelfen mussten, die Versorgung sicherzustellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“