Corona und Gegenmaßnahmen: Kontakte weiter reduzieren

Der RKI-Chef warnt, dass auch Geboosterte nicht komplett sicher sind. Der Flugverkehr nach Südafrika wurde wegen der neuen Variante eingeschränkt.

Ein Mann und eine Frau rollern jeweils orange Koffer

Reisebeschränkungen im Flugverkehr gelten ab Freitag Nacht Foto: Peter Endig/dpa

BERLIN taz | Deutschland schränkt den Flugverkehr mit Südafrika fast vollständig ein. Das erklärte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitagmorgen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler. Bereits am Vortag hatte Spahn auf Twitter angekündigt, dass Deutschland Südafrika zum Virusvariantengebiet erklären wird. Grund sei die neue Corona-Variante B.1.1.529, die wegen ungewöhnlich vieler Mutationen hoch ansteckend sein könnte.

Die Reisebeschränkung wird heute Nacht in Kraft treten, Fluggesellschaften dürfen dann nur noch Deutsche nach Deutschland befördern, außerdem gelten 14 Tage Quarantäne für alle Reiserückkehrer*innen. Noch sei zwar noch kein Fall in Deutschland oder der EU nachgewiesen worden, dennoch „bestehe Grund zur Sorge“, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI).

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will den Flugverkehr mit Südafrika EU-weit sogar vollständig stoppen. Die Brüsseler Behörde wird den EU-Staaten vorschlagen, die dafür vorgesehene Notbremse auszulösen, um den Luftverkehr auszusetzen, kündigte von der Leyen an.

In Deutschland spitzt sich die Corona-Lage derweil weiter zu: Binnen eines Tages verzeichnete das RKI mehr als 76.000 neue Corona-Fälle. Die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland reichen offenbar nicht aus, um die vierte Welle zu brechen. Gesundheitsminister Spahn forderte deshalb, persönlichen Kontakte ab sofort drastisch zu reduzieren. „Die Lage ist so ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt in der Pandemie“, sagte Spahn bei der Pressekonferenz.

Lockdown immer wahrscheinlicher

Wird es nach Österreich also auch in Deutschland auf einen Lockdown hinauslaufen? Konkret wollte sich Spahn zu der Frage nicht äußern, forderte aber, Feiern und Großveranstaltungen abzusagen. „Weihnachtsmärkte passen einfach nicht mehr in die Zeit“, sagte Spahn. Ganz kurzfristig mache jetzt nur eines den entscheidenden Unterschied – und zwar, die Kontakte zu reduzieren. Konkret nannte der Gesundheitsminister außerdem konsequente Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene, die noch einen Test gemacht haben, die 2G plus-Regelung.

Eine Impflicht hingegen könne laut Spahn lediglich die Symptome bekämpfen, nicht jedoch die Pandemie eindämmen. Nicht die Impfpflicht sei das Thema dieser Tage, sondern, wie man die aktuelle Welle brechen könne. „Ich finde die Reihenfolge im Moment falsch“, sagte Spahn und kritisierte die abwartende Haltung der Entscheidungsträger*innen.

Er forderte ein schnelles Treffen der Ministerpräsidenten*innen. Es sei falsch, angesichts der schwierigen Lage zehn Tage zu warten, so der CDU-Politiker. Auf die Frage, was den Bundesgesundheitsminister bislang davon abgehalten habe, härtere Maßnahmen durchzusetzen, verwies dieser auf Länder und Kommunen. Sie seien verantwortlich für die Umsetzung von Vorschlägen. Er könne keine Kontaktbeschränkungen verhängen. „Ich habe sehr deutlich gemacht, was ich erwarte“, sagte Spahn.

RKI-Chef Wieler: Wie viele Menschen müssen noch sterben?

Auch bereits Geboosterte sollen ihre Kontakte einschränken, forderte RKI-Präsident Wieler. Noch wisse man nicht genau, ob sich auch geboosterte Personen infizieren können. Wieler appellierte dennoch erneut daran, sich impfen zu lassen. „Wie viele Menschen müssen noch sterben, dass wir alles tun, diese vierte Welle zu brechen? “, fragte Wieler auf der Pressekonferenz. Bislang starben in Deutschland mehr als 100.000 Menschen an Corona.

Zudem drohen die Intensivstationen zu überlasten. Aktuell werden mehr als 4.000 Covid Pa­ti­en­t*in­nen intensiv behandelt. „Die Zahlen gehen steil nach oben, und zwar in allen Bundesländern“, warnt RKI-Chef Wieler. Allein in den vergangenen sieben Tagen seien 2.000 Personen, also die Hälfte, aufgenommen worden. Aktuell sei jedes fünfte Bett auf deutschen Intensivstationen mit Corona-Kranken belegt. Was nach wenig klingt, ist tatsächlich der Höchststand seit Beginn der Corona-Pandemie. „Etwa 70 Prozent der Intensivstationen melden eine eingeschränkte Kapazität“, sagte Wieler.

Erstmals In­ten­siv­pa­ti­en­t*in­nen verlegt

Noch ein Novum: Erstmalig hat Deutschland In­ten­siv­pa­ti­en­t*in­nen aus Thüringen, Sachsen und Bayern in andere Bundesländer verlegen müssen. „Etwa hundert Intensivpatienten haben wir mit der Luftwaffe verteilen können“, sagte Spahn. Dabei stehe die vierte Welle erst ganz am Anfang: „Wer in Deutschland denkt, dass diese Welle nur durch Bayern, Baden-Württemberg oder den Osten zieht, der irrt sich“, sagte Spahn auf der PK. „Die Welle wird noch ganz Deutschland erfassen.“

Immerhin ziehe die Impfkampagne an. Laut Angaben von Spahn stehen mit den Auslieferungen diese und kommende Woche etwa 18 Millionen Corona-Impfdosen zur Verfügung. Jede fünfte Person über 60 Jahre habe mittlerweile eine Auffrischungsimpfung, sagt er – fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.

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