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Corona-Zahlen in GroßbritannienWohl viel mehr Tote als bekannt

Großbritanniens offizielle Zahlen zu Infektionen und Toten geben nur einen Teil der Realität wieder. Besonders kritisch: die Lage in Pflegeheimen.

Mitten in London in den Wanstead Flats wird eine temporäre Leichenhalle errichtet Foto: Hannah McKay/reuters

London taz | Wie viele Menschen sind im Großbritannien an Covid-19 gestorben? Während die Tagesstatistiken das Land mittlerweile an die europäische Spitze stellen, mit über 700 und zeitweise über 900 Toten täglich, sorgen genauere Angaben des britischen Statistikamtes ONS für Verwirrung. Die Todesfälle, die laut ONS auf Viruserkrankungen zurückzuführen sind, liegen mindestens 52 Prozent höher als in den Angaben des britischen Gesundheitsministeriums.

Bis 3. April zählte das Gesundheitsministerium 4.093 Covid-19-Tote. Laut ONS waren es 5.797. Insgesamt starben in Großbritannien in der Woche zum 3. April laut ONS 16.384 Menschen, ein Anstieg von 6.082 zum Durchschnitt der Vorwochen.

Die Differenz zwischen ONS und Regierung erklärt sich daraus, dass das Gesundheitsministerium Personen nicht zeitnah mitzählt, die im eigenen Heim oder in Pflegeheimen starben, sondern nur die in Krankenhäusern, und andere mit Verzögerung. Das ONS nimmt alle Todesfälle auf.

Es ist also anzunehmen, dass in Großbritannien mittlerweile sehr viel mehr Menschen an Covid-19 gestorben sind als die bis Mittwoch offiziell gemeldeten 12.868. Manche Experten glauben inzwischen sogar, dass Großbritannien das am schlimmsten vom Coronavirus betroffene Land Europas werden könnte.

Keine genaue Erfassung

Eine genaue Erfassung aller Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen starben, gibt es bisher nicht. Nachgeholte Erfassungen in anderen europäischen Ländern legen nahe, dass die Zahl der Toten und Infizierten hier sehr hoch liegen könnte. Eine der größten Firmengruppen, die Pflegeheime in Großbritannien führen, hat schon 521 Covid-19-Verstorbene aufgelistet, doch bisher ist nur die Hälfte davon von den staatlichen Behörden erfasst.

Die Zahlen des Statistikamtes sind 52 Prozent höher als die des Gesund­­heits­ministeriums

Im privaten Pflegesektor mangelt es an Schutzkleidung noch mehr als im staatlichen Gesundheitssystem. Nur Heime, die nachweisen können, dass sich bereits Infizierte bei ihnen befinden, konnten bisher Schutzkleidung über den nationalen staatlichen Verteiler bestellen, während auf dem privaten Markt Wucherpreise verlangt werden.

Großbritannien zählt 11.300 Altenpflegeheime mit rund 410.000 Bewohnern. Offiziell sollen 13,5 Prozent der britischen Pflegeheime Corona-­Infizierte beherbergen. Viele im Sektor schätzen die echte Zahl weitaus höher, manche bis zu 60 Prozent. Nun will die Regierung die Belieferung der Pflegeheime massiv aufstocken. Zudem würden Coronatests im Pflegesektor, die bisher streng limitiert waren, ausgeweitet, um die Verbreitung des Virus zu bremsen.

Für Chris Hopson, Geschäftsführer des staatlichen Materialdienstes NHS Providers, dem alle 217 englischen Krankenhausvereinigungen angehören, nicht jedoch der Pflegesektor, fehlen vor allem wasserabweisende Schutzkittel und Augenschutz. Die Regierung gab zu, dass hieran ein Mangel bestehe. Die Konsequenzen: Bis Sonntag starben 19 Pfleger und Ärzte. Am Sonntag erklärte der Verband britischer Krankenpfleger, dass ihre Mitglieder bei Mangel von Schutzkleidung ihren Dienst verweigern dürften.

Beengter Wohnraum

Die Denkfabrik New Policy Institute führt das schnelle Wachstum der Zahl von Infizierten und Toten auch auf den beengten Wohnraum in britischen Städten zurück. Der britische Durchschnitt liegt bei 36,6 Quadratmetern pro Person. Horrende Mietpreise in London zwingen Menschen in übervolle Wohngemeinschaften, in denen sie Küchen und Badezimmer teilen. Oft leben auch mehrere Generationen auf engstem Raum zusammen, vor allem bei ethnischen Minderheiten, wo Ältere seltener in Pflegeheimen leben.

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14 Kommentare

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  • Es wäre gar nicht so falsch gewesen, auf China zu blicken. Aber nicht so herabwürdigend, chinesischen Zahlen könne man eh nicht trauen. Zwar mitleidig, weil sie Flughunde verspeist wurden und sich damit einen großen Nachteil eingehandelt hatten. Sie hatten sich als erste einem umbekannten Erreger ausgesetzt , es war völlig unbekannt, wie man dem gegenüber tritt. Dafür haben sie die Situation gut gemeistert,die europäischen Zahlen sind meist schlechter und großenteils haben wir versäumt, aus diesen zu lernen. Oh. Boris, das hast Du nicht verdient, wo Du noch so große Aufgaben vor Dir hast. Ich wünsche Dir jedenfalls volle Gesundheit, damit Du auch Dein politisches Ziel erreichst!

  • dank melitta sind wir nun gerettet-die machen statt kaffee- nun mund-filter !

  • Es ist unglaublich, dass in einer Krise derartigen Ausmaßes sich Anbieter von Schutzkleidung durch Wucherpreise bereichern können. In China war es einer der ersten Schritte der Regierung, Wucherpreise für Masken und Hygieneartikel zu unterbinden. Das muss doch hier auch möglich sein. Ich verstehe das Zögern der Regierungen nicht, hier zu intervenieren.

    • @Weltbürger_01 Kantioler:

      Höhere Preise sind Ausdruck der geänderten Marktverhältnisse und auch ein notwendiger Anreiz, damit zusätzliche Produktionsstätten entstehen, auch wenn deren Nutzungsdauer (hoffentlich) begrenzt ist. Höhere Preise sind auch der Anreiz und der Lohn für diejenigen, die das gemacht haben, was noch viel mehr benötigt worden wäre: Masken in größerre Zahl auf Lager zu legen, damit dsie vorrätig sind, wenn sie benötigt werden.

      Damit meine ich nicht Einkäufe Ende Januar. Aber auch für diesen Zeitpunkt stellt sich die Frage, warum Krankenhäuser nicht sofort ihre Bestände gesichtet und aufgestockt hatten.

      Natürlich müssten u.a. Pflegedienste für ihren zusätzlichen Aufwand auch ein Entgelt bekommen.

  • Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

    • @Markus Müller:

      Sie geben hier widerliche Aussagen zum Besten. Anderen Menschen Leiden oder den Tod zu wünschen weil sie "zur Oberschicht" gehören ist menschenverachtend. Zusätzlich noch Verschwörungstheorien absondern - kotz.

  • Ich wage mal einfach die Behauptung, dass das in jedem Land so sein wird. Die Übersterblichkeit wird sich verzögert und nicht völlig exakt bemerkbar machen, aber einen Überblick geben.

    Und schön, wenn Mr. Johnson persönlich geläutert aus dem Krankenhaus gekommen sein sollte. Für tausende seiner Landsleute kommt eine etwaige Einsicht zur Natur der Krankheit aber leider etwas zu spät.

  • Eine um 52 % höhere Letalität würde bedeuten, daß Großbritannien sich im europäischen Vergleich bei der Sterblichkeit vor Frankreich und direkt hinter Italien einordnet. Schlimmer ist es nur noch in Spanien und Belgien (Zwergstaaten einmal ausgenommen).

  • In Italien gibts schon eine Übersterblichkeits-Vergleich - auch dort viel mehr Tote ...ais Pflegheimen und Häuslichkeit ...

  • Herr Johnson wird die Rechnung noch serviert bekommen.

    • @Jossi Blum:

      Herr Johnson hat die Rechnung schon persönlich präsentiert bekommen.

      Und das ist jetzt ohne Ironie oder Sarkasmus gemeint, ich wünsche Niemandem das er an Covid-19 stirbt, aber haben Sie mal seine Rede im TV nach seinem Krankenhausaufenthalt gesehen?

      youtu.be/tkZhyNbGWdY

      Das hat ihm, so ist zumindest mein Eindruck, stärker geprägt, als wenn ihm Winston Churchill persönlich erschienen wäre.

      Übrigens, so hätte ich mir auch die Rede meines Bundespräsidenten gewünscht und nicht dieses nichtssagende Gewäsch.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Redestil ist Geschmackssache. Aber ich hab lieber einen Faden Steinmeier als einen "geläuterten" Johnson.



        Das große Problem Großbritanniens bleibt die Verachtung der Unterschicht durch die Oberschicht. Das gibt es in Deutschland so nicht.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Jossi Blum:

      Johnson müßte die Rechnung bekommen - genauso wie Trump. In den USA gibt es wenigstens den Lichtblick das sich führende Demokraten wie Obama, Sanders & Warren hinter Biden stellen.

      Die Situation in UK:



      Helen Whately , Gesundheitsministerin, verteidigte am Mittwochmorgen die Position der Regierung und versprach, die Tests für Pflegeheimarbeiter und Anwohner zu erhöhen.

      Sie sagte gegenüber dem BBC : „Wir haben alles getan, um die wirklich schutzbedürftigen Menschen zu schützen.............."

      (Sterberate in UK derzeit liegtt bei 761 Toten täglich, nach mehr als 12.800 Toten seit Anfang der Krise.)

      Sehen diese Zahlen danach aus als ob alles getan wurde?

      Helen Whately erlärt des weiteren:

      "Von dem Moment an, als es so aussah, als würde Coronavirus auf uns zukommen ... haben wir wirklich hart daran gearbeitet, alles zu tun, um die Pflegenden vor dieser wirklich schrecklichen, schrecklichen Krankheit zu schützen."

      Sie riskierte aber auch, Ärzte und Pflegekräfte wütend zu machen, indem sie erklärte, dass einige die Schutzmasken nicht immer angemessen eingesetzt haben.

      „Die Leute haben immer geweint, dass sie Masken für alles verwenden sollen, und eigentlich ist das nicht die beste Verwendung dafür. Es muss bei Bedarf verwendet werden “, sagte sie.

      ==

      Wenn Whately britischen Krankenschwestern falsches Maskentragen vorwirft, in einer Situation, in der Pflegerinnen reihenweise am Virus sterben, weil die Regierung für keine Schutzkleidung sorgt - kennzeichnet das die zynische Haltung der Tory Regierung.

      Die ist kaum mehr zu ertragen .......

    • @Jossi Blum:

      der hat noch nicht die £40,000,000 für die nichgebaute gartenbrücke hingelegt.