Corona-Zahlen in Deutschland: Gefährliche Sorglosigkeit
Die Zahl der Neuinfektionen ist stark zurückgegangen. Leider sehen nicht alle diese positive Nachricht als Ergebnis der getroffenen Schutzmaßnahmen.
A m Mittwoch war es so weit: Beim Robert-Koch-Institut wurde die 200.000. deutsche Coronainfektion gemeldet. Doch großen Schrecken löst diese Zahl glücklicherweise nicht aus, denn die Zahl der Neuinfektionen ist stark zurückgegangen. Während Anfang April 50.000 Infektionen innerhalb einer guten Woche verzeichnet wurden, verteilten sich die jüngsten 50.000 auf fast drei Monate.
Im Vergleich zu den Prognosen am Beginn der Epidemie und gemessen an der Situation in vielen anderen Ländern ist Deutschland mit seinen bisher rund 9.000 Coronatoten erstaunlich gut davongekommen. Leider begreifen nicht alle diese positive Entwicklung als Ergebnis der getroffenen Schutzmaßnahmen; manche nutzen sie als Begründung dafür, die wenigen noch verbliebenen Beschränkungen wie die Maskenpflicht in Läden und Verkehrsmitteln infrage zu stellen oder zu ignorieren.
Auf Widerstand stößt teilweise auch der Plan für mögliche regionale Reisebeschränkungen, über den die Länder an diesem Donnerstag entscheiden wollen. Dabei erscheint es bei regionalen Ausbrüchen sehr naheliegend, mit regionalen Einschränkungen zu reagieren.
Denn auch wenn eine Beschränkung der Freizügigkeit stets ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte ist, kann sie doch das mildere Mittel sein – nämlich im Vergleich zu sehr viel weitergehenden Einschränkungen, die erneut überregional und längerfristig drohen können, wenn ein regionaler Ausbruch nicht gestoppt werden kann.
Doch die Tage im April, als die Straßen menschenleer waren und Schulen und Geschäfte sehr kurzfristig geschlossen wurden, ist für manche offenbar nur noch eine sehr ferne Erinnerung – und erst recht die noch weitaus drastischere Situation in vielen Nachbarländern.
So erfreulich diese Entwicklung ist, so gefährlich ist die Sorglosigkeit, die mit ihr einhergehen kann. Viele andere Länder, in denen es zunächst ähnlich gut lief, machen gerade die schmerzliche Erfahrung einer zweiten Welle. Deutschland sollte weiterhin alles daran setzen, diese zu verhindern und die nächste runde Corona-Zahl möglichst weit hinauszuzögern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind