Corona-Maßnahmen in Berlin ab Mittwoch: Home-Office und Testpflicht
Rot-Rot-Grün verschärft die Infektionsschutzmaßnahmen, weicht aber von der Notbremse ab. Testen und Home-Office-Pflicht sollen zielgenauer schützen.
Verpflichtend dürfen in Büros ab Mittwoch, den 31. März 2021, nur noch 50 Prozent der Beschäftigten arbeiten. Die Regelung soll für Bildschirmarbeitsplätze gelten. Zuvor hatte der Senat die Unternehmen nur aufgefordert, freiwillig mehr Home Office zu ermöglichen, um Kontakte auch in Betrieben zu reduzieren. Dennoch war die Präsenz in vielen Büros zuletzt hoch. Zudem verpflichtet der Senat Arbeitgeber und Unternehmen, den Beschäftigten zwei Coronatests pro Woche zur Verfügung zu stellen. Wie der Senat das genau kontrollieren will, blieb nach der Pressekonferenz vom Samstag zunächst unklar.
Michael Müller sagte bei der Pressekonferenz nach der Sondersitzung: „Wir können nicht nur immer weiter im privaten Bereich oder bei den Kindern in den Schulen oder der Familie einschränken.“ Deswegen habe man sich nun auf den beruflichen Bereich bezogen – zumal die wissenschaftliche Erkenntnis eindeutig sei, so Müller: Die ungeschützten Kontakte in Innenräumen stellten das größte Risiko dar. Deswegen müsse man „im Rahmen einer Notbremse“ auch im beruflichen Bereich ansetzen.
Im Privaten gibt es hingegen keine Verschärfung: Zugelassen sind hier weiter Treffen von zwei Haushalten mit bis zu fünf Personen, Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt. Allerdings appellierte der Senat dazu, Treffen über Ostern möglichst zu vermeiden, sich auch vor privaten Treffen testen zu lassen und auch bei privaten Treffen FFP2-Masken zu tragen. Mittlerweile gebe es 170 Teststationen in Berlin – bei vielen seien noch Kapazitäten frei.
Testen, testen, testen und verschärfte Maskenpflicht
Überhaupt liegt ein Hauptfokus der neuen Strategie auf Testungen: Denn verpflichtend sind laut Senat ab Mittwoch auch der Nachweis eines tagesaktuellen negativen Tests vorm Shopping oder vor allen körpernahen Dienstleistungen wie dem Besuch beim Friseur, im Kosmetiksalon oder im Tattoostudio. Die Buchung eines Termins sei hingegen nicht mehr erforderlich, wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte. Nicht gelten soll die Testpflicht für Einkaufsmöglichkeiten wie Supermärkte, Apotheken, Drogerien und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs.
Ab Mittwoch den 31. März 2021 gelten neue Berliner Corona-Maßnahmen.
Home-Office-Pflicht Mindestens 50 Prozent der Büroarbeitsplätze sollen verpflichtend im Home Office arbeiten – in der öffentlichen Verwaltung und in privaten Unternehmen.
Testpflicht für Unternehmen Arbeitgeber:innen müssen zweimal die Woche Tests für Arbeitnehmer:innen anbieten.
Testpflicht Einkaufen im nicht systemrelevanten Einzelhandel (alles außer Supermarkt, Drogerien und Apotheken) und Besuch von Kultureinrichtungen geht nur noch mit tagesaktuellem negativem Test (keine Terminbuchung erforderlich). Gilt auch für körpernahe Dienstleistungen wie den Frisörbesuch. Bei privaten und beruflichen Treffen mit mehr als fünf Personen sind negative Tests Pflicht (etwa Beerdigungen oder Personalratsversammlungen). Ausgenommen: Demonstrationen und Gottesdienste.
Private Treffen Erlaubt bleiben weiter Treffen von zwei Haushalten mit bis zu fünf Personen. Kinder bis 12 Jahren zählen nicht mit.
Maskenpflicht verschärft FFP2-Masken sind vorgeschrieben in ÖPNV, Einzelhandel, Arztpraxen etc.
Neu ist auch eine Testpflicht aller Beteiligten bei Treffen von mehr als fünf Personen in Innenräumen bei etwa beruflichen Treffen mit unverzichtbarer Präsenz wie Betriebsrats- oder Personalratsversammlungen oder auch Aufstellungsversammlungen von Parteien. Die Regelung gelte aber auch im privaten Bereich bei etwa Beerdigungen. Ausgenommen sind laut Senat Demonstrationen und Gottesdienste.
Auch die Maskenpflicht wird verschärft: So gilt in Geschäften und dem öffentlichen Nahverkehr die Pflicht, eine FFP2-Maske zu tragen. Bisher war es erlaubt, dort auch medizinische OP-Masken zu tragen.
Mit den beschlossenen Maßnahmen weicht der Senat von der Anfang März bei der Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarten Notbremse ab. Diese hatte eine Rücknahme der Lockerungen wie dem Click-&-Meet-Shopping oder das weitere Einschränken von privaten Kontakten vorgesehen – falls die Inzidenz an aufeinander folgenden Tagen auf 100 ansteigt (in Berlin liegt sie seit Dienstag über 100, aktuell: 138).
Auf die Frage, warum Berlin nicht die beschlossene Notbremse zieht, antwortete der linke Kultursenator Klaus Lederer: „Das ist absolut eine Notbremse, was wir hier machen.“ Das Entscheidende sei, sich nicht an der Verordnung entlang zu hangeln, sondern unter aktuellen Erkenntnissen zu überlegen, welche Regeln klug und sinnvoll seien. Insofern seien die Einschränkungen von Unternehmen schärfer und „richtig angesichts der pandemischen Lage“.
Müller erklärte, dass man durch das Vertrauen auf wissenschaftliche Beratung zu dieser Abweichung von der zuvor vereinbarten Notbremse gelangt sei. „Die Berliner Wissenschaft sagt uns: Ihr müsst reagieren. Man muss ernst nehmen, was dort passiert“, wie Müller mit Blick auf die dramatisch steigenden Infektionszahlen und die vorherrschende als gefährlicher und infektiöser geltende Mutante sagte. Ebenso müsste man durchsetzen, dass Testangebote deutlich stärker in Anspruch genommen würden. „Jeder Test schützt ja nicht nur im konkreten Begegnungsbereich, sondern auch im privaten“, sagte Müller.
Die Kritik an den neuen Beschlüssen ließ nicht lange auf sich warten. Berlins Industrie- und Handelskammer kritisierte die Einschränkungen der Wirtschaft. Die Regelung sorge für zusätzliche Belastung und Verunsicherung bei Betrieben und Beschäftigten. Was solle man etwa tun, wenn Beschäftigte das Home-Office-Angebot ablehnten, fragte IHK-Präsidentin Beatrice Kramm. Ebenso forderte sie finanzielle und logistische Unterstützung bei der Beschaffung von Tests. „Gerade kleine und von der Pandemie besonders betroffene Betriebe dürfen von der Politik dabei nicht allein gelassen werden“, sagte Kramm.
Die FPD meckerte, dass die rot-rot-grüne Regierung keine Strategie außer Verschärfungen habe. Die CDU wies daraufhin, dass die Berliner Verwaltung selbst nur zu einem Teil Home-Office-fähig sei, verschwieg aber, dass für diese der Senatsbeschluss auch gelte. Demgegenüber gibt es nicht weniger Stimmen, denen die beschlossenen Maßnahmen nicht weit genug gingen und die einen richtigen Lockdown forderten.
Müller verteidigte sich gegen Kritik von beiden Seiten: „Der einfachste Weg ist der komplette Lockdown.“ Er könne nicht ausschließen, dass der nötig sein werden in den kommenden Wochen und Monaten. „Wir haben aber das gemacht, was in der öffentlichen Diskussion seit Monaten zu recht eine Rolle spielt“, erklärte Müller den Berliner Sonderweg mit Blick auf Einschränkungen im Arbeitsleben. Bezüglich der weiter geöffneten Kultureinrichtungen und Shopping-Möglichkeiten sagte er, dass man in Abwägung aller Maßnahmen und Möglichkeiten in der gegenwärtigen Phase mit Impfen und Testen mehr erreichen können als noch Anfang März, als die Notbremse beschlossen wurde.
Zu geforderten weitergehenden Maßnahmen sagte Müller: „Ich hoffe es kommt nicht zum Lockdown und wir können weiter Dinge ermöglichen, die wir hart konditionieren. Einkaufen nur mit einem negativen Testergebnis ist eine harte Kondition.“ Man habe auch über eine Ausgangssperre verhandelt. Allerdings habe das Parlament dort ein deutliches Stoppschild gesetzt, wie Müller sagte: „Es gibt nicht den einen Königsweg. Es ist ein Abwägungsprozess, in dem wir jetzt im Maßnahmenmix und mit der Akzentverschiebung in Richtung Testen einen neuen und verantwortlichen Weg beschreiten, der viele Menschen schützen kann.“
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