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Corona-Impfung für Kinder in IsraelEs bleiben Zweifel

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

In Israel sind Corona-Impfungen für Kinder möglich. Einerseits hilft es gegen die Pandemie – andererseits ist der individuelle Nutzen relativ gering.

Ein Mädchen erhält die erste Coronaimpfung für Fünf- bis Elfjährige in Jerusalem Foto: Maya Alleruzzo/ap

D as Thema Coronaimpfung ähnelt in Israel dem Thema Nahostkonflikt. Wenn man auf unterschiedlichen Seiten steht, befreundet ist und das Bedürfnis hat, dies auch nach der Diskussion noch zu sein, bleibt nichts anderes übrig, als das Thema auszublenden. Platz für Grauzonen gibt es nicht. Dabei schwirren Zweifel durch den Äther, die angesichts der aufgeheizten Stimmung ihren Ort nicht finden.

Besonders sichtbar werden sie beim Thema Impfungen für Kinder. Israel hat am Dienstag mit dem Impfen von Kindern von 5 bis 11 Jahren begonnen. Vermutlich wird Deutschland in der näheren Zukunft nachziehen.

Es gibt ein schlagendes Argument für die Impfungen der Altersgruppe: Der gesamtgesellschaftliche Nutzen kann – je nach Impfquote – enorm sein. In Israel machen die Kinder dieser Altersgruppe 13 Prozent aus. Ohne sie wird es wohl keine Herdenimmunität geben können.

Andererseits: Der individuelle Nutzen von Impfungen für die Kinder dürfte bedeutend geringer sein als für Erwachsene. Covid-19 verläuft bei Kindern in den meisten Fällen leicht. Long Covid kommt bei Kindern zwar vor, jedoch seltener im Vergleich zu Erwachsenen. In der Pandemie finden sich viele Linke, die wenig für Pharmakonzerne übrig haben, in einer merkwürdigen Situation wieder, nämlich aufseiten von Biontech/Pfizer und den anderen Impfherstellern – wenn auch nur die Risiko-Nutzen-Abwägung betreffend und um möglichst vereint gegen Co­ro­nal­eug­ne­r*in­nen oder Impf­geg­ne­r*in­nen zu stehen.

Mit den Impfungen von Kindern könnten einige unter ihnen, die Kinder haben, ins Schleudern geraten – ob man das eigene Kind einem möglichen Risiko aussetzt, bei dem der Nutzen für das Kind selbst nicht so hoch ist. Doch wirklich äußern, so mag es ihnen scheinen, kann man derlei Bedenken nicht, ohne Quer­den­ke­r*in­nen in die Hände zu spielen.

Mir fällt es auch schwer, aber genau deswegen mache ich es, um Raum für Grauzonen zu schaffen. Ich lebe in Tel Aviv und habe die Füße in die Hand genommen, um die erste, zweite und dritte Impfung zu erhalten. Ob ich mein Kind, wäre es schon fünf, impfen lassen würde? Ehrlich gesagt: Keine Ahnung.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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4 Kommentare

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  • In Deutschland wird das wohl nichts werden mit dem Impfen für Kinder, nachdem der Herr Mertens von der STIKO sein Kind nicht impfen lassen wird, hat er defakto das impfen für Kinder im Alleingang abgesagt, bevor es begonnen hat.

    Es ist ohnehin viel wichtiger, das die Millionen von Erwachsen, welche sich nicht impfen lassen, ihre Haltung überdenken, das impfen der Kinder wäre dann auch viel weniger wichtig.

  • Ich lebe in Kambodscha. Hier sind alle Kinder ab sechs Jahren bereits geimpft, bei den fünfjährigen sind aktuell 88% einmal geimpft. Wir haben keine Fälle in Schulen derzeit, es gibt keine Berichte mehr, dass Kinder ihre Eltern, Großeltern oder andere Verwandten anstecken. Wir haben hier in Kambodscha vor der Impfung auch einige wenige Kleinkinder und Kinder gehabt, die an Corona gestorben sind, wohl auch weil die intensivmedizinischen Möglichkeiten zur Behandlung schwerkranker Kleinkinder hier rar sind. Wenige Fälle sind trotzdem für die Betroffenen ein Trauma. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass Kinder ihre Bezugspersonen anstecken können und dass sie - je nach Ausgestaltung des Infektionsgeschehens - zu einem Infektionstreiber werden können. Für eine Gesellschaft ist es insofern in einer derartigen bedrohlichen Situation hilfreich, wenn alle geimpft sind. Heute hatten wir in Kambodscha 34 neue Fälle, von denen 6 an den Grenzen festgestellt wurden. Wir hatten auch 37 geheilte Personen. Wir haben noch ca. 700 z.T. schwerkranke Menschen in den Krankenhäusern aus der zweiten Welle, von denen leider ca. 10 % in den nächsten Tagen und Wochen sterben werden. Heute starben 5 Menschen, von diesen war drei ungeimpft. Es mag ein deutliches Dunkelfeld geben, welches aber aufgrund der nahezu universalen Impfung ab 5 Jahre meistens keine oder sehr leichte Symptome hat. Bei uns in der Nachbarschaft waren während der zweiten Welle 18 Häuser durch symptomatische Fälle betroffen, jetzt sind es Null. Insgesamt ist es eine innere sowie äußere Befreiung, wenn Kinder geimpft zur Schule gehen können und auch alle ihre Lehrer:innen und Verwandten ebenfalls geimpft sind. Ich blicke in Anbetracht dieser Sachlage durchaus mit einem Fremdheitsgefühl auf Europa und eben auch auf die Diskussion, ob wir Kinder impfen sollten. Zum Glück haben wir es in Kambodscha bereit getan!

  • Mir erschließt sich der Sinn von Frau Poppes Kommentar nicht, ebensowenig wie schon ihr einleitender Satz "Das Thema Coronaimpfung ähnelt in Israel dem Thema Nahostkonflikt."

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Dann sollte man die Risikoanalysise doch mal etwas genauer darlegen und auch was die Alternativen und deren Auswirkungen wären (lockdown für Kinder?)