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Corona-ExpertengremiumPandemierat mit Diversitydefizit

Gastkommentar von Simon Lohse

Die Einrichtung eines Expertenrats ist gut. Nur kommen die Sozialwissenschaften zu kurz. Auch die Frauen sind unterrepräsentiert.

Zu häufig aus dem Blick verloren: junge Schü­ler:in­nen in Zeiten der Pandemie Foto: K. Schmitt/imago-images

N un ist er da, der neue Expertenrat, der die Bundesregierung dauerhaft mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Pandemie und Handlungsoptionen unterstützen soll. Bei seiner Zusammensetzung fällt auf, dass der Ruf nach mehr Vielfalt in der Beratung zumindest teilweise Gehör fand. So sind nicht nur Vi­ro­lo­g:in­nen mit unterschiedlichen Auffassungen zum Pandemiemanagement unter den Mitgliedern, es gibt auch eine gewisse disziplinäre Vielfalt: Neben Medizin und Modellierungsexpertise sind auch Ethik und Psychologie beziehungsweise Gesundheitskommunikation vertreten.

Gut so! Es gibt jedoch auch Probleme mit der Vielfalt. Zum einen ist – wieder einmal – keine Geschlechterparität gegeben. Zum anderen muss festgestellt werden, dass Perspektiven, die nicht aus Biomedizin oder Modellierungsszene stammen, nach wie vor unterrepräsentiert sind. Insbesondere Perspektiven aus den Sozialwissenschaften sind nicht dabei. Wo sind die So­zio­lo­g:in­nen, die empirische Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen sozialer Benachteiligung und Pandemie einbringen?

Weshalb gibt es keine Ex­per­t:in­nen für politische Protestformen, etwa der „Querdenker“, oder für volkswirtschaftliche Aspekte unterschiedlicher Lockdown-Optionen in dem Rat? Spätestens seit Sommer 2020 ist klar, dass es sich bei der Pandemie nicht um eine Krise handelt, die sich allein mit den Werkzeugen der Lebenswissenschaften adäquat begreifen lässt.

Zu offensichtlich ist die Tatsache, dass Covid-19 als „Syndemie“ aufgefasst werden muss, als Komplex aus medizinischen, psychologischen, sozioökonomischen und politischen Wechselwirkungen. Vor diesem Hintergrund ist die Nichtberücksichtigung der Sozialwissenschaften bei der Besetzung des wissenschaftlichen Expertenrats (nach knapp zwei Jahren Pandemie!) vollkommen unverständlich.

So werden gesellschaftliche Aspekte ausgeblendet, die wichtig für das Fine­tuning politischer Maßnahmen wären, womit das Risiko einer unausgewogenen Politikberatung durch den Rat höher ist, als es sein müsste.

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6 Kommentare

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  • Danke für den Kommentar! Eine Einschätzung von CORONA als gesamtgesellschaftliches System hatte ich bis dato noch nie irgendwo gelesen - und lange schmerzlich vermisst.

    In den meisten Beiträgen liegt der Fokus ja rein auf dem Gesundheitsaspekt. Der ist wichtig, aber eben nicht alles, was unser Leben ausmacht.

    Danke sehr!

  • ' ... Vor diesem Hintergrund ist die Nichtberücksichtigung der Sozialwissenschaften bei der Besetzung des wissenschaftlichen Expertenrats (nach knapp zwei Jahren Pandemie!) vollkommen unverständlich. ...'



    Das kann ich so nicht sehen.



    Im Expertenrat sind u.a.



    Alena Buyx: Medizin, Philosophie, Soziologie und Gesundheitswissenschaften.



    Cornelia Betsch: Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation.



    Ralph Hertwig: Psychologe.



    Dass die Geschlechterparität nicht erreicht wurde, ist ein Mangel, von dem man indes nicht weiß, ob er sich auswirkt. Gleichwohl suboptimal.



    Es gibt mW formal knapp 30 verschiedene Sozialwissenschaften. Wie viele sollte man berücksichtigen und welche? Die Forderung nach mehr detaillierter Expertise, erinnert mich an die Erfahrung, dass der Schaden beim Löschen eines Großbrandes positiv korreliert ist zur Anzahl der eingesetzten Löschfahrzeuge ;)

  • Kinderpsychiater, Psychologen, niedergelassene Ärzte, Gerontologen, Pädagogen....fehlen leider alle.



    Und mir ist es völlig wurscht, ob Mann oder Frau oder sonst was- Hauptsache kompetent.

  • Ich empfehle, mal wieder "Parkinsons Gesetz" zu lesen, das Kapitel über "Komitologie". Wikipedia dazu [1]:



    "In Direktoren und Kabinette oder der Koeffizient der Unfähigkeit ... wird die Komitologie (Ausschusslehre) begründet, und es geht um die Mitgliederzahl, ab der die völlige Geschäftsunfähigkeit erreicht wird (Unfähigkeits- oder Ineffizienz-Koeffizient; nach Parkinson 20 oder 21 Personen).



    [1] de.wikipedia.org/wiki/Parkinsons_Gesetz

  • Klasse Analyse. Da kann ich nur voll zustimmen. Danke

  • Danke, sehr guter Kommentar, aber wahrscheinlich ohne Chance von Lauterbach und Co. gehört zu werden...