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Chinapolitik der Europäischen UnionEuropa ringt um neuen Kurs

Eine Debatte im Europaparlament zeigt, wie weit die EU noch von einer einheitlichen Haltung gegenüber der Volksrepublik entfernt ist.

Peking: Ein chinesischer Polizist wacht am 24. Februar 2023 vor einer EU-Flagge Foto: Mark R. Cristino/epa

Brüssel taz | Die EU-Kommission will die Daumenschrauben gegenüber China anziehen und zugleich die europäischen Investitionen in die chinesische Wirtschaft künftig strenger kontrollieren. Dies sagte die deutsche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag in einer Aussprache im Europaparlament in Straßburg. Zugleich warnte sie die Führung in Peking vor einer militärischen Intervention in Taiwan.

Die EU wolle weiter mit China zusammenarbeiten, erklärte von der Leyen. Eine „unilaterale Änderung des Status quo“ in ­Taiwan, „insbesondere durch Gewaltanwendung“, werde jedoch auf entschiedenen Widerstand Europas stoßen. Die EU-Chefin warb zudem für ihre Strategie der Risikobegrenzung („De-Risking“) im Umgang mit China. Dazu gehöre eben auch, strategische Investitionen aus Europa in kritische Techno­logien in China zu überwachen.

Wann ein entsprechender Gesetzentwurf kommt, sagte die deutsche EU-Kommissionschefin bei ihrer Rede in Straßburg nicht. Klar wurde jedoch, dass von der Leyen an ihrem harten Kurs festhält – und dabei auch künftig eng mit den USA zusammenarbeiten will. Bereits Anfang März hatte die CDU-Politikerin ihre Strategie bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden in Washington abgesprochen.

Dieses Vorgehen wird jedoch nicht von allen EU-Politikern gebilligt. So plädierte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kürzlich nach einem Staatsbesuch in Peking für mehr „strategische Autonomie“ und eine unabhängige China-Politik. Die EU dürfe sich nicht in Konflikte hineinziehen lassen, die sie nichts angingen, sagte Macron mit Blick auf Taiwan. Sonst drohe Europa zum „Vasallen der USA“ zu werden.

Die Mehrheit stellt sich hinter von der Leyen

Wer hat recht? Und wer setzt sich durch? Das ist die große Frage, die die EU-Politiker in Brüssel umtreibt. Ratspräsident Charles Michel, der die EU-Gipfel organisiert, stellte sich hinter Macron. Der Franzose sei mit seiner Haltung nicht allein, sagte der Belgier. Auch Josep Borrell, Europas Chefdiplomat, zeigt Verständnis. Die EU brauche eine gewisse Autonomie, sagte er in Straßburg.

„Wir müssen einen neuen Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Fernen Osten vermeiden“, forderte Borrell. Außerdem dürfe man die Debatte nicht auf die USA und China verkürzen. Wenn sich die EU aus China zurückziehen und an die USA anlehnen sollte, würden sofort andere Länder in die Bresche springen, sagte der Spanier. „Wenn wir ein Vakuum schaffen, wird es von anderen gefüllt.“

Wir müssen einen neuen Kalten Krieg vermeiden

Josep Borell, EU-Außenbeauftragter

Tatsächlich orientieren sich bereits viele Länder stärker an China als an Europa, wie der Staatsbesuch des brasilianischen Präsident Lula da Silva in Peking gerade gezeigt hat. Lula forderte die EU auf, ihren Kurs in der Ukraine-Politik zu überdenken und mehr für eine Friedenslösung zu tun. Borrell nannte auch das Beispiel der südostasiatischen Asean-Staatengruppe: „Wir sind da weggedrängt worden.“

Wie die EU jedoch verloren gegangenes Terrain zurückerobern und zugleich China einhegen könnte, ließ Borrell aber offen. Eine gewisse Ratlosigkeit prägte auch die Aussprache der Europaabgeordneten. Die Mehrheit stellte sich hinter von der Leyen und ihren harten, transatlantischen Kurs. Der Chef der größten Parlamentsfraktion, Manfred Weber (CSU), lobte ihre „klaren Kernbotschaften“.

Der nächste EU-Gipfel ist im Juni geplant

In der Taiwan-Frage gehe es um die europäischen Werte, so Weber. Macron habe mit seinen Worten „die Einheit Europas massiv beschädigt“ und Zweifel an der Bündnistreue in den USA geweckt. Der Streit müsse beim nächsten EU-Gipfel am 29. und 30. Juni auf den Tisch kommen. Ähnlich äußerten sich die Grünen. Nur von der Leyen spreche für die EU, sagte der grüne Außenpolitiker Reinhard Bütikofer.

Es gab jedoch auch andere Stimmen. Der Chef der liberalen Renew-Fraktion, Stéphane Séjourné, stellte sich hinter Macron. Die Strategie der USA in der Taiwan-Frage sei besorgniserregend, sagte der Franzose. Die französische Linken-Politikerin Manon Aubry warf der EU vor, die große Abhängigkeit von China durch ihre eigene Handelspolitik überhaupt erst geschaffen zu haben. Europa dürfe sich nicht an die USA anpassen, sonst werde es international nicht mehr ernst genommen.

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3 Kommentare

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  • Wer in Geschichte mitgedacht hat müsste erkennen dass Länder, Grenzen, Machtbereiche, Besiedlungen nicht statisch sind. Ein Beispiel von Tausenden wären die Vereinigten Staaten von Amerika.



    Ein weiteres kleines aber feines Beispiel wäre Gibraltar.

  • Die EU gut gut daran nicht zum "Vasallen der USA“ zu werden. Die USA verlieren an Macht, der Dollar als alleiniges Zahlungsmittel wird immer mehr hinterfragt und umgangen, Alternativen sind inzwischen möglich. Das ist gut. Die EU sollte die Chance zu einer eigenständigen Politik nutzen. Länder wie Brasilien und Indien tun es auch. Was hindert uns daran, es auch zu tun?

    • @uffbasse:

      Daran ist nicht falsch nur Taiwan und China ist da das falsche Beispiel für, ein unabhängiges Taiwan liegt im strategischen Interesse Europas und China ist global Mitbewerber., man sollte die Naivität die man gegenüber Russland an den Tag gelegt hat nicht wiederholen.