Chefs bei der Corona-Impfung: Wenn der Vorstand vordrängelt
Geschäftsführer einer Kette von Altenheimen lassen sich gegen das Coronavirus impfen. Arbeitnehmerorganisationen kritisieren falsche Prioritäten.
Die Domicil-Unternehmensgruppe rechtfertigte das damit, dass die Betroffenen „immer wieder in den Einrichtungen vor Ort präsent“ seien. Domicil mit Hauptsitz in Hamburg betreibt bundesweit 40 Pflegeheime, sogenannte Senioren-Residenzen.
Die Dortmunder Stiftung Patientenschutz findet das Verhalten der Manager problematisch. „Das Impfangebot für die Geschäftsleitung einer Muttergesellschaft von vielen Pflegeangeboten hat in der Impfverordnung keine Priorität“, sagt deren Vorstandsvorsitzender Eugen Brysch. „Alleine Pflegeheimbewohner, Menschen über 80 Jahre und die Mitarbeiter von stationären Pflegeeinrichtungen müssen bei der höchsten Priorität in den Blick genommen werden.“
Die vier Herren aus der Geschäftsleitung ließen sich bereits am 14. Januar – gut zwei Wochen nach Anlaufen der Impfkampagne – zum ersten Mal impfen. In der Seniorenresidenz in Hamburg-Jenfeld erhielten sie jetzt die zweite Dosis, die den Impfschutz vervollständigt.
Zur Aufrechterhaltung des Betriebes
Die Impfungen seien notwendig gewesen, weil die Manager immer wieder in den Einrichtungen vor Ort präsent seien, um diese in der aktuellen Coronapandemielage bestmöglich organisieren zu können. „Wir sehen es daher als unsere Pflicht, unseren Bewohnerinnen und Bewohnern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber an, diese Personen zur Aufrechterhaltung des Betriebes bestmöglich zu schützen“, teilte das Unternehmen mit.
„Regelmäßige Präsenz ist keine Begründung“, findet Arnold Rekittke von der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Auch aus seiner Sicht genießen die Geschäftsführer nicht die höchste Priorität beim Impfen. „Sie nehmen Pflegekräften die Impfstoffe“, kritisiert Rekittke.
Ähnlich sieht das der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBFK). „Die allererste Priorität sollten die Mitarbeiter haben, die die Bewohner tagtäglich versorgen“, fordert dessen Pressesprecherin Katharina von Croy. Die Frage, wie viele der 5.000 Domicil-Mitarbeiter geimpft sind, die ja zum großen Teil direkt mit den Bewohnern arbeiten, beantwortete das Unternehmen nicht.
Croy erinnert an weitere Fälle unsolidarischen Verhaltens im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen. Im Januar sind Führungskräfte und Verwaltungsmitarbeiter der Feuerwehr und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) In Hamburg-Harburg geimpft worden, während Rettungskräfte leer ausgingen. Der Harburger DRK-Chef Harald Krüger ist inzwischen von seinen Aufgaben entbunden worden – angeblich allein aus gesundheitlichen Gründen.
In den Hamburger Fällen hatte es angeblich Impfstoffreste gegeben, die wegen der hohen Kühlungsanforderungen zu verderben drohten und deshalb mal eben verimpft wurden. Allerdings wäre ein Transport ins Impfzentrum in den Hamburger Messehallen wohl durchaus möglich gewesen. „Mit Resten kann sich keiner mehr rausreden“, sagt DBFK-Sprecherin Croy mit Blick auf diese Vorfälle.
Arnold Rekittke, Gewerkschaft Ver.di Hamburg
Die Argumentation, dass Menschen vorzeitig geimpft werden, um vor Ort überzähligen Impfstoff nicht verfallen zu lassen, lässt auch Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz nicht gelten. Es sei Unvermögen, wenn nicht mittels Wartelisten und Pool-Lösungen sichergestellt wird, dass der Impfstoff zunächst nur an die priorisierten Menschen verimpft wird.
Es gehöre zur Verantwortung und Pflicht einer Geschäftsleitung, dafür zu sorgen, dass genau diese Menschen der höchsten Priorität ein Impfangebot bekommen. „Deshalb muss es endlich strafrechtliche Konsequenzen haben, wenn Menschen außerhalb der Prioritätsgruppen unberechtigt Impfleistungen in Anspruch nehmen“, findet Brysch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe es versäumt, in seiner Verordnung eine Aussage zu Verstößen zu treffen
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