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Cannabis-Leagalisierung in DeutschlandAuf den Entwurf folgt der Einwurf

Aus der SPD melden sich Hardliner gegen die Liberalisierung. Eine Organisation hofft dagegen auf ein noch progressiveres Gesetz.

Gerade steht die Ampel für das neue Gesetz zur Cannabislegalisierung auf Grün Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin taz | Eine nebulöse Stimmung dämpft die Cannabis-Euphorie der Bundesregierung am Folgetag: Zwei SPD-Innenpolitiker positionieren sich gegen die Pläne ihres Parteikollegen und Gesundheitsministers, Karl Lauterbach. „Ich bin nicht überzeugt, dass dadurch der Schwarzmarkt eingedämmt wird“, sagte Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier am Donnerstag.

Lauterbach hatte am Mittwoch einen Gesetzentwurf des Bundeskabinetts zur Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Vorsichtige Kritik kommt unterdessen auch von Organisationen, die sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren für eine deutlichere Liberalisierung von Cannabis einsetzen wollen.

Thüringens Innenminister Maier sagte, er habe Zweifel, dass mit dem Gesetz die Wirkung erzielt werde, die man sich erhoffe. Außerdem habe er Sorge, dass die leichtere Verfügbarkeit wieder mehr Leute an die Droge heranführe. Er schloss sich damit der Kritik von Hamburgs SPD-Innensenator, Andy Grote, an, der sich zuvor ähnlich geäußert hatte.

Laut Gesetzentwurf sollen der Privatbesitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt werden sowie der private Anbau mit bis zu drei Pflanzen. In gemeinnützigen Cannabis-Anbauvereinigungen sollen sich bis zu 500 Menschen zum Anbau zusammenfinden dürfen. Lauterbach sprach am Mittwoch von einer „Wende in der deutschen Drogenpolitik“ und der „besten bisher versuchten Legalisierung“ überhaupt.

Geringe Mengen werden nicht mehr strafverfolgt

Das sehen jedoch nicht alle so. Kritik kommt außer von den beiden SPD-Innenpolitikern und der Union, die auf eine weitere Prohibition von Cannabis pocht, auch von Organisationen, denen der Gesetzentwurf aus dem Bundeskabinett weiterhin zu restriktiv ist.

„Die Bundesregierung macht nur einen Teilschritt dessen, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist“, sagte Hubert Wimber, Vorsitzender der deutschen Sektion von Law Enforcement Against Prohibition (Strafverfolger*innen gegen Prohibition, LEAP), der taz. Er begrüßte, dass mit den Plänen künftig eine Strafverfolgung bei einem Besitz von geringen Mengen an Cannabis ausgesetzt wird. LEAP fordert jedoch eine Erhöhung dieser Mengen auf 60 Gramm statt der bislang angedachten 25 Gramm.

Wimber, von 1998 bis 2015 Polizeipräsident der Stadt Münster, spricht angesichts der Pläne des Kabinetts auch von einem „Bürokratiemonster“, das im weiteren Gesetzgebungsverfahren entschlackt werden müsse.

Nach der Sitzungspause sind die Lesungen zum Gesetz im Bundestag vorgesehen, verbunden mit Sitzungen des Gesundheitsausschusses und Anhörungen externer Expert*innen, zu denen auch LEAP geladen ist. Dem Zeitplan zufolge soll das Gesetz bis Ende des Jahres in Kraft treten.

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6 Kommentare

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  • Der durch‘s Bundeskabinett gegangene Entwurf scheint eigentlich nur ein Ziel zu haben: das Ampel-Versprechen nach „Legalisierung“ zu erfüllen, während es gleichzeitig in der Praxis fast unmöglich gemacht wird, legal anzubauen oder zu konsumieren.

    Sehr informativ dazu: youtu.be/OhvDCXFDY4Q

    Von daher stimmt es: mit DEM Gesetz würde dich für den Schwarzmarkt kaum etwas ändern.

  • Ich frage mich auch, wie das den Dealern schaden soll, wenn die Leute zwar 25 Gramm besitzen aber nirgendwo legal kaufen dürfen.

    • @Herma Huhn:

      Das andere Problem : wenn ich drei Pflanzen selbst anbaue, brauche ich zwar nix zu kaufen, aber - wenn die Pflanzen, welche ich so gesehen habe, repräsentativ waren, da wäre es sinnvoll, die erlaubte Menge (halt wie Weinkeller beim Wein) auf das hundertfache zu erhöhen bzw. gar nicht zu begrenzen, weil es einfach keinen Sinn macht. Schließlich soll das Gesetz ja auch arbeitserleichternde Wirkung für die Exekutive haben. Es gibt andere Dinge, die wirklich einer staatlichen Regulierung bedürften (Faschismus, Mafia, Geldwäsche, Bankenbetrug etc.)

      Sieht etwas nach einer unbeholfenen, zwar gut gemeinten Schreibtischarbeit aus, diese Gesetzesvorlage. Viel gemutmaßte Theorie, jedoch kaum Praxis-bezogene Erkenntnis.

      Außerdem sollte gerne von staatlicher Seite kontrolliert werden, daß kein aus Gewinn- und Wirkungsmaximierung verseuchtes Zeugs vertrieben wird, also eine gesetzliche Grundlage gegen solcherart manipuliertes Material. Ich glaube übrigens auch, daß die Wirkung nicht mehr viel mit der der ursprünglichen Hanfpflanze zu tun hat. Da sollte man - auch den Pflanzen zuliebe - wieder auf ein gesundes Maß zurückfinden. Ich bin mir ziemlich sicher, daß die festgestellten gesundheitsgefährdenden Eigenschaften der Droge dadurch gegen Null gehen.



      Es sollte also auch ein Reinheitsgebot gelten ...



      Diese Züchtungen und Manipulationen waren begründet in der Prohibition : Riesenwirkung bei kleinem Gewicht = minderte die Gefahr, alleine aufgrund der Volumina unnötig aufzufallen. Die negativen Folgen für die User wurden nach guter kapitalistischer Manier vergesellschaftet.

  • 60 Gramm ist nicht wenig; das ist eher "Einzelhandelsmenge" als Privatkonsum.

  • unser Nachbar, Niderlande, hat seit ewigkeit einen progressiven Umgang mit dem Kraut.



    Offensichtlich ist die Gesellschaft dort nicht zu Grunde gegangen.



    Wo liegt das Problem einfach deren Gesetze zu übernehmen?

    • @Ramaz:

      Das niederländische Modell gilt auch unter Legalisierungs-Befürworter*innen im Allgemeinen eher als abschreckendes Beispiel dafür wie man es nicht machen sollte, weil die Lieferketten illegal bleiben. Damit gelingt keine Qualitätssicherung, die OK hat ein riesiges Betätigungsfeld und die Coffeeshop-Betreibenden stehen ständig mit einem Fuß im Knast weil die Ware erst in ihrer Theke legal bzw. geduldet wird.