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CSU-Politiker menschelt im KinoWenn Söder weint

Wenn Markus Söder im Kino die Tränen laufen, sagt das mehr über ihn aus, als ihm lieb ist. Was Freud wohl davon halten würde?

Hat auch schon mal im Kino geweint: Markus Söder auf dem 42. Filmfest in München, am 28.06.2025 Foto: Dave Bedrosian/imago

S igmund Freud veröffentlichte im Jahr 1901 eine Studie mit dem Titel „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“. Darin behauptet er, dass alltägliche Fehlleistungen, beispielsweise etwas zu vergessen, sich zu verschreiben, vor allem aber das Versprechen unbewusste Absichten ausdrücken. (Jenes seitdem „freudscher Versprecher“ genannte Phänomen auf die Spitze treibt ein im Original englischsprachiger Witz, in dessen Pointe ein Mann beim Frühstück zu seiner Frau anstatt „gib mir bitte mal die Butter, Schatz“ sagt: „Du blöde Kuh hast mein Leben ruiniert.“)

Po­li­ti­ke­r:in­nen müssen mit ihren Worten besonders vorsichtig sein, ihre freudschen Versprecher bleiben sonst für immer und ewig im hämischen öffentlichen Gedächtnis. Etwa so wie beim ehemaligen Münchner Oberbürgermeister Erich Kiesl, der dem Bayerischen Rundfunk bei einem Live-Interview auf die Frage, wie er mit dem damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zurechtkam, antwortete: „Wir haben keine Differenzen. Wenn wir zusammenkommen, ist es so: Er sagt seine Meinung und ich sage seine Meinung.“

Bei der Eröffnung des 42. Internationalen Filmfests München am letzten Samstag sagte der aktuelle Bayerische Ministerpräsident Markus Söder ebenfalls seine Meinung: Anstatt – in üblicher Vermeidung der gendersensiblen Sprache mit Glottisschlag – von „Künstlerinnen und Künstlern“ zu sprechen, klang es bei ihm wie „Künstler und Künstler“.

Wenn Söder weint

Glaubt man Freud, dann drückt sich damit unbewusst die Absicht aus, männliche Künstler vorzuziehen. Vielleicht verschluckte er das „innen“ aber auch einfach aus Eile, weil er schnell wieder ins Kino hasten wollte: Söder outete sich darüber hinaus nämlich passenderweise als Filmaficionado. Sogar geweint habe er im Kino schon, gab er auf Nachfrage zu. Zum Beispiel als Captain Kirk starb.

Captain Kirk starb im Kinojahr 1995 in dem bei Trekkies und Nicht-Trekkies gleichermaßen unbeliebten, weil ziemlich dämlichen Film „Star Trek: Treffen der Generationen“. Darin geht der Staffelstab beziehungsweise die Brücke offiziell an den Philosophencaptain und Rotweinliebhaber Jean-Luc Picard, der in der Fernsehserie „Star Trek: The Original Series“ bereits begonnen hatte, die Originalserie erzählerisch auf ein anderes Level zu hieven und Kirks zuweilen recht hemdsärmelige Starker-Mann-Attitüde durch flachere Hierarchien und ein stärkeres Demokratieverständnis aufzuweichen.

Ansonsten weine er bei Familienfilmen, sagte Söder und erzählte von Everybody’s Fine mit Robert De Niro

Es ging in Söders Lieblings-„Enterprise“-Abenteuer also um eine politische Zeitenwende. Interessant wäre, was Freud dazu sagen würde. Ansonsten weine er bei Familienfilmen, sagte Söder noch und erzählte von „Everybody’s Fine“ mit Robert De Niro. In diesem 2009 von Kirk Jones inszenierten Drama spielt De Niro Frank, den lungenkranken Vater von vier Kindern, der beschließt, sämtliche erwachsene Söhne und Töchter zu besuchen, nachdem ein gemeinsames Treffen bei ihm zu Hause von den Kindern abgesagt worden war.

Das Schöne an der Geschichte ist, dass De Niros Charakter diese Reisen aus gesundheitlichen Gründen per Zug absolviert. Nicht mit dem Flugzeug, nicht mit dem Auto und schon gar nicht mit dem Verbrenner, dessen von der EU für 2035 geplantes Aus Söder wiederholt infrage stellte.

Dabei müsste er sich einfach nur ein Beispiel an Frank in „Everybody’s Fine“ nehmen. Während der Zugreisen schaut Frank nämlich sinnierend aus dem Fenster auf die Telefonkabel, die er selbst einst verlegt hat, und hat so endlich mal Zeit, über alles nachzudenken. Würde er fliegen oder selbst Autofahren, könne man die Geschichte so nicht erzählen.

Den Rückweg tritt Frank notgedrungen mit dem Flugzeug an – er muss schnell nach Hause, weil ihm ein Medikament abhandengekommen ist. Leider tut ihm der Flug gar nicht gut: Er landet im Krankenhaus. Was folgt, ist der Grund für Söders Tränen. Hätte Frank doch bloß wieder den Zug genommen.

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18 Kommentare

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  • Staatsschauspieler.



    Käpt'n Kirk ist schon verschieden,



    Söder wandelt noch hernieden.



    „Sie amüsieren uns zu Tode." -



    --



    Nächste Episode:



    Irgendwo am Bratwurschtstand



    regt sich Veganer-Widerstand.



    Ein inszenierter Grün-Skandal



    im Viktualien-Jammertal



    Das findet Markus su real.



    Er braucht Scripted Reality



    für seine Pubilizity.



    -



    Das Leben ist oft nur Fiktion.



    Markus Söder glaubt das schon.

  • Jean-Luc Picard fängt natürlich nicht in „The Original Series“ an, die Erzählung auf ein neues erzählerisches Niveau zu hieven, sondern passenderweise in „The Next Generation“.

  • Wenn er so weitermacht, wird er doch noch Kanzlerkandidat der Union für 2029. nach fast 50 Jahren Wartezeit wäre die CSU mal endlich dran. Nachdem er schon zweimal verzichtet hat hat er gute Chancen. Besser als Weidel wäre er allemal, was auch keine große Kunst ist.



    Auch ich weine bei manchen gut gemachten Filmen, bei vielen anderen Themen ist mir zum Heulen zumute. Politiker möchte ich dennoch nicht sein, ich beneide die Leute nicht.

    • @Georg Groeg:

      *... nach fast 50 Jahren Wartezeit wäre die CSU mal endlich dran ..." außerhalb von Bayern einschl. seiner "Heimat" Franken sind bestimmt viele anderer Meinung. Keiner braucht neben kleptokratischen CSU-Ministern auch noch einen Kanzler. Dann lieber jemand vom SSW.

    • @Georg Groeg:

      Besser als Weidel? Sehr nahe dran würde ich sagen. In der Programmatik unterscheidet die inzwischen kaum noch was.

  • Bei mir ist das so: Ich weine wenn ich Söder sehe....

  • " Jean-Luc Picard, der in der Fernsehserie „Star Trek: The Original Series“ bereits begonnen hatte"

    The Next Generation, nicht TOS.

  • Gibt sich ganz als bodenständiger, netter Typ von Nebenan.



    Schlips weg, Bart her, Jacket lässig und leger...

    Und dann noch etwas Saft aus der Tränendrüse gequetscht ...

    Sowas möchte man doch als Schwiegersohn ! Jedenfalls in Bayern.

    • @Bolzkopf:

      Menschen, die mit dem außerhalb der Politik zu tun hatten (und nicht zu seiner Familie gehören) erzählen da anderes.

      • @Axel Schäfer:

        Sie machen mich neugierig ...

        • @Bolzkopf:

          Ich sehe schon die Schlagzeilen der Springer & internationalen Weltpresse



          " Hat der Barzi Söder ein Doppelleben ? oder nur eine multiple Persönlichkeitsstörung ? " 😭😭

  • "Meine ganze Libido gehört Österreich-Ungarn."



    .



    Sigmund Freud in einem Briefwechsel zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Zitiert nach Christopher Clark "Die Schlafwandler", Pantheon Verlag, Taschenbuchausgabe 2015, S. 602.



    .



    Was würde wohl Freud davon halten?

  • Sach mal so: Da der Markus Söder ja wg diverser Gesetzesverstöße im Umweltschutzbereich (im Sürland einst ua zuständig in meinem Berittt) ein Krimineller ist!



    Und vllt nur deswegen nicht im Knast sitzt weil nach Vorlage VGH München der EuGH befand - dessginge scho - nur fehle es dazu (so ein Mist!) derzeit zwar an der erforderlichen Grundlage & dann - dess 🚪del hob i mir glei denkt 🙀🥳 - müsse dess im Einzellfall & selbst beim weinenden Markus e Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.



    & damit verehrte gnädige Frau Jenni Zylka -



    Kommt ein gewisser Dr. Kurt Tucholsky - Tucho - ins Spiel wg Straftäter - Sie vestehn, I hope?!



    “Hört auf - Rumzupsychologisieren“ •



    “Rumms - da fiel die Lampe um!



    Und alles voll Petroleum!“

    unterm——



    EuGH zum Luftreinhalteplan in München



    Zwangs­haft für Söder & Co. nur mit Rechts­grund­lage



    www.lto.de/recht/n...-luftreinhalteplan



    & Tucho



    Jedes Verbrechen hat zwei Grundlagen: die biologische Veranlagung eines Menschen und das soziale Milieu, in dem er lebt. Wo die moralische Schuld anfängt, kannst du fast niemals beurteilen – niemand von uns kann das, es sei denn ein geübter Psychoanalytiker…😤

    • @Lowandorder:

      Bei psychischen Erkrankungen gibt's doch eh meist " Schuldunfähigkeit " 😉

    • @Lowandorder:

      “…niemand von uns kann das, es sei denn ein geübter Psychoanalytiker oder ein sehr weiser Beicht-Priester. Du bist nur Geschworener: strafe nicht – sondern schütze die Gesellschaft vor Rechtsbrechern.

      Bevor du als Geschworener fungierst, versuche mit allen Mitteln, ein Gefängnis oder ein Zuchthaus zu besichtigen; die Erlaubnis ist nicht leicht zu erlangen, aber man bekommt sie. Gib dir genau Rechenschaft, wie die Strafe aussieht, die du verhängst – versuche, mit ehemaligen Strafgefangenen zu sprechen, und lies: Max Hölz, Karl Plättner und sonstige Gefängnis- und Zuchthauserinnerungen. Dann erst sage deinen Spruch.

      Wenn du Geschworener bist, laß nicht die Anschauung deiner Klasse und deiner Kreise als die allein mögliche gelten. Es gibt auch andre – vielleicht schlechtere, vielleicht bessere, jedenfalls andre.…

      Hab Erbarmen. Das Leben ist schwer genug.

      · Ignaz Wrobel



      Die Weltbühne, 06.08.1929, Nr. 32, S. 202.

      “Merkblatt für Geschworene

      Nachdruck erbeten



      (Hessen tat‘s/tut‘s? für ehrenamtliche Richter;)



      www.zeno.org/Liter...C3%BCr+Geschworene

  • Söder will sich menschlich geben und heult doch nur (?) bei künstlich erzeugten Hollywoodesken. Es sei sein Recht, aber das darf er wie seine Beißerle auch bei sich behalten.



    Bayern wird wohl ohne Söder besser. Bei dem Klima- (Hitzerolle) und Wirtschaftsversagen (Erdkabel!) gerade hat vielleicht doch die grüne Katharina Schulze eine Chance, das Land zu befreien, wenn es die CSU selbst nicht hinbekommt.

  • Nicht nur da war dem Meister die Evidenz oft nicht hold bei einer geringen Zahl an Ereignissen und einer überschaubaren Anzahl von "Testpersonen":



    "Die Thesen des Über-Psychiaters Sigmund Freud sind bis heute populär, zum Beispiel in Form der «Freudschen Versprecher». Sprachwissenschaftlich gelten sie aber als überholt."



    Weiter bei tagblatt.ch



    "Die moderne Wissenschaft ist eher der Ansicht, Freud habe zu viel in die Versprecher hineininterpretiert. Ein Versprecher, sagen die Linguistinnen und Linguisten, sei zunächst einmal genau das, nämlich ein Versprecher. Der Mensch mache halt Fehler, auch beim Reden, viel mehr sei da nicht dahinter. Im Durchschnitt sage der Mensch etwa jedes tausendste Wort falsch. Das sei meistens auf Müdigkeit, zu hohes Sprechtempo oder Konzentrationsschwäche zurückzuführen."

    • @Martin Rees:

      Ich denke auch, dass die meisten Versprecher nichts bedeuten. Außer Ermüdung, Ablenkung, Reizüberflutung. Ich kenne aber auch von mir selbst Versprecher, die daraus resultieren, dass ich meine Gedanken verwechselt habe. Wenn ich mit der Hand schreibe kombiniere ich oft Buchstaben mit kommenden Buchstaben, wenn ich an ein kommendes Wort mit doppeltem Buchstaben denke erhält das aktuelle Wort auch mal einen doppelten Buchstaben, obwohl das keinen Sinn ergibt.