CSD in Bautzen: Queer Pride statt White Pride

In Ostsachsen haben Rechtsextreme versucht, den Christopher-Street-Day zu stören. Doch die rund 1000 Teilnehmenden ließen sich nicht beirren.

Lassen sich die Straße nicht nehmen: De­mons­tran­t*in­nen bei der CSD-Parade in Bautzen Foto: Matthias Rietschel/reuters

BAUTZEN taz | Mehr als 1000 Menschen haben am Samstag in Bautzen massiven rechtsextremen Protesten getrotzt und sind für eine Christopher-Street-Day-Demonstration auf die Straßen gezogen. Sie hätten für „Selbstbestimmung, Toleranz, Freiheit und Vielfältigkeit“ demonstriert, sagte Jonas Löschau, Mitorganisator des CSD. Der Bautzner Grünen-Stadtrat wandte sich beim Auftakt vor der Maria-Martha Kirche an die anwesenden Bautz­ne­r*in­nen und Queers aus der Region, die den Mut aufbrachten, beim CSD mitzulaufen und sich mit Stolz „so zu zeigen, wie sie sind“. Bei den hunderten solidarischen Demonstrierenden aus anderen Städten und Regionen bedankte sich Löschau – Masse schaffe Sicherheit.

Denn im Vorfeld zu Samstag hatten rechtsextreme Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Bautzen mobilisiert. Aus Sicherheitsgründen wurden deshalb sowohl die Route des CSD als auch der Ort der Abschlusskundgebung lange Zeit nicht öffentlich bekannt gegeben. Eine geplante After-Show-Party wurde von den Ver­an­stal­te­r*in­nen abgesagt. Nach Angaben einer Polizeisprecherin nahmen 680 Rechtsextreme an einer angemeldeten Gegendemonstration gegen den CSD teil.

Häufig in Sicht- und Hörweite liefen die Rechtsextremen hinter der CSD-Parade her. 200 Einsatzkräfte aus der Polizeidirektion Görlitz und Bereitschaftspolizei, teilweise mit Diensthunden, trennten die Teil­neh­me­r*in­nen der beiden Veranstaltungen voneinander. Weitere 40 Rechtsextreme folgten dem Aufruf zu einer Kundgebung der Freien Sachsen am Bautzner Kornmarkt. Zur Zahl der Be­am­t*in­nen der Bundespolizei vor Ort wollten die Behörden zunächst keine Angaben machen.

Die rechte Präsenz hielt die Teil­neh­me­r*in­nen des CSDs nicht davon ab, zur Musik aus den beiden Lautsprecherwägen zu tanzen und bei mehreren Zwischenkundgebungen an zentralen Plätzen der Innenstadt ihre Forderungen nach einem sicheren und selbstbestimmten Leben zu stellen sowie Visionen für eine queere Zukunft in Bautzen zu spinnen. In einem Grußwort des Oberbürgermeisters Karsten Vogt von der CDU gestand auch dieser ein, dass es seit dem letzten CSD eine Zunahme an Intoleranz in Bautzen gebe. Als Beispiel nannte er den jüngsten Angriff auf den Jugendclub Kurti in der Stadt am 13. Juli.

De­mons­tran­t*in­nen kritisieren die Behörden

Ohne vorherige Absprache wurde zum Samstag eine Regenbogenfahne am Rathaus gehisst. Ein starkes Zeichen der Stadtverwaltung, sagte Mitorganisator Löschau. In mehreren Redebeiträgen ging es um die rechte Jugendkultur und die Realitäten derer, die nicht ins rechte Weltbild passten. Ein Resümmee der Redner*innen: „Antifa bleibt Landarbeit.“

Gleichzeitig machten Spre­che­r*in­nen aus Görlitz, vom Queernetz Bautzen oder von der Queer Pride Dresden den Widerstand von Queers und An­ti­fa­schis­t*in­nen in der Region sichtbar. Als Erfolg bewerteten die Dresd­ne­r*in­nen die gemeinsame Anreise von 200 De­mons­tran­t*in­nen aus Dresden, Leipzig und Berlin nach Bautzen. Weil Linke sich frühzeitig am Gleis im Dresdner Hauptbahnhof versammelten, konnte die Zug-Anreise von ebenfalls circa 200 Rechten verzögert werden. Darunter befanden sich viele junge Rechtsextreme der Gruppierung Elblandrevolte.

Weitere gemeinsame Anreisen gab es aus Chemnitz und Görlitz. Das Handeln der Behörden sieht die Queer Pride Dresden kritisch: „Eine gewaltaffine Demo in kurzem Abstand hinter dem CSD entlang laufen zu lassen ist fahrlässig. Angesichts des eher knappen Polizeiaufgebots ist es Glück oder nur dem selbstbewussten queeren Auftreten zu verdanken, dass es keinen Angriff gab“, schreiben sie auf der Plattform Bluesky.

2023 waren zum ersten Mal 350 Demonstrierende für die Menschenrechte von Queers durch die Stadt gezogen. Bautzen ist einer von vielen Orten im ländlichen Raum Ostdeutschlands, in denen in den vergangenen Jahren Demonstrationen zum Christopher Street Day abgehalten wurden: Von Wurzen über Stollberg, Riesa, Radebeul, Zwickau oder Görlitz/Zgorzelec. Insgesamt 21 CSDs und Prides sind 2024 zwischen Mai und September in Sachsen angemeldet. Bereits beim letzten CSD in Bautzen kam es zu diversen Stör- und Einschüchterungsversuchen aus der rechtsextremen Szene – etwa durch die rechte Gruppe „Balaclava Graphics“ und den „Jugendblock Bautzen“.

Im Gespräch mit der taz vor diesem CSD sagte Mitorganisator Löschau, dass sich die rechten Strukturen vor Ort nochmal deutlich radikalisiert und an Selbstbewusstsein in ihrem Auftreten im Stadtbild gewonnen hätten. Er führt das auch auf die Wahlerfolge der AfD und der Freien Sachsen bei den Kommunalwahlen zurück. Rechte fühlten sich in ihren Meinungen und Strukturen bestätigt.

Die Abschlusskundgebung am Bautzner Postplatz beendete Jonas Löschau mit einem lauten „Wir sind hier. Wir sind queer.“ Mit diesem Slogan und Popmusik zog der CSD zum Bahnhof, wo es aufgrund der großen Zahl der Demonstrierenden erneut zu Verzögerungen bei der Abreise kam. Die Polizei trennte dabei wieder die Teil­neh­me­r*in­nen des CSDs und der rechten Gegendemonstration. Um 20 Uhr nahm laut Polizei die letzte Gruppe aus der rechtsextremen Gegendemonstration den Zug aus Bautzen Richtung Dresden.

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