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CDU/CSU nach den LandtagswahlenNichts ist mehr sicher

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Union hat ihr Image als Krisenmanagerin verspielt und keine Ersatzrolle in der Hinterhand. Angela Merkel trägt eine Mitschuld an dem Dilemma.

Geht Angela Merkel als erfolgreiche Krisenmanagerin in der Pandemie? Foto: Sven Simon/imago

W enn Kanzler in der Bundesrepublik gehen, dann oft mit Groll und Kleinmut und einer Spur der Zerstörung. Konrad Adenauer demontiert seinen Nachfolger Ludwig Erhard wo er konnte, ohne eine Alternative aufzubauen. Helmut Kohl wollte 1996 seinen Platz für Wolfgang Schäuble räumen, war dann von seiner eigenen Unersetzlichkeit überzeugt und verlor die Wahl. In der Spendenaffäre trat er wie ein König auf, der Rechte beansprucht, die sonst niemand zustehen. So lange an der Macht zu sein, züchtet destruktive Hybris. Der Mächtige, der sich an seine Macht klammert, die unweigerlich schwindet, ist eine Figur zwischen Tragik und Groteske.

Der Glaube, einzigartig und unersetzlich zu sein, ist bei patriarchalen Figuren weiter verbreitet als bei Frauen. Angela Merkel ist die Erste, die freiwillig geht. Sie schien ihren Abschied und ihre Nachfolge kühl und pragmatisch, uneitel und vernünftig zu regeln. Aber die Sache mit der Macht ist abgründig. Merkel unterstützte ihre Nachfolgerin, Annegret Kramp-Karrenbauer.

Doch AKK scheiterte, und zwar an der Kanzlerin. AKK durfte kein Klon sein, aber Anti-Merkel erst recht nicht. Sie konnte im langen Schatten der Kanzlerin kein eigenes Profil gewinnen. Die Macht führt ein Eigenleben, unabhängig vom Willen der Beteiligten. Die Idee, sie wie einen Stab in einem Staffellauf zu übergeben, hat nicht nur etwas ungut Dynastisches. Sie ist auch naiv. Macht-Ären enden nicht glatt und bruchlos. Es knirscht, brodelt und kracht. Gerade bei der Union. Am Ende einer Ära werden oft eruptiv bislang gebundene Kräfte freigesetzt.

Die Vorstellung, die Kanzlerin würde als erfolgreiche Krisenmanagerin in der Pandemie ihrem Nachfolger das Kanzleramt besenrein übergeben, hat sich in Nichts aufgelöst. Die Union ist in einer mehrfachen Krise. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat die CDU bei den über 60-Jährigen, einer Klientel, auf die sie immer bauen konnte, die Mehrheit verloren. Nichts ist mehr sicher. Die Bundestagswahl ist seit Sonntag wieder offen.

Merkels Machttechniken versagten in der Pandemie

Die bewährten Machttechniken der Kanzlerin haben in der Pandemie versagt – nämlich Macht durch Moderation auszuüben und immer nur auf Sicht zu fahren. Merkel ist in der Ministerpräsidentenkonferenz zuletzt gescheitert. Sie wollte keine Öffnungen, manche LänderchefInnen sahen das anders. Das Ergebnis ist eine konfuse Ansage, dass beides geschieht: Öffnung und Schließung. Macht durch Moderation?

Ein noch gravierender Kratzer im MacherInnen-Image der Kanzlerin ist der Mangel einer langfristigen Strategie und das Versagen der Unionsminister beim Ordern von ausreichend Impfstoff, der Maskenbeschaffung und den Schnelltests. Merkels taktische Stärke ist situatives Agieren, möglichst ohne sich auf fixe Ziele festzulegen, auf die man im Falle des Scheitern ja festgenagelt werden könnte. „Zögern als Machtstrategie“ hat das Ulrich Beck mal genannt. In der Pandemie hat die Kanzlerin mit starrem Blick auf die Inzidenzzahlen das ganze Bild aus dem Blick verloren.

Einen Plan, mit welchem Schritten man aus der Krise kommt, gibt es aus dem Kanzleramt nicht. Zu alledem fehlt Merkel, wie die Bundespräsidentenkür zweimal zeigte, bei Personalfragen das Gespür. Ausgerechnet Jens Spahn und Andreas Scheuer, den unfähigsten CSU-Minister seit Langem, zu den obersten Testbeschaffern zu promovieren, einen Fehlgriff zu nennen, ist eine Untertreibung.

Weichgespültes Merkel-Bild

Merkels Aufstieg begann mit einem präzisen Angriff auf Helmut Kohl und dessen Rolle im Spendenskandal. Es ist mehr als eine ironische Pointe, dass 21 Jahre später eine Affäre, in der es um illegales Geld und die Vermischung von Politik und kommerziellen Interessen geht, ihren störungsfreien Abschied verhagelt. Merkel hatte nie Einwände gegen die Verzahnung von Politik und Wirtschaft, ein Merkmal des bundesdeutschen Korporatismus – im Gegenteil. Sie hat für den Chef der Deutschen Bank im Kanzleramt mal eine Geburtstagsfeier ausrichtet.

Wenn es in Brüssel gegen jede ökologische Vernunft kurzfristige Profitinteressen der deutschen Autoindustrie durchzusetzen galt, war auf die Kanzlerin immer Verlass. All das ist in dem weichgespülten Merkel-Bild, an dem auch Grüne und Linksliberale mitgemalt haben, gnädig wegretuschiert worden. Dass die Union in Sachen Korruption und Wirtschaftsnähe so anfällig ist, geht auch auf ihr Konto.

Die Union ist in 16 Jahren zur Merkel-Partei geworden, weit mehr als die SPD je eine von Helmut Schmidt, Willy Brandt oder Gerhard Schröder war. Was ist die CDU eigentlich ohne Merkel? Laschet hat miserable Startbedingungen, um eilig Antworten zu geben. Die Wahlen gingen verloren. Der Bonus als fähige Corona-Krisenmanagerin ist perdu. Das trifft die Union ins Herz. Denn sie ist zu einer postideologischen Organisation geworden, die Macht verwaltet und pragmatische Problemlösungen anbietet. Andere Sinnressourcen hat sie nicht mehr. Deshalb ist alles, was die CDU jetzt tut, ein Hochseilakt.

In den nächsten Monaten wird die Kanzlerin noch immer da sein, als halb gescheiterte Krisenmanagerin. Der Kanzlerkandidat, Armin Laschet oder Markus Söder, wird neben ihr seine Rolle suchen und manchmal an AKK denken müssen. Die alte Macht ist noch da und geht nur langsam, die neue ist erst halb da. Für diese Situation gibt es keine Blaupause. Wenn die Macht in Gefahr gerät, ist die Mitleidslosigkeit der Union und ihre Neigung zur Panik nie zu unterschätzen. Dieser Strudel kann auch Merkel, die Unangreifbare, noch erfassen.

Im Herbst wird, wenn es mit dem Impfen doch mal klappt, die Krise in den Hintergrund treten – und damit vielleicht auch der Krisenflop der Union. Aber auch bei der Frage, welche Sicherheiten die Post-Corona-Gesellschaft braucht, wirkt die programmatisch leere Union ratlos. Und auch das ist ein Erbe der Merkel-Zeit.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Mitschuld oder Hauptschuld?

    Übrigens: Kurs der VW Aktie am 15.03.2020 (Corona-Down) = 94 Euro, heute 236 Euro.



    Dank an die Steuerzahler, die diese Erholung z.B. über Kurzarbgeitergeld und massivste Merkel-Kaufprämien an diese Betrügerfirma VW finanziert haben. V.a. Dank an Frau Merkel, die das alles zu verantworten hat.



    Da wäre dann u.a. auch noch die Lufthansa zu erwähnen.....9 Milliarden Euro Steuergelder für diesen Konzern mit dem Großfürsten Carsten Spohr an der Spitze. Zum Dank will LH bis zu 29.000 Stellen abbauen.



    Die Begründung, vorgestellt vom besten Wirtschaftminister aller Zeiten ist eine reine Farce!

    Kommentar gekürzt.

    Die Moderation

  • Danke

    Mit Merkel verbindet sich Begriff «Asymmetrischer Demobilisierung». Der beschreibt bestimmtes taktisches Verhalten, mit dem will man erreichen, dass Wähler politischen Gegners Wahlenthaltung üben. Sie sollen nicht «mobilisiert» werden. Anhänger eigener Partei aber zur Wahl gehen. Filibuster von Debatten ist angesagt



    Taktik Asymmetrischer Demobilisierung hat für CDU bei Bundestagswahlen seit 2009 funktioniert. SPD wurde in Groko nur geschwächt.



    Folgeeffekt ist Entpolitisierung der Politik. Durch Totschweigen von Themen, die wichtig wären, Menge politischer Inhalte schmilzt im Bundestag.



    Folgeeffekt Politikverdrossenheit. Was bringt Asymmetrische Demobilisierung? Sie dient nicht der Politik, sondern Politikern. Sie erzeugt mehr Macht durch weniger Politik. Sie dient Machterhalt derer, die regieren.



    Doch sie funktioniert nur für begrenzte Zeit. Dann folgt Rebound-Effekt wie beim Doping. Rebound-Effekte entstehen, wenn man kurzfristige Erfolge erzielt zulasten Dritter, Schaden anrichtet. Der Rückschlag erfolgt, wenn angerichteter Schaden wie jetzt in Corona Pandemie den ergreift, der ihn systemisch angezettelt hat. Das wird nach 16 Jahren Merkel in Deutschland erkennbar. Aus Asymmetrie wird Symmetrie Pose. CDU Zustimmungswerte sacken ab.



    Asymmetrische Demobilisierung ist nicht nur Begriff, der durch politische Analyse entstanden ist. Er ist l zum technischen Begriff geworden, der von denen benutzt wird, die ihn anwenden. Demobilisierung hat Konjunktur, Mobilisierung scheint out



    Auf der Zeitschiene ist Misserfolg Programm. Weshalb nahm Merkel das in Kauf?



    1: Merkel war zu dumm, um Folgen vorauszusehen? 2: Merkel sah Folgen voraus, verhielt sich jedoch zynisch zu fremdem Zweck, z. B. Wahrung eigener Macht? 3. Merkel denkt an Gestaltung. Sie verschweigt sie nur, sie schiebt sie auf, Mehrheit zu halten. Politischer Aufschub ist gefährlich, weil während Aufschubs Vakuum entsteht, in das unerwartet demokratiefremd radikalisierte Kräfte eindringen können, s. AfD im BT

  • „Aber auch bei die Frage, welche Sicherheiten die Post-Corona-Gesellschaft braucht, wirkt die programmatisch leere Union ratlos“



    Dieser Beitrag liest sich so, als ob die CDU in künftigen Wahlergebnis-Listen wohl nur noch unter „Sonstige“ zu finden ist. Ich glaub’s nicht!



    Blick zurück: Zum Ende der Kohl-Ära (1982-1998, 16 Jahre) schien die Union ähnlich „programmatisch leer“. SPD und Grüne nutzten das und versprachen eine glorreiche Zukunft. Doch die Schröder/Fischer-Regierung hatte diese Zukunft bereits 2005 hinter sich (7 Jahre). Von da an und bis heute regierte die Union mit Merkel an der Spitze (16 Jahre). Die nächste Regierung, vermutlich die SPD (zusammen mit wem auch immer), wird auch kein Himmelreich auf Erden schaffen, und wenn die Wähler das merken, ist die Union wieder dran.



    Was ich damit sagen will: In der Politik gibt es keinen End-Zustand, auch wenn es manchmal so scheint. Sondern nur einen ständigen Wechsel!

  • Das Agieren der Medien war IMHO der Hauptgarant für den Erfolg Merkels. Inhaltlich sind die "Erfolge" der Kanzlerin nämlich ziemlich dünn.



    Und dabei haben Spiegel und TAZ eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Ich erinnere an die bedingungslose Lobhudelei noch 2018

    taz.de/Debatte-Med...anzlerin/!5512737/

    Zit.:



    "Merkel wird eines Tages gehen, klar. Doch derzeit muss man dankbar sein, wenn sie die Suppe mit auslöffelt. Sie trägt Verantwortung. Sie kämpft."

    Wir müssen dankbar sein. Amen

    • @Kaboom:

      Exakt.

  • Geburtstagsparty für den Deutsche Bank Chef im Bundeskanzleramt ist schon heftig!!!

    • @Oliver Tiegel:

      Ich hätte gern mal gewusst, wann das gewesen sein soll. Zumindest die BILD-Zeitung hätte doch davon berichtet, oder?

  • Danke für den Kommentar. Es wird spannend. Wir bleiben dran. :-)

  • Die Machttechniken der Kanzlerin haben in der Krise perfekt funktioniert: Was immer die Kanzlerin vorschlägt, wird relativ zeitnah und ohne großen Widerspruch umgesetzt. Und wo sich die Kanzlerin nicht durchsetzt, erkennt man ein paar Wochen später, dass die Ministerpräsidenten einen Pyrrussieg errungen haben: Dass der Merkel-Lockdown im November nicht funktioniert hat, wird den Ministerpräsidenten angekreidet, ebenso die aktuellen Neuinfektionen in Schulen und Kitas (Frau Merkel war gegen die Öffnung).

    Widersacher (oder Nachfolger) sind nicht in Sicht, Experten, die nicht die Regierungslinie vertreten, wurden ins Abseits gemobbt, die Medien sind auf Linie.

    Die Machttechniken der Kanzlerin funktionieren perfekt.

    Was gar nicht funktioniert, ist der zweite Teil der Merkel-Strategie: Das Versprechen von Ergebnissen für die ferne Zukunft. Die Bahn ist auf dem besten Weg - 2030 sind Verspätungen und Schulden Geschichte. Das Klima ist auch gerettet - ab 2050 ist Deutschland CO2-neutral. 2040 wird das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet.

    Beim Virus sehen wir übernächste Woche, ob die Zahlen steigen oder sinken.

    Und sie sinken nicht. Jedenfalls nicht schnell genug.

    Die Kaiserin ist nackt. Das war sie immer schon. Aber jetzt ist es offensichtlich.

    Und wer zurückschaut auf die vergangenen "Erfolge" der Kanzlerin, der sieht, das die Machttechniken der Kanzlerin genau das sind, was das Wort vorgibt: Techniken, um Frau Merkel an der Macht zu halten. Kein Führungsstil, keine Visionen, die umgesetzt werden. Reine Taktik, um so lange wie möglich Kanzlerin zu bleiben.

    • @Peter_:

      Korrekt, es ging ihr immer nur um Machterhalt, aber warum wurde sie wie kein Kanzler zuvor so von der Presse geschont.