piwik no script img

CDU macht auf MieterparteiEin unglaublicher Gesinnungswandel

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die Berliner CDU will auf einmal Mie­te­r:in­nen schützen. Ist das eine späte Erkenntnis oder Verzweiflung, weil sonst niemand mit ihr koalieren will?

Hart erarbeiteter Ruf als Vermieterpartei Foto: dpa

A uf eines konnte man sich immer verlassen: Die Berliner CDU bekämpft Mieterschutz, wo immer es geht. Den Mietendeckel hat sie weggeklagt und sich dafür gefeiert, das Vorkaufsrecht als ideologische Geldverschwendung verhöhnt, jede mietpreisdämpfende Idee als „Regulierungswut“ oder „Preisdiktat“ attackiert.

Auf Bundesebene hat ihr Schatzmeister und Bundestagsabgeordneter Jan-Marco Luczak in der vergangenen Legislatur ein schärferes Vorgehen gegen Mietwucher verhindert und sich – immerhin hier erfolglos – gegen die Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen engagiert. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Schon die lapidare Feststellung „Berlin ist eine Mieterstadt“ gehörte nicht zum Repertoire von Luczak oder Landeschef Kai Wegner – am Samstag zierte sie Luczaks Twitteraccount. Er schrieb von der Fraktionstagung in Düsseldorf und berichtete von einer Diskussion mit Mieterbund-Chef Lukas Siebenkotten über die Frage „Wie wir Menschen vor steigenden Mieten schützen“. Bitte was? Wurde sein Account gehackt?

Tatsächlich hat die CDU Berlin ein 30-seitiges Papier unter dem Titel „Faires Wohnen für alle“ beschlossen, das sich in Teilen so liest, als wäre es direkt bei den Grünen abgeschrieben. Ganz so, wie es deren Mietenexpertin Katrin Schmidberger seit Langem fordert, will die CDU nun ein öffentlich einsehbares Mietenkataster, das alle Wohnungen samt ihrer zulässigen Mieten erfasst. Neuvermietungen zu überzogenen Preisen könnten damit effektiv gestoppt werden. Die Vermieter werden not amused sein.

Die CDU will Indexmieten verbieten

Auch nicht darüber, dass die Partei die Modernisierungsumlage so umstrukturieren möchte, dass nicht mehr automatisch die Kosten der Modernisierung auf die Miete umgelegt werden können. Stattdessen schlägt sie etwas nebulös vor, dass das Ergebnis der Modernisierung ein Qualitätsmerkmal darstellen und nach einem entsprechenden Schlüssel in die Miete einfließen soll. Indexmieten, also Mieten, die an die Inflationsrate gebunden sind, sollen verboten werden.

Zunichte machen will die Partei auch ihren erfolgreichen Kampf gegen die Verschärfung des Mietwucherparagrafen. Anstatt die Praxis weiter als Lappalie zu behandeln, sollen nun die Bußgelder „spürbar erhöht werden“; von Wucher sei bereits auszugehen, wenn Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20 Prozent übersteigt. Beim Thema Energie setzt die CDU auf das – für sie – bisherige Teufelskonzept eines Deckels für Gas, Strom und Heizöl. Treu bleibt sich die Partei hingegen bei ihrer Neubaufixierung: 300.000 Wohnungen sollen es bis 2030 sein, sogar von einem 13. Bezirk für 100.000 Menschen wird geträumt.

Unweigerlich fragt man sich, was in die CDU gefahren ist bei all der weichgespülten Rhetorik? Eine Lesart: Der Konservatismus braucht immer ein, zwei Jahrzehnte länger, um gesellschaftliche Veränderungen – die Wandlung Berlins zur hochpreisigen Vermieterstadt – wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Nun also wäre der Punkt erreicht, an dem sie erkennt, dass das weitere Bereichern weniger Ver­mie­te­r:in­nen auf Kosten fast aller Mie­te­r:in­nen die Stadt bald zerreißen wird.

Denkbar und wahrscheinlicher ist aber, dass das Papier weniger erkenntnis- als viel mehr wahlkampfgetrieben ist: Die CDU, momentan stärkste Umfragepartei, weiß, dass sie auch bei einem Wahlsieg keine Machtperspektive ohne Grüne und/oder SPD hat. Es braucht daher zumindest auf rhetorischer Ebene eine Annäherung, die eine Koalition mit ihnen überhaupt wieder denkbar macht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "von Wucher sei bereits auszugehen, wenn Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20 Prozent übersteigt"

    Wer zwischen den Zeilen lesen kann, ist klar im Vorteil. An einem solchen Satz ist absolut nichts von MIeterfreundlichkeit enthalten, denn der Wucher ist bereits seit vielen Jahren in den maßlos überzogenen Mieten enthalten.

    Ich interpretiere die Aussage eher so, daß es gerade noch in Ordnung ist, wenn die Miete den ortsüblichen Mietwucher lediglich um 19 Prozent übersteigt.

  • Wie kommen sie zu der Behauptung, dass niemand mit der frühlingshaft merzschen CDU koalieren will. Fragen sie doch mal bei der Partei der geistigen Nachfolger der Nazi-Verbrecher - die würden Freudensprünge über so ein Angebot machen.