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CDU in Sachsen-Anhalt„CDU muss konservativ sein dürfen“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Markus Kurze, über Rundfunkgebühren und die Grenzen von Schwarz-Rot-Grün.

Markus Kurze von der CDU Sachsen-Anhalt würde lieber mi der FDP als mit den Grünen koalieren Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

taz: Herr Kurze, fangen wir mal bei den Inhalten an: Kurz zusammengefasst in Ihren Worten: Was ist da in den vergangenen Wochen passiert in Sachsen-Anhalt?

Markus Kurze: In Sachsen-Anhalt hat sich eine spannende Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entfacht, die am Ende in ganz Deutschland diskutiert wird.

Warum war das am Ende für ganz Deutschland so spannend?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist richtig und wichtig, aber er scheint in den letzten Jahrzehnten an vielen Stellen zu groß und zu teuer geworden zu sein. Deshalb hatten wir 2016 im Koalitionsvertrag mit der ersten Kenia-Koalition festgeschrieben, dass wir über 2020 hinaus an der Beitragsstabilität festhalten wollen. In diesem Jahr war die Debatte dran – es konnte keinen verwundern, dass wir diese Meinung, die wir dort festgeschrieben haben, auch vertreten wollen.

Nur unsere Koalitionspartner haben die Beitragsstabilität anders interpretiert, nämlich als Inflationsausgleich. Aber das ist eine fehlgeleitete Debatte. Hier geht es nicht um 86 Cent, sondern um 38 Milliarden Euro im System und dazu sollen noch 1,5 Milliarden durch die Erhöhung kommen.

Machen Sie da nicht mit der AfD gemeinsame Sache, die die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ebenfalls ablehnt?

Der Bundestagspräsident hat das auf den Punkt gebracht: Wenn die AfD sagt, 2 plus 2 ist 4, dann kann kein anderer sagen, es ist fünf. Aber auch derjenige, der zustimmt, kann nicht dafür verurteilt werden. Das war eine unfaire Debatte, die die Parteispitzen der SPD und der Grünen versuchten, uns überzustülpen. Wir haben nicht gemeinsame Sache mit der AfD gemacht. Vor fünfzehn Jahren, als wir unsere Position dazu entwickelt haben, gab es noch keine AfD. Die AfD hat ja eine völlig andere Herangehensweise, wo es grundsätzlich darum geht, den Beitrag abzuschaffen. Das wollen wir nicht.

Landesinnenminister Holger Stahlknecht wurde im Zuge des Streits entlassen, weil er sich für eine CDU-Minderheitsregierung ausgesprochen hatte – zwangsweise gestützt von der AfD. Halten Sie seine Entlassung für unfair?

Einem Parteivorsitzenden wie Herrn Stahlknecht steht es zu, dass er sich an die Seite der Partei und der Fraktion stellt. Man hätte das vielleicht in einer nicht ganz so zugespitzten Form machen müssen – und auch der Zeitpunkt war nicht glücklich gewählt.

Nun hat Stahlknecht ja aber nicht nur an der Seite seiner Partei gestanden, sondern sich tatsächlich auch für eine Minderheitsregierung ausgesprochen, sollten sich die Koalitionspartner nicht einigen können. Wie stehen Sie zu einer CDU-Minderheitsregierung?

Wir haben nach fast fünf Jahren als Koalition ein ordentliches Ergebnis auf den Tisch gelegt – obwohl wir so unterschiedliche Partner sind. Eine stabile Regierung, also eine Regierung mit einer Mehrheit, ist immer besser als irgendeine Minderheitsregierung. Deshalb ist es auch mein Interesse, dass wir weiterhin eine stabile Regierung haben. Wir haben den Konflikt auch gelöst.

Es gehört mit dazu, dass man sich in der Sache hart auseinandersetzt, und danach trinkt man trotzdem einen Kaffee. Aber es gehört eben auch dazu, dass mal jemand mit dem Säbel rasselt, das machen ja SPD und Grüne auch. Uns muss auch zugestanden werden, dass wir nicht zu sehr von denen, die links neben uns stehen, in eine Ecke getrieben werden. Die Union ist eine Volkspartei, die in der Mitte steht. Die hat sicherlich ihre Flügel, keine Frage, aber sie muss auch konservativ sein dürfen.

Von außen scheint es insbesondere nach der Debatte über die Rundfunkgebühren so, als gebe es zwischen diesen gemäßigten bis rechten Flügeln innerhalb der Fraktion eine Spaltung. Sehen Sie da eine Bruchlinie?

Nein. Wir haben keinen Bruch in der Fraktion. Wir haben nun fünf Jahre die erste Kenia-Koalition gemeistert. Das ist auch manchmal schwierig. Ich könnte mir auch lieber vorstellen, wieder mit der FDP eine gemeinsame Regierung zu machen. Aber wir haben auch mit der SPD in einer Zweierkoalition gut regiert. Zu dritt ist es schon etwas schwieriger. Innerhalb der Fraktion gibt es da immer wieder den ein oder anderen, der sich profilieren will. Das heißt aber nicht, dass es hier Risse gibt.

Es sind also vor allem die Grünen, mit denen es schwierig ist, zu regieren?

Je kleiner die Gruppe, desto schwieriger ist es manchmal.

Eine Frage der Größe und nicht der Ideologie?

Mal so, mal so. Zu zweit ist man sich schneller einig. Eine Dreierkoalition mit der SPD und den Grünen kennt ja niemand in ländlichen Regionen. Kleine Fraktionen können dann auch mal ideologischer sein, als es von Nutzen ist.

Dennoch gibt es nach den aktuellen Umfragewerten mit Blick auf die Landtagswahl im Juni 2021 keine Alternative zur Kenia-Koalition.

Vielleicht schafft es die FDP ja, dann könnte es auch eine andere Dreier-Lösung geben. Möglich ist alles.

Auch eine Koalition mit der AfD?

Nein, da haben wir unsere Beschlüsse. An denen hat sich nichts geändert. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen uns abgrenzen, aber keinen ausgrenzen. In dem Moment, wo man jemanden ausgrenzt, macht man ihn zum Märtyrer. Gedankenspiele, die irgendwelche Kollegen dahingehend mal geäußert haben, sind nicht mehrheitsfähig.

Für wie radikal halten Sie die AfD in Sachsen-Anhalt?

Um festzustellen, ob eine Partei ins Radikale abdriftet, haben wir andere Institutionen. Für uns kann ich nur noch mal sagen: Es gibt keine Koalition und keine Zusammenarbeit mit der AfD. Was man nicht vermeiden kann, ist, dass man sich auch mal unterhält. Man muss ja als Mensch normal miteinander umgehen. Man hat ja auch Sympathien. Ich setze mich mit Frau von Angern (Fraktionsvorsitzende der Linken, Anm. d. Red.) auch hin und trinke mit ihr einen Kaffee.

Dennoch gibt es ja auch Dinge, die über einen Kaffee hinausgehen. 2017 stimmten weite Teile der CDU-Fraktion für einen Antrag der AfD zur Bildung einer Linksextre­mismus-Enquete-Kommission. In diesem Jahr enthielt sich die CDU bei dem AfD-Antrag für einen Untersuchungsausschuss zum Thema „Linksex­tre­mismus“ – SPD, Grüne und die Linke stimmten dagegen.

Das ist doch klar, das ist das Minderheitenrecht, das steht in der Verfassung. Das hat nichts damit zu tun, dass wir da etwas unterstützt haben. Die anderen haben es geschickt geschafft, das politisch so darzustellen, aber an sich ist das falsch.

Erklären Sie das doch bitte noch mal für Nicht­parla­men­ta­rie­r:in­nen.

Es gibt die Möglichkeit, dass eine Minderheit im Parlament einen Untersuchungsausschuss beantragen kann. Das ist verfassungsrechtlich garantiert. Da kann man auch nicht dagegen stimmen, denn dann kann die Minderheit zum Gericht laufen und ihr Recht feststellen lassen. Deshalb wollten wir uns nicht als diejenigen hinstellen lassen, denen man undemokratisches Verhalten vorwirft. Die Minderheitenrechte müssen für alle gelten. Die haben für die Linken gegolten, dann müssen sie auch für die Rechten gelten.

Und die gemeinsame Abstimmung mit der AfD 2017?

Angriffe auf die Union sind führend, wenn es um in der Regel linksorientierte Sachbeschädigungen an Wahlkreisbüros geht. Dass es dann auch Kollegen gibt, die sagen, „beleuchten wir den Linksextremismus mal näher“, das kann man hier keinem verdenken. Bevor es die AfD gab, war der Hauptfeind von Linksradikalen die CDU.

CDU und AfD als gemeinsames Bollwerk gegen Linksradikalismus?

Nein, der Punkt ist: Bevor es die AfD gab, haben wir den ganzen Scheiß abgekriegt. Jetzt gibt es die AfD, jetzt hat das bei uns Gott sei Dank nachgelassen. Aber ich möchte nicht in der Haut von dem ein oder anderen Kollegen stecken, bei dem die Scheiben eingeschmissen werden. Man muss in einer Demokratie aushalten, dass es andere Meinungen gibt, ob man die gut findet oder nicht.

Schauen wir noch mal auf die Landtagswahl 2021. Ist die Koalition mit Grünen und SPD eine Regierung mit Zukunft?

Ich denke schon, dass man auch Schnittmengen mit SPD und Grünen findet. Unsere Grünen sind ja nicht so wie die Baden-Württemberger, sondern auch manchmal ein bisschen linker. Aber auch damit muss man umgehen. Dann müssen die eben auch mit dem ein oder anderen bei uns umgehen. Was nicht gut für die Entwicklung eines Landes sein würde, wäre, wenn man sich nun auf eine andere Minderheitenregierung konzentrieren würde. Thüringer Verhältnisse, also Rot-Rot-Grün in der Minderheit, das ist nicht das Nonplusultra für vernünftige, stabile Politik.

Rot-Rot-Grün halten Sie in Sachsen-Anhalt für ausgeschlossen?

Das können wir ja nicht entscheiden. Aber wir werden dafür werben, dass man weiterhin eine stabile Regierung der Mitte versucht zu verankern und nicht zu sehr nach links rückt.

Wie wird die CDU in Sachsen-Anhalt ansonsten aufgestellt sein?

Wir haben 41 Wahlkreise und 19 neue Kandidaten. Die Fraktion wird sich verändern, sie wird auf alle Fälle weiblicher, das ist bei uns ja immer ein nicht so einfaches Thema. Es müssen sich eben auch Frauen finden, die sich das trauen. Aber wir sind froh, dass wir da einige gefunden haben. Und es sind auch nicht nur Ältere.

Jung und weiblich, das klingt nach einem Aufbruch. Ein „progressiver Konservativismus“ für Sachsen-Anhalt?

Ich denke schon, das kann sich sehen lassen. Wir sind ganz zufrieden mit dem Gesamtmix.

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