CDU Sachsen-Anhalt und „Das Erste“: Symbol ohne Substanz

CDU-Parlamentarier aus Sachsen-Anhalt fordern, dass „Das Erste“ abgeschafft wird. Bei genauerer Betrachtung bleibt von dem Vorstoß aber wenig übrig.

Archivbild von zwei Frauen in einem Fernsehstudio, schwarzweiß

Was würden wohl Mady Manstein und Ingrid Ernest sagen? Ansagerinnen der frühen ARD in den 50ern Foto: WDR

BERLIN taz | Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt ist für ihre eher ablehnende Haltung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannt. Nun spricht sie sich für die Abschaffung des Ersten Programms aus. Das hat ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Markus Kurze, am Montag der Mitteldeutschen Zeitung mitgeteilt.

Langfristig solle es „Das Erste“, das überregionale Hauptprogramm der ARD, nicht mehr geben, sondern nur noch das ZDF und die regionalen „dritten“ Programme. „Wir unterstützen den Vorschlag von Staatsminister Robra, langfristig den Sender ‚Das Erste‘ als eigenständigen Kanal abzuschaffen“, teilte Kurze der Zeitung mit.

Was folgt, ist Aufregung. Denn gerade erst am Tag zuvor hatte die britische Regierung in Aussicht gestellt, die BBC abzuwickeln. Sachsen-Anhalt ist ohnehin schon als „das Land mit dem Veto“ gegen die letzte Erhöhung des Rundfunkbeitrags bekannt. Droht also die nächste Blockade aus Mitteldeutschland?

Der Parlamentsgeschäftsführer der Linken im Landtag kritisierte umgehend: „Ohne ‚Das Erste‘ gäbe es keinen Wettbewerb mehr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner twit­terte: „Die CDU Sachsen-An­halt dreht wieder mal rechts frei – ein intakter öffentlich-recht­licher Rundfunk ist ein Grund­pfeiler unserer #Demokratie.“

Staatsminister Robra weiß von nichts

In der zuständigen Staatskanzlei, deren Chef der besagte Rainer Robra (ebenfalls CDU) ist, gibt man sich derweil ganz und gar überfahren von dem Vorstoß der Fraktion. Auf Nachfrage der taz sagt Sprecher Matthias Schuppe, es gebe gar keinen Vorschlag des Staatsministers, „Das Erste“ abzuschaffen – und habe es noch nie gegeben. „Mit Herrn Robra hat niemand gesprochen.“

Die Fraktion beziehe sich auf einen Vorschlag aus dem Jahr 2017. Damals hatte Robra in der Tat vorgeschlagen, Das Erste radikal zu verändern. Als nationaler Sender reiche das ZDF aus, sagte Robra damals, die ARD solle stattdessen „ein Schaufenster der Regionen“ werden. „Es ging aber auch damals schon nicht ums ‚abschaffen‘“, sagt sein Sprecher Schuppe nun, „sondern darum, dass im ARD-Hauptprogramm die regionalen Themen stärker zum Tragen kommen sollten.“ Diesen Grundgedanken hätten die Sender sogar aufgenommen. Daher sei der über vier Jahre alte Vorschlag, auf den sich die Fraktion jetzt bezieht, auch nicht mehr aktuell.

Hinter der Aussage der CDU-Fraktion, wie sie in der Mitteldeutschen zitiert wird, steht also keine Substanz, die man analytisch bewerten und diskutieren könnte, sondern vor allem Symbolpolitik. Parlamentarier Markus Kurze begründet die Haltung seiner Fraktion mit der Ausrichtung der ARD-Sender. „Wir sind der Meinung, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft Minderheitenmeinungen stärker vorkommen als die Meinung der Mehrheit“, wird Kurze zitiert. „Zum Beispiel sollten die Sender nicht nur diejenigen zu Wort kommen lassen, die immer noch mehr und mehr Klimaschutz wollen, sondern auch diejenigen, die das bezahlen müssen.“ Auch eine Abschaffung der „Gender-Sprache“ fordert Kurze.

Hintergrund des Vorstoßes dürfte sein, dass dieses Jahr eine Änderung des Medienstaatsvertrags zwischen den Ländern verhandelt wird. Es geht darin auch um den Auftrag der ARD-Anstalten und mögliches Einsparpotenzial, zum Beispiel bei Spartensendern. Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt hat sich in der Vergangenheit wiederholt rundfunkkritisch positioniert und scheint den Moment nutzen zu wollen, dies erneut zu tun.

Dass die Vorstellungen einer Regierungsfraktion eines einzelnen Bundeslandes zum Fernsehen überhaupt Gewicht haben, liegt an der gesetzlichen Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese ist Ländersache und wird in Staatsverträgen zwischen den Bundesländern festgeschrieben. Diesen Staatsverträgen müssen alle Landesparlamente einzeln zustimmen, sonst treten sie nicht in Kraft.

Es geht um inhaltliche Beschwerden

Im Jahr 2020 hatte die CDU in Sachsen-Anhalt auf diese Weise eine beschlossene Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockiert. Zwar waren ihre damaligen Koalitionspartner, SPD und Grüne, für die Erhöhung, aber die CDU-Fraktion verließ sich auf eine Stimmenmehrheit im Landtag, die sie zusammen mit der AfD hat. Erst das Bundesverfassungsgericht setzte 2021 das Veto Sachsen-Anhalts außer Kraft, wonach der Rundfunkbeitrag wie geplant erhöht wurde.

In absehbarer Zeit wird die Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender und damit die Debatte über den Rundfunkbeitrag erneut losgehen. Inzwischen regiert die CDU in Sachsen-Anhalt mit SPD und FDP. Eine effektive Mehrheit mit der AfD im Landtag hat sie weiterhin.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Ländern allerdings untersagt, den Rundfunkbeitrag alleine mit inhaltlichen Argumenten zu blockieren. Sollte der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt also vor allem daran gelegen sein, mehr Klimaschutz-Geg­ner*in­nen und weniger Gen­der­sprache im Fernsehen zu sehen, dann wird sie darauf ohnehin kaum eine wirksame Kampagne für die Beitragsdebatte 2024 aufbauen können.

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