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CDU-Abgeordneter über NSU„Ich traue es ihnen einfach nicht zu“

Armin Schuster glaubt nicht, dass das NSU-Trio alleine gehandelt hat. Vor allem für die Planung der Taten hält er mindestens einen weiteren Kopf für möglich.

Ob sich Mundlos und Böhnhardt 2011 in Eisenach selbst töteten, hält Armin Richter für zumindest zweifelhaft Foto: dpa
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

Herr Schuster, diese Woche wurde im Bundestag ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuss eingesetzt. Bei Ihrer Rede sagten Sie, das geschehe auch, weil etwa der Kopf der rechtsextremen Terrorgruppe noch unbekannt ist. Wie meinen Sie das?

Armin Schuster: Ich war vom ersten Tag an erstaunt, wie ausgeklügelt perfide diese Taten geplant und umgesetzt wurden. Die Verteilung über verschiedene Bundesländer, die professionelle Tatausführung, jahrelang ohne Spuren zu hinterlassen, das hochgerüstete Absichern der Versteckwohnung. Das passt alles nicht zu einer auf der Straße radikalisierten Terrorgruppe und auch nicht zur Typbeschreibung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Ich traue es ihnen einfach nicht zu. Ich frage mich ständig: Wer hat ihnen das beigebracht? Wer hat tatsächlich über Jahre eine Tatserie geplant, die die Sicherheitsarchitektur Deutschlands so überfordert hat?

Was glauben Sie: Wer war es?

Ich weiß es nicht. Aber die Sicherheitsbehörden haben lange den Fehler gemacht, an ein und derselben Hypothese festzuhalten: Die Täter kamen aus dem kriminellen, migrantischen Milieu. Wir sollten denselben Fehler nicht auch machen. Also provoziere ich mich gerade selbst und nehme die Gegenposition ein: Kann nicht alles ganz anders gewesen sein? Gibt es vielleicht unbekannte, intellektuellere Rechtsextreme, geschult in Kampfgruppen oder bei der Bundeswehr, die die Taten planten? Ich kann es nicht belegen. Aber solange mir niemand das Gegenteil beweist und diese Fragen offen bleiben, rechtfertigt das diesen Untersuchungsausschuss.

In der rechtsextremen Szene kursierten in den Neunziger Jahren Terrorkonzepte eines „führerlosen Widerstands“. Mundlos selbst soll in einem Artikel zum „aktiven Kampf“ aufgerufen haben. Passt das nicht?

Das schon. Und trotzdem behalte ich meine Zweifel. Der NSU-Täter haben bei ihren Morden an vieles gedacht, sogar daran, wegfliegende Patronenhülsen mit einem Beutel aufzufangen. Auf so etwas kommen sie eigentlich erst, wenn sie schon eine professionelle Verbrecherkarriere hinter sich haben.

Sie stellen auch die These auf, dass V-Leute doch mehr über den NSU wussten. Wenn das stimmt, könnte es das Sicherheitssystem mächtig erschüttern.

Auch dafür gibt es noch keinen konkreten Beleg. Aber ich habe große Schwierigkeiten zu glauben, dass die gesamte deutsche V-Mann-Szene fast nichts von diesem Trio mitbekommen haben will. Sollte da noch etwas rauskommen, dann hätten wir allerdings tatsächlich eine weitere Stufe des Kontrollverlusts beim Thema V-Leute.

dpa
Im Interview: Armin Schuster

Ex-Polizist, ist Obmann der Union im neuen NSU-Ausschuss. Er war schon in der ersten Runde dabei, die von 2012 bis 2013 tagte.

Heikel ist auch Ihre letzte These. Sie mutmaßen, dass sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2011 nicht selbst erschossen.

Die Situation, in der die Leichen aufgefunden wurden, passt nicht durchgängig zu einem Selbstmord. Und ich verstehe auch nicht, wie eine Bande, die mit aller Brutalität durchs Land mordet und bis unter die Zähne bewaffnet ist, plötzlich vor einer Landpolizeistreife kapitulieren soll. Das leuchtet mir noch nicht ein.

Also wurden die beiden erschossen? Von wem?

Wir sind noch ratlos. Aber der Komplex wird einer der ersten sein, den wir im Ausschuss untersuchen werden.

Im Münchner NSU-Prozess will demnächst Beate Zschäpe aussagen. Was bedeutet das für Ihren Ausschuss?

Ich bin da ganz vorsichtig. Wer sagt mir, dass das stimmt, was die Frau sagt? Wir werden die Aussage miteinbeziehen. Aber in aller Ruhe und dann, wenn es dran ist.

Mit dem Ausschuss wollen Sie auch untersuchen, ob heute wieder Rechtsterrorismus entstehen kann. Wie das?

Ich will lernen: Wie kann man Menschen, aus dem bürgerlichen Milieu kommend, so schnell radikalisieren, dass daraus eine Mörderbande wird. Und dann müssen wir uns gerade in einer Zeit, da es wieder Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gibt fragen: Geht das heute wieder, eventuell sogar leichter?

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11 Kommentare

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  • Ich will lernen: Wie kann man Menschen, aus dem bürgerlichen Milieu kommend, so schnell radikalisieren, dass daraus eine Mörderbande wird. Und dann müssen wir uns gerade in einer Zeit, da es wieder Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gibt fragen: Geht das heute wieder, eventuell sogar leichter?

     

    Sehr geehrter Herr Schuster, wenn Sie über einen längeren Zeitraum die Webseiten einschl. Facebook von AfD und NPD beobachten und einige Veranstaltungen von denen besuchen, bekommen Sie Ihre Antworten. Dazu muss berücksichtigt werden, dass viele Menschen, die so etwas lesen und hören nicht hinreichen gebildet sind und damit leicht durch subjektive einseitige ausländerfeindliche Informationen beeinflüssbar.

  • Armin Schuster ist nicht der erste, welcher im Bundestag Fragen zum NSU stellte, die die staatliche Theorie der Anklage am Münchener OLG radikal in Frage stellen - Aydan Özoguz ging ihm vor einem Jahr voraus und zweifelte am 5.11.2014 u.a., ob Böhnhardt und Mundlos tatsächlich auf die heute dem NSU zugeordneten Opfer geschossen haben und onb beide tatsächlich Selbstmord begingen: http://www.bundestag.de/ausschuesse_video?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=details&id=4074207&offsetStart=0&parentId=4074061&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&legislativePeriod=18&conference=62&sortKey=zeitaufsteigend&mask=search - Es ist seltsam, daß keines der etablierten Medien, auch nicht die TAZ, damals darüber berichteten. - Das ist nun bei Armin Schuster erfreulicherweise anders.

  • Michèle Kiesewetter und Mundlos waren sich bekannt. Kiesewetter verkehrte in der rechtsradikalen Szene. Diese Seite wurde meines Wissens noch nicht beleuchtet. Welche Kontakte hatte Mundlos in seiner Kolleg-Zeit in Ilmenau, das sehr nahe am Heimatort M.Kiesewetters, Oberweißbach liegt ?

  • "Armin Schuster glaubt nicht, dass das NSU-Trio alleine gehandelt hat. Vor allem für die Planung der Taten hält er mindestens einen weiteren Kopf für möglich."

     

    Einer - wahrscheinlich war das eine Gruppe, vielleicht sogar eine große Gruppe. Der Punkt ist doch, dass diese Leute eines konnten: Unter das Radar der Sicherheitsdienste fliegen. Das ist anderen Neonazis nicht gelungen. Die sind früher oder später aufgeflogen. Diese hier aber nicht - die konnten lange ungestört agieren.

  • Auch wenn Herr Schuster uns (noch) keine vollen Antworten bieten kann, es tut zumindest gut das einmal die richtigen Fragen gestellt werden.

  • @KARLM

    ... und noch eine Frage: Welcher der beiden sterbenden Uwes hatte in Anbetracht des Nahen Todes noch Zeit das (normalerweise schwerentflammbare) Wohnmobil so anzuzünden, dass es fast vollständig ausbrennt, und warum überhaupt, wo man doch bald Tot ist?

    • @tillupp:

      Tja, das kann ich Ihnen auch nicht beantworten. Sieht für mich eher nach einem Schwelbrand aus der länger als ein paar Minuten wirken konnte Temperaturindikatoren, noch dazu sehr gute wären die Bestandteile der sichergestellten Patronenmunition gewesen die überall im Objekt verteilt aufgefunden wurden.Darauf wurde aber goßzügig verzichtet. Gerade bei fast neuer Munition ist das Teibmittel dafür hervorragend geeginegt, gerade wegen dessen recht geringer Wärmestabilität.

       

      Es gibt vereinzelt Stimmen die in dem Brandereignis einen DNA-Cleanup sehen wollen. Das ist zumindest plausibel vom Ansatz, würde aber die Beteiligung Dritter sehr nahelegen.

  • Die Frage wurde doch früher schonmal rüde abgebügelt: Wieso erschießen sich zwei Bewaffnete, bereits Mörder, angesichts zwei Dorfbüttel? Dabei ist die sehr berechtigt...

  • Mann muss isch angesichts des Sektionsbefundes mal entscheiden.

    Entweder verstarb einer der mutmaßlichen Täter durch ein fragmentiertes Projektil 9 x 19 mm im Schädel oder durch ein Flintlaufgeschoss von S & B.

     

    Spuren bzw Fragmente beider Projektile wurden bei der Sektion sichergestellt, doch beide penetrierenden Schädelverletzungen für sich waren geeignet eine sofortige Handlungsunfähigkeit und in der Folge tödlich zu wirken.

     

    Interessanter Weise bei dem lt GBA letzen Überlebenden der beiden...der also nicht nur die Flinte im Tod zweimal durchgeladen hat, sondern sich auch noch mit Projektilen aus zwei unterschiedlichen Waffen erschossen haben soll?

     

    Vom negativen Blutgasbefund hinsicht der Brandgase garnicht zu reden?

  • Das die Verbindungen des Verfassungsschutzes zu V-Männern mörderisch sein können, bewies Mitte der 1970er Jahre der Prozess um den Mord an Ulrich Schmücker. Ob es mittlerweile einen 'tiefen Staat' von Rechts in Deutschland gibt, wahrscheinlich nicht. Klar ist aber, dass staatliche Behörden von den Umtrieben des NSU über ihre V-Männer etwas erfahren haben müssen - und davon heute nichts mehr wissen wollen.