Burkaverbot im europäischen Vergleich: Wahlkampfschlager der Populisten
Viele Länder haben in den vergangenen Jahren das Tragen des Ganzkörperschleiers verboten. Damit folgen sie den Rufen von rechts außen.
Mit ihrer Angstmache haben sie Erfolg: Viele Länder haben in den vergangenen Jahren das Tragen des Ganzkörperschleiers verboten. Das „Burka-Verbot“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie es Rechtspopulisten mit konstantem Druck gelingt, andere Parteien und ganze Regierungen auf ihre Linie zu bringen.
Frankreich und Belgien waren die ersten europäischen Länder, in denen bereits vor über fünf Jahren solche Verbote erlassen wurden – in beiden Fällen mit breiter parlamentarischer Mehrheit. Dem Vlaams-Belang-Chef Filip Dewinter reichte das dennoch nicht: Er lobte 250 Euro Belohnung für jeden aus, der eine Burka-Trägerin bei der Polizei anzeige.
Die Niederlande zogen nach mehreren Anläufen 2015 nach. Dort sind Ganzkörperschleier seither in Schulen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Behörden untersagt. Bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 405 Euro. Auch die Polizei darf zum Zwecke der Identitätsfeststellung verlangen, dass der Schleier abgelegt wird. Wie in Belgien tragen in den Niederlanden höchstens 400 Frauen einen Niqab, das Verbot hat also eher symbolischen Charakter.
Tragen den Schleier freiwillig
Tatsächlich zielen all diese Verbote auf Ganzkörperschleier wie den Niqab, der nur einen Sehschlitz freilässt – und nicht auf die Burka, die das ganze Gesicht verhüllt, eine afghanische Spezialität ist und im Straßenbild Europas nicht anzutreffen ist. Aus Studien der Open Society Foundation zu Niqab-Trägerinnen in Frankreich und Großbritannien geht hervor, dass alle untersuchten Frauen den Ganzkörperschleier aus freien Stücken trugen. Doch erst das Wort Burka erzeugt den nötigen Grusel, weil es an die Frauenunterdrückung der Taliban erinnert.
In Italien gibt es bereits ein Gesetz, das jede Vermummung im öffentlichen Raum untersagt: ein eigenes „Burka-Verbot“, wie von der Lega Nord gefordert, erübrigte sich deswegen bisher. Dänemark dagegen, das einige der striktesten Ausländer- und Asylgesetze des Kontinents besitzt, kennt bislang kein „Burka-Verbot“. Nach einer von der Dänischen Volkspartei angefeuerten Debatte hatte die Regierung 2010 eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die ergab, dass nur 200 Frauen im ganzen Land eine solche Totalverhüllung tragen, ein Drittel davon waren Konvertitinnen. Die Regierung gab daraufhin ihre Verbotspläne auf. Wer einen Schleier trägt, soll aber nicht zu Prüfungen oder bestimmten Jobs zugelassen werden.
Als vorerst letztes europäisches Land hat Lettland im Januar 2016 beschlossen, das Tragen von Ganzkörperschleiern per Gesetz zu verbieten, in Umfragen sprachen sich zwei Drittel der Bevölkerung dafür aus. Im gesamten Baltikum war im Zuge der Flüchtlingskrise eine Burka-Debatte entbrannt. Bevor die ersten Flüchtlinge ankämen, sollte die Frage der Verschleierung geregelt werden, hieß es in Estland, Lettland und Litauen.
100 Franken Strafe zahlen
Als nächstes Land wird vermutlich die Schweiz den Ganzkörperschleier verbieten. Als erster Schweizer Kanton hat das italienischsprachige Tessin nach einem entsprechenden Volksentscheid ein „Burka-Verbot“ erlassen, das am 1. Juli 2016 in Kraft trat. Eine Touristin aus Kuwait musste als erste deshalb 100 Franken Strafe zahlen. Tessin war der Testballon für ein Referendum über ein landesweites Verbot, für das SVP-nahe Kreise derzeit Unterschriften sammeln. 30.000 sollen sie bereits zusammenhaben.
Mit den Burka-Debatten hat die Zahl der verbalen und sogar physischen Angriffe auf verschleierte Frauen zugenommen – auch das geht aus den Studien der Open Society hervor. Viele der betroffenen Frauen ziehen es deshalb vor, zu Hause zu bleiben, soweit es geht.
Die Zahl der Frauen, die sich in Frankreich verschleiern, hat trotz Verbot nicht abgenommen, es sollen rund 2.000 sein. Und der französische Geschäftsmann Rachid Nekkaz hat sich einen Sport daraus gemacht, von einem Bußgeld betroffenen Frauen die Strafe zu begleichen. Er soll bereits in rund 1.000 Fällen eingesprungen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich