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Bundestag konstituiert sichErste parlamentarische Übung

Erste Sitzung des neuen Bundestags, erster Streit: Gegen den Protest von Linken und Grüne setzten Union und SPD sechs Bundestagsvizepräsidenten durch.

Und bitte hübsch einstimmig: Abgeordnete singen die Nationalhymne. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist wie nach den großen Ferien. Gewimmel in den Gängen, Geschnatter, dann der Gong. Ruhe. Schließlich tritt Alterspräsident Heinz Riesenhuber (CDU) vorn ans Pult und hebt an zu reden. Erste Stunde: Konstituierung des 18. Bundestages der Bundesrepublik Deutschland.

In seiner Rede dankt Riesenhuber den FDP-Kollegen für ihre parlamentarische Arbeit, eine freundliche Geste nach Wochen der Häme. Während er über Energiepolitik, Breitbandausbau und Demografie spricht, tuschelt die Kanzlerin in der ersten Reihe mit ihrem Banknachbarn Volker Kauder.

In seinem eckigen Bayerisch ermuntert Riesenhuber schließlich die Abgeordneten zu „fraktionsübergreifendem Biertrinken“. Heiterkeit. Dann auch schon die erste Prüfung: Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner StellvertreterInnen.

Als Norbert Lammert mit sensationellen 94,6 Prozent als Bundestagspräsident wiedergewählt wird, zeigt er sich gerührt. In seiner Antrittsrede setzt er sich für die Wahrung der Oppositionsrechte ein. Kommt die Große Koalition, müsse geklärt werden, ob die Geschäftsordnung des Bundestags und gesetzliche Regelungen zur Gewährleistung der Minderheitenrechte angepasst werden. Gleich darauf beginnt der Streit über die Wahl seiner StellvertreterInnen.

Union und SPD, die Koalitionäre in spe, möchten nämlich das Bundestagspräsidium um zwei ihrer Leute aufstocken. Gegen den Protest von Linken und Grünen natürlich. Damit die Sozialdemokraten mit Ulla Schmidt und Edelgard Bulmahn eine zusätzliche Vize ins Präsidium bekommen, erhalten auch CDU und CSU einen weiteren Sitz. Neben CSU-Urgestein Johannes Singhammer soll Exgeneralsekretär Peter Hintze den prestigeträchtigen Job bekommen. Die Linke schickt erneut Petra Pau ins Rennen, für die Grünen kommt Ex-Parteichefin Claudia Roth.

Linke: Größeres Präsidium nicht gerechtfertigt

In der Aussprache nennt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Michael Grosse-Brömer, die Kritik an der doppelten Stellvertreterzahl „kleinlich“, schon in der letzten Legislatur habe es sechs Stellvertreter gegeben. Damals war allerdings noch die FDP-Fraktion vertreten. Ihm antwortet Petra Sitte, neue Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken. Erst seit der 16. Wahlperiode gebe es sechs Sitze. Bei nur noch vier Fraktionen sei ein größeres Präsidium nicht zu rechtfertigen.

Thomas Oppermann (SPD) antwortet, sechs Stellvertreter bildeten die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ab. „25,7 Prozent sind immer noch erkennbar mehr als 8,4 Prozent“, wandte er sich an den einstigen Wunschkoalitionspartner, die Grünen. Doch: „Die Opposition muss alle parlamentarischen Möglichkeiten haben, um die Regierung effektiv zu kontrollieren.“

Britta Haßelmann, die neue Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, schimpfte erst mal in Richtung Linksfraktion, die zuvor für die Geschäftsordnung gestimmt hatte. Wozu seien bei nur noch vier Fraktionen zwei Stellvertreter mehr nötig? Für die öffentliche Debatte bedeute diese Abstimmung: „Große Koalition – das kostet was.“ Bundestagsvizes erhalten mit 12.400 Euro das Anderthalbfache des Abgeordnetensalärs, hinzu kommen höhere Pensionsansprüche.

Das Bild, das am Ende der Debatte folgt, steht sinnbildlich für die kommenden Jahre. Bei der Abstimmung über die „Zahl der Stellvertreter des Präsidenten“ gehen bei „Ja“ unzählige Hände bei Union und SPD hoch. Bei der Gegenfrage muss man sehr genau hinschauen, um die Opposition als solche zu erkennen. Danach werden alle sechs KandidatInnen gewählt. Das erste von vier Schuljahren beginnt.

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10 Kommentare

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  • W
    Wurstprofessor

    Es ist kein Wunder, daß Heiz Riesenhuber eckig Bayrisch spricht - er ist Hesse und war nie woanders, von Bonn/Berlin abgesehen.

  • A
    Atmender

    Wann kommt die Neuauflage des Reichsermächtigungsgesetzes? Offenbar hätten einige Abgeordnete kein allzugroßes Problem damit.

  • R
    Ruhender

    Thomas Oppermann (SPD) antwortet, sechs Stellvertreter bildeten die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ab. „25,7 Prozent sind immer noch erkennbar mehr als 8,4 Prozent“ >>> Herrn Oppermann und zweifelsohne auch den meisten SPD und Unionsagbeordneten ist offenbar nicht bewußt, daß die Bundestagspräsis neutrale Schiedsrichter sind und nicht etwa Handlanger der Parteien oder irgendwelcher Mehrheiten.

     

    Was haben wir nur für Leute im Parlament? Demokraten sind es jedenfalls nicht.

  • seien wir doch mal ehrlich, seit Monaten war es klar, dass sich die SPD eine sog. Große Koalition wünscht. Die Grünen waren doch nur die Statisten für's Wahlvolk.

  • N
    Neidhammel

    Alle Vizepräsidenten erhalten jeweils 12.400 Euro plus ca. 4000 Euro Kostenpauschalen. Wäre es da nicht gerechter, wenn alle 629 Abgeordnete, die nicht Präsident sind, Vize werden würden? Ein bisschen staatsmännisch/-frauisch gucken, das kann doch jedeR!

  • HK
    heinz kerker

    es wächst zusammen, was zusammen gehört...

  • Schon die erste Abstimmung im Bundestag zeigt, wie schwer es die Opposition künftig haben wird: Ungeachtet der Kritik stockten Union und SPD das Parlamentspräsidium auf. Bei der Wahl der Vize-Präsidenten des Bundestags demonstrierten und übten Schwarze und Rote schon einmal ihre Macht. Es waren noch nicht einmal Koalitionsverhandlungen und Schwarz/Rot waren sich beim Posten zu schieben schon einig! Das kann ja heiter werden die nächsten vier Jahre und ob die SPD dann noch "Volkspartei" sein darf, das ist dahin gestellt! Jetzt heißt es für die Opposition kämpfen!

    • R
      Ruhender
      @Walter Gleichmann:

      Die SPD-Basis wird sich auch bei der nächsten BTW wieder "sozialdemokratisch" einlullen und verkaufen lassen. Die lernen´s nie, die glauben immer noch an die Reinkarnation Schuhmachers, Brandts und Wehners.

  • ein trauriger Tag für Deutschland...

  • Was für ein Stuß! Als ob es außerdem nichts wichtigeres gäbe. So, wie das blöde Europaparlament keine 14 Vize-Präsidenten braucht, sowenig braucht der Bundestag sechs davon. Als ich die Überschrift las, dachte ich erst:"Ach schau, je einen für SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP u. AfD." Gibt's am Ende des Jahres ein Fleißkärtchen und einen Präsentkorb für Vizepräsidenten, oder warum diese schwachsinnige Inflation?