piwik no script img

Bundesregierung in der KritikEmpörung über Klimaschutzgesetz

Verbände und Opposition kritisieren die Abschwächung des Entwurfs. Das Umweltministerium betont hingegen, dass nichts Wichtiges fehlt.

In der Kritik: Bundesumweltministerin Svenja Schulze Foto: Michele Tantussi/reuters

Berlin taz | Ein neuer Entwurf für das Klimaschutzgesetz, den das Bundeskabinett voraussichtlich schon an diesem Mittwoch verabschieden soll, hat für scharfe Kritik von Klimaaktivist*innen und Opposition gesorgt. „Eine Absenkung der ohnehin schon lächerlichen Klimaziele: Das verzeihen wir euch nicht“, kritisierte Fridays for Future, das Bündnis der klimastreikenden Schüler*innen, auf Twitter. Für die Grünen warf Cem Özdemir der Bundesregierung vor, ihr „schwaches Klimaschutzgesetz wider besseres Wissen noch weiter abzuschwächen. Und Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, meint: „Das Klimaschutzgesetz der Groko bricht das Pariser Klimaschutzabkommen.“

Im von Svenja Schulze (SPD) geführten Bundesumweltministerium, das den Entwurf vorgelegt hat, kann man diese Kritik nicht nachvollziehen. „Die Kritik, dass dieser Gesetzentwurf substanzielle Abschwächungen enthält, ist unzutreffend“, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth am Montag. „Er enthält alles, was man benötigt, um guten Klimaschutz in Deutschland zu machen und die Ziele zu erreichen.“

Wie ist diese gegensätzliche Einschätzung zustande gekommen? Die Kritiker stützen sich vor allem auf einen Bericht des Spiegels, in dem der aktuelle Entwurf des Klimaschutzgesetzes mit einer Fassung vom Frühjahr verglichen wird.

Im Vergleich dazu sind tatsächlich einige Veränderungen zu sehen: So enthält die aktuelle Fassung nur noch ein Ziel für 2030, nicht aber für 2040. Und das Ziel, bis 2050 komplette Klimaneutralität zu erreichen – also den Ausstoß von Treibhausgasen fast auf null zu senken und die verbliebenen Emissionen durch zusätzliche Speicherung von CO2 zu kompensieren – findet sich nicht mehr als eigener Punkt, sondern nur als „Bekenntnis“ im Zweck des Gesetzes.

Keine Expert*innen-Vorschläge mehr

Zudem wird die Rolle einer neu geschaffenen Expert*innenkommission verändert; die Wissenschaftler*innen dürfen nur noch die Zahlen und Pläne der Regierung überprüfen, aber keine eigenen Vorschläge machen. Und auch ein Paragraf, der den Bund verpflichtet hätte, sein Kapital künftig klimafreundlich anzulegen, wurde gestrichen. Während aus Sicht von Christoph Bals von der Organisation Germanwatch damit ein „Kernelement“ des Gesetzes fehlt, sind diese Punkte aus Sicht des Umweltministeriums nicht entscheidend. Die Kapitalanlage etwa solle später in einem gesonderten Gesetz geregelt werden.

Im Haus von Svenja Schulze hält man etwas anderes für den Kern des Gesetzes: die auf einzelne Jahre heruntergebrochenen Emissionsmengen für jeden Sektor, die im Gesetz erstmals festgeschrieben werden.

Werden diese konkreten Werte überschritten, muss das zuständige Ministerium innerhalb von drei Monaten Gegenmaßnahmen präsentieren, über die die Regierung dann „schnellstmöglich“ entscheidet. Zudem werden die zulässigen Emissionsmengen für die folgenden Jahre entsprechend abgesenkt, damit die Gesamtmenge im betroffenen Sektor nicht überschritten wird.

Ein Verfehlen der Vorgaben soll – anders als vom Umweltministerium ursprünglich gefordert – zwar keine unmittelbaren finanziellen Folgen für die betroffenen Ressorts mehr haben. Trotzdem sind diese jahresscharfen Sektorziele, gegen die sich die Union lange gewehrt hatte, aus Sicht von Umwelt-Staatsskeretär Flasbarth „der essenzielle und absolut unverzichtbare Teil“ des Gesetzes.

Dass dieser Punkt in den Eckpunkten zum Klimaschutzprogramm, auf die sich die Regierungsparteien in ihrer Nachtsitzung am 20. September geeinigt hatten, enthalten war, ist aus Sicht der Sozialdemokraten ein zentraler Erfolg der Verhandlungen. Völlige Einigkeit scheint darüber aber noch immer nicht zu bestehen. Ob der Entwurf des Klimaschutzgesetzes tatsächlich an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet wird, war nach Angaben aus Regierungskreisen am Montag noch nicht ganz sicher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • „Alles, was man benötigt, um guten Klimaschutz in Deutschland zu machen und die Ziele zu erreichen“, wäre ein wenig guter Wille. Es gibt schließlich kein Gesetz, das irgend jemandem verbietet, vernünftig zu handeln. Leider gibt es aber selbst in Deutschland etwas, was noch sehr viel mächtiger ist als jedes Gesetz: Die Angst nämlich, nicht mehr ganz vorn/oben/reich/mächtig zu sein. Die ist gesetzlich auch nicht abzuschaffen. Die können die Betroffenen nur selber überwinden. Bisher scheinen sie das nicht einmal zu wollen. Und daran wird vermutlich auch kein Gesetz was ändern. Schon gar keins, das sie selbst mit schreiben dürfen.

  • Bumm... wieder einmal ein SPD Politiker umgefallen... halt Invertebrata

  • Die Regierung schaufelt weiter ihr Grab.



    Vom klitzekleinen Klimapäckchen bleibt nichts, die Klimakanzlerin und die Lobbyisten haben mal wieder ganze Arbeit geleistet.



    Die Grünen müssen nur die Füße stillhalten und warten....

  • "Subventionen für klimaschädliche Wirtschaftszweige" werden niht nur beibehalten, sondern es kommen auch noch neue dazu besonders für die Autoindustrie.



    Frühere Käufer von Ölheizungen bekommen Geld, während diejenigen, die sich gleich eine Brennwert-Gasheizung zugelegt hatten, leer ausgehen.

  • Kaum zu glauben, aber es scheint doch gelungen zu sein, aus einem großen Klima bemänteltem Wirtschaftsstandortschutzprogramm, ein noch größeres Schutzprogramm zu machen. Nicht nur, dass die 54 Mrd Subventionen für klimaschädliche Wirtschaftszweige beibehalten werden, so werden die zeitlichen Zielsetzungen aufgelöst, bzw zu einem "Bekenntnis", dass der Klimaschutz niemals den Interessen unserer global konkurrierenden Unternehmen zuwider laufen darf. Wäre es nicht so, könnten die Ziele die den Temperaturanstieg mindern würden sogar verschärft werden.



    Wäre man böswillig, könnte man der Regierung mit ihrem "Klimaschutzgesetz" unterstellen, bewusst die Wut und den Zorn der KlimaschützerInnen weiter zu schüren, damit die Emotionen in Gewalt münden. Was zu einer gesellschaftlichen Ächtung der Bewegung führen könnte, was die "Weiter so!" Politik erleichtern würde.

    Für künftige Koalitionsverhandlungen ist ein Nichts als Basis für Kompromisse (mit "Grün") wirtschaftsfreundlicher als ein Etwas, dass vergrößert werden würde. Ein Koalitionsende ist auf Basis dieses Papiers wahrscheinlicher und wird vermutlich am 6.12. auf dem SPD Parteitag beschlossen. Der Verhandlungserfolg von "grün" wird auf Basis von Nichts größer, als auf Basis von einem Etwas. Und so, leichter von einer BDK zu akzeptieren sein.

    BMWI Altmayer bereitet in einer Kommission die Deckelung der Sozialversicherungbeiträge ab 2024 auf 40% vor, und plant Steuersenkungen ab 2021 für Unternehmen; vermutlich zur Kompensation etwaiger Mehrbelastungen durch einen CO2 Preis.

    Es geht nicht ums Klima, es geht ausschließlich darum, Belastungen von Unternehmen und Bürgern zu vermeiden.

    • @Drabiniok Dieter:

      "Es geht nicht ums Klima, es geht ausschließlich darum, Belastungen von Unternehmen (..........) zu vermeiden."

      Die Bürger dürfen die wirtschaftlichen Folgen der Klimawandel-Auswirkungen alleine tragen. Gesundheitskosten persönlich und systemisch, Strafzahlungen an die EU durch Steuerumlagen während die Unternehmen verschont werden - auch und vor allem im EEG-Umlageverfahren.

  • Gebt der Groko nocht ein paar Tage, dann wird ein ganz verwässertes, schleiniges etwas da rauskommen, was mit Klimaschutz nicht mehr viel zu tun hat.



    VW, BMW & Daimler werden bestimmt bei den Formulierungen helfen!