Bundesländer sparen bei Flüchtlingen: Jugendhilfe zweiter Klasse

Die Länderchefs fordern ein Sondergesetz zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Jugendhilfe-Verbände zeigen sich empört.

Junge steht am Fenster eines Wohnheimzimmers

Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen droht eine Versorgung unter Jugendhilfestandards Foto: dpa

Hamburg taz | Wider erwarten hat sich Bayern am Freitag bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Rostock mit einem Sparvorschlag durchgesetzt. So heißt es nun unter dem Punkt „Flüchtlinge“ in dem verabschiedeten Beschlusspapier, die Regierungschefs der Länder „bitten die Bundesregierung im Dialog mit den Ländern, rechtliche Regelungen für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu erarbeiten“.

Hierbei sollten die „Steuerungsmöglichkeiten verbessert und die Kostendynamik begrenzt werden“, so die 16 Ministerpräsidenten in dem einstimmig gefassten Beschluss. Konkret soll die Leistungsart „Jugendwohnen“ nunmehr explizit bei den Vorschriften zur Jugendsozialarbeit „beschrieben werden“.

Als die rund 50.000 unbegleiteten jungen Flüchtlinge im vergangen Jahr bundesweit verteilt wurden, gab es für sie vielerorts nur Provisorien und keine Unterbringung nach Jugendhilfe-Standard. Was die Länder jetzt wollen, ist eine dauerhafte Sonderregelung für diesen Personenkreis.

Der Begriff, um den es geht, heißt „Jugendwohnen“. Anders als in Heimen, wo ein Fachkraft-Kind-Schlüssel von eins zu vier oder fünf die Regel ist, ist das Jugendwohnen im Rahmen der Jugendsozialarbeit schon mit einem Schlüssel von eins zu zehn oder gar eins zu 40 zulässig. Das sei eine „Diskriminierung“ von unbegleiteten jungen Flüchtlingen, heißt es in einem von zahlreichen Flüchtlingsräten und Jugendverbänden unterzeichneten Appell vom Mittwoch.

Schlechtere Standards

Der Protest richtete sich gegen den „Beschlussvorschlag“ aus Bayern, der noch etwas weiter ging. Horst Seehofer (CSU) wollte dem „Jugendwohnen“ im Rahmen der Jugendsozialarbeit im Gesetz „Vorrang“ vor anderen Hilfsangeboten einräumen. Dieses Wort wurde anscheinend rausverhandelt. Doch die Hoffnung, dass dieser Antrag ganz verhindert wird, etwa durch den Thüringschen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke), ging nicht auf.

„De Facto bedeutet auch dieser Beschluss, dass für junge alleinreisende Flüchtlinge schlechtere Standards gelten sollen als für inländische Jugendliche“, kritisiert der frühere Hamburger Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer. „Andernfalls bräuchte man keine solche Verabredung speziell für diese Gruppe im Jugendhilfegesetz“, erklärt Hammer.

„Der Beschluss der MPK ist ein schwarzer Tag für ein humanes und weltoffenes Deutschland“, so der Soziologe. Der Auftrag an die Bundesregierung, nur für minderjährigen Flüchtlinge eigene Rechtsvorschriften zu schaffen und dabei die Kosten senken zu wollen, bedeute für Kinder und Jugendliche die Opfer von Gewalt, Krieg und Vertreibung sind, eine „zweite-Klasse-Jugendhilfe“ zu etablieren. Dagegen gelte es zu kämpfen.

CDU-Länder wollten mehr

Die Länder hätten einen „eher schmalen Beschluss“ gefasst, heißt es dagegen aus Mecklenburg. Die unionsregierten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt setzen noch eine Protokoll-Notiz hinzu, die das Kleingedruckte ausführt. So sollten Länder die Möglichkeit bekommen, „Landesrahmenverträge mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Leistungserbringern“ zur Finanzierung von Maßnahmen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge abzuschließen. Dabei sollen die Vereinbarungen der örtlichen Träger diesen Rahmenvereinbarungen entsprechen. Und weiter: Zudem ist gesetzlich sicherzustellen, dass sich die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe „im Regelfall“ auf Minderjährige konzentrieren.

Das Thema bewegt auch die Regierung schon länger. So machte CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt am 6. Oktober im Anschluss an eine Koalitionsrunde mit CDU und SPD einen ähnlichen Vorstoß. Man habe beschlossen, die Länder sollten selber entscheiden können, welche Angebote alleinreisende Flüchtlingskinder erhalten. Nun wächst der Druck auf Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), ein entsprechendes Gesetz noch vor der Bundestagswahl vorzulegen.

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