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Bundeshack und SicherheitsdiskursDanke, russische Hacker!

Maik Söhler
Kommentar von Maik Söhler

Die Regierung lässt sich von der AfD vor sich her treiben, wenn es um „Sicherheit“ geht. Nun muss sie zugeben: Absolute Sicherheit gibt es nicht.

Liebt auch Hack: deutscher Schäferhund Foto: dpa

I st im Fall des „Bundeshack“ irgendwas sicher? Ja: Dass absolute Sicherheit ein Fetisch ist, mehr nicht. Genau das zeigt die mutmaßlich russische Hackergruppe „Snake“, wenn sie, wie es nun heißt, wohl schon seit Monaten das deutsche Regierungsnetz attackiert, das bisher als besonders sicher galt.

Nun zu den Unsicherheiten: „Mutmaßlich russische Hacker“, „wohl schon seit Monaten“, „das Regierungsnetz, das als besonders sicher galt“. Die bisherigen Erkenntnisse beim Bundeshack erschöpfen sich in Mutmaßungen, Spekulationen, Andeutungen und Vermutungen.

Aus der zunächst verdächtigten Hackergruppe „APT28“ wurde nun nach Angaben nicht näher spezifizierter deutsche „Sicherheitskreise“ „Snake“, eine Gruppe, die auch unter dem Namen „Turla“ oder „Uruburos“ bekannt sein soll und die, je nach Quellenlage, dem russischen Geheimdienst FSB nahesteht oder ein Teil davon ist.

Im Dezember soll bekannt geworden sein, dass es einen Angriff aufs deutsche Regierungsnetz gibt, zu diesem Zeitpunkt lief er aber wohl schon einige Zeit. Ein „ausländischer Partnerdienst“ soll die Bundesregierung informiert haben, die wiederum bis zum Donnerstag dieser Woche wartete, um die Abgeordneten des Bundestages und des Geheimdienstausschusses ins Bild zu setzen.

Reaktion des Kreml

Hinter dem Angriff auf das deutsche IT-Bundesnetz stecken der Regierung in Moskau zufolge keine russischen Hacker. „Wir nehmen mit Bedauern zur Kenntnis, dass alle Hackerangriffe in der Welt mit russischen Hackern in Verbindung gebracht werden“, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Freitag. Dafür gebe es aber „keine greifbaren Beweise“. (Reuters)

Unklar bleibt zudem, ob in all dieser Zeit Daten aus dem Regierungsnetzwerk entwendet wurden und wenn ja, welche es sind. Ein Dokument mit Russland-Bezug aus dem Auswärtigen Amt soll betroffen sein. Klar hingegen ist nach alldem, dass die Behauptung des Innenministeriums, die deutsche Regierungs-IT sei „besonders sicher“ in den Bereich der Mythen gehört.

Der attackierte Informationsverbund entspreche zwar halbwegs dem Stand der üblichen IT-Security. „Aber der ist insgesamt nicht gut“, sagte Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs. „Die IT-Systeme sind derzeit wie eine Wasserleitung, bei der an unendlich vielen Stellen das Wasser rausspritzt. Und es wird viel darüber gestritten, ob man die Lecks mit blauem oder rotem Heftpflaster abdichtet. Wir benötigen aber eine neue Leitung.“

Mit Unsicherheit leben

Eine neue Leitung ist gut, im Sicherheitsdiskurs nicht länger auf der Leitung zu stehen wäre besser. Es ist an der Zeit, den russischen Hackern (sofern sie es überhaupt waren) zu danken. Danke für den Hack. Danke für die Aufregung. Danke auch für all die Nachbesserungen, die nun kommen werden. Vor allem aber: Danke dafür, dass ihr gezeigt habt, dass ein Staat, der im seit Jahren anhaltenden Überbietungswettbewerb um „Sicherheit“ stets glaubte, politisch etwas gewinnen zu können, in seinen heiligsten Hallen, den Ministerien und Bundesämtern, angreifbar ist und nicht mal dort Sicherheit garantieren kann.

Die Unionsparteien und die SPD lassen sich seit Monaten von der AfD vor sich her treiben, wenn es um „Sicherheit“ geht. Egal ob bei der Terrorabwehr, beim Grenzschutz, bei der neuerlichen Aufrüstung von Polizei und Militär inklusive dem „Cyber-Kommando“ der Bundeswehr – kaum erwacht ein AfD-Hinterbänkler mal wieder voller Furcht vor der gefährlichen Welt, die ihm im Traum erschien, und krakeelt sein gefühltes Sicherheitsbedürfnis frühmorgens zum Fenster heraus, schon ist die Bundesregierung da, plant Neuerungen, verteilt Ressourcen um, verschärft Gesetze.

Es wird viel darüber gestritten, ob man die Lecks mit blauem oder rotem Heftpflaster abdichtet. Wir benötigen aber eine neue Leitung

Frank Rieger, CCC

Alles andere könnte ja „die Bevölkerung verunsichern“, sagte Innenminister Thomas de Maizière in einer vielzitierten und oft verspotteten Pressekonferenz im Jahr 2015 nach einem Terroralarm in Hannover. Schon damals war klar: Wer so redet, erreicht genau das Gegenteil.

„Bevor ihr den Menschen predigt, wie sie sein sollen, zeigt es ihnen an euch selbst,“ schrieb einst der russische Dichter Fjodor Dostojewski. Russische Hacker (sofern sie es überhaupt waren) haben es in diesem Sinne der Bundesregierung leicht gemacht, von nun an mit gutem Beispiel voranzugehen und das zu sagen, was ohnehin alle wissen: Es gibt keine absolute Sicherheit.

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Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
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18 Kommentare

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  • Man weiß ja noch nicht einmal was überhaupt gestohlen wurde. Und das ganze wird man wohl nie herausfinden, denn es geht ja schon über eine geraume Zeit so. Auch wenn ein Hacker nur ein Wort oder Buchstabe stiehlt dann ist das was ganz anderes als wenn ein Dieb einen z.B. 20 Euroschein stiehlt. Im Gegensatz zum Geldschein, der dann weg ist, ist das gestohlene Wort noch unverändert an seinem Platz und Archiv. Es wurde nur kopiert und dann zum Hacker geschickt. Trotzdem interessiert es mich zu wissen ob die Behörden ein Kontrollsystem haben das den Datenabfluß überwacht. Dieses verwendet man nämlich wenn bei einer strengen Sicherheit Daten nicht nach außen dringen dürfen.

  • ‘Der böse, böse Putin, der böse Russe!’ (?)

     

    Info.-Empfehlung:

     

    User-Kommentar von “reziplikativ“ | der Freitag -

    Das Meinungsmedium - Community:

     

    »Natürlich wäre die Welt ein friedvoller und menschenfreundlicher Ort, eine soziale Oase des globalen Friedens, wenn doch nur diese Russen nicht bei Tag und Nacht am Unheil des Planeten feilen täten. Besonders lustig wird es, wenn die Sache mit den bösen Russen und dem Finsterling Putin von ach so wahrheitsliebenden Journalisten der öffentlich-rechtlichen Medien verbreitet wird. Mit dem Brustton tiefster Wahrheiten und dem moralischen Weltgewissen auf Stirn und Schulter wird dort liebend gern und umfänglich über unwiderlegbare Beweise parliert, die von so grundanständigen und seriösen Organisationen wie dem FBI, der CIA oder der NSA auf den Tisch gelegt werden. Während die an einer objektiven Russland-Berichterstattung interessierte wie versierte Gabriele Krone-Schmalz im von uns Bürgern subventionierten und bezahlten TV kaum noch ein Forum für ihre Ansichten findet. Wer dagegen seine klebrigen Finger Richtung Moskau strecken kann, der darf sich bester Sendeplätze gewiss sein.« http://www.freitag.de/autoren/dorian-baganz/der-russe-wars#comments

  • GroKo - es war der Hacker, nicht der Specht.

  • Also, ich bin ja auch immer sehr skeptisch, wenn die taz (mal wieder) auf den Russen rumhackt - aber ich hatte diesesmal schon den Eindruck, daß das sarkastisch gemeint war. Da würde ich jetzt glatt mal die taz und ihren Herrn Söhler in Schutz nehmen, ausnahmsweise ;-)

    Andererseits: vorgestern Abend hat doch die Tagesschau gesagt, daß es definitiv die Russen waren; also wenn es die Qualitätsjournalisten wissen, dann muss es doch stimmen, ganz bestimmt !!

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    "Absolute Sicherheit gibt es nicht." Darum geht's auch nicht. Sie aber nicht einmal anzustreben kommt dem Totalversagen eines Staates gleich, der regelmäßig behauptet, dass ihm das Wohlergehen und der Schutz der Menschen wichtig ist.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Blödsinn. Freiheit stirbt mit Sicherheit. Absolute Sicherheit auch nur anzustreben, führt letztlich in Unfreiheit. Freiheit ist gefährlich, das macht sie wertvoll. Ich weiß nicht, wie Sie leben wollen, das Gefasel von "Totalversagen" ist komplett paranoid!

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @Pancho:

        Wenn Sie schon fragen. Ich habe nichts gegen Überwachung, wenn Sie der Sicherheit dient. Für Sicherheit gebe ich gern ein wenig Freiheit auf. Erst recht das affig übertriebene Freiheitsstreben vieler Linker.

  • AfD, Russland. Alles drin, was der Michel braucht.

  • Ein bissel mehr journalistische Sorgfalt bitte: in der Überschrift steht behaupten Sie "die Russen" hätten irgendwas gehackt. Das einzige Indiz dafür dass "die Russen" es waren ist, dass "die Amis" behaupten "das können doch nur sie Russen gewesen sein, wir würden sowas ja nicht machen". Also liebe Taz, schreibt nicht "die Russen waren es" sondern bitte "die Amis behaupten es seien die Russen gewesen, weigern sich aber Beweise vorzuzeigen" (wie immer übrigens).

  • Jetzt versteh ich: die Furcht vor der gefährlichen Welt ist Quatsch und Krakeel, alles nur geträumt, weil Sicherheit gibts eh nicht. Klingt das logisch? Ach, egal, erklären Sie mir einfach, wie mein neues Denken beschaffen sein soll, Herr Söhler.

  • Die Aussage "Ein „ausländischer Partnerdienst“ soll die Bundesregierung informiert haben" hört sich für mich so an wie die Schlagzeile "Wohnungseinbrecher entdecken Zimmerbrand und rufen Feuerwehr".

  • Was wäre das für eine Art Journalismus, wenn ich einfach mal frech die Überschrift "Betrunkener Maik Söhler kackt vor spielenden Kindern auf die Wiese!" platzieren würde, nur um es dann darunter zu relativieren? Genau – diese!

  • Kruder Artikel.

     

    Nur ein Beispiel:"Die Unionsparteien und die SPD lassen sich seit Monaten von der AfD vor sich her treiben, wenn es um „Sicherheit“ geht. Egal ob bei der Terrorabwehr, beim Grenzschutz, bei der neuerlichen Aufrüstung von Polizei und Militär inklusive dem „Cyber-Kommando“ der Bundeswehr "

     

    Die Bundeswehr ist in einem desolaten Zustand.

     

    Soll das so bleiben weil der Autor erkannt hat: "Es gibt keine absolute Sicherheit." ?

  • das sich die TAZ öffentlich beim Genossen Putin für feindliche Angriffe bedankt ist befremdlich.

  • Wie kann man eigentlich solch eine Überschrift verfassen, wenn eindeutig klar ist, dass jede digitale Spur künstlich gelegt sein kann, und nur den schwarzen Peter weiterschiebt. Warum also Russland und nicht die USA, GB, F, Israel, China oder klein Fritzchen aus Buxtehude?

    • @Martin_25:

      Weil Russland böse ist und das muss durch ständig Wiederholung in die Köpfe der Menschen. Da muss jede Gelegenheit genutzt werden, egal wie absurd sie tatsächlich auch ist.

  • 3G
    38071 (Profil gelöscht)

    und wieder einer aus der Rubrik: Hau den Iwan!

     

    diesmal gewürzt mit afd

    • @38071 (Profil gelöscht):

      Hau? Wurde demnach zuvor auch der "Ami" bzw. NSA "gehauen"?

       

      "„Bevor ihr den Menschen predigt, wie sie sein sollen, zeigt es ihnen an euch selbst,“ schrieb einst der russische Dichter Fjodor Dostojewski."

      Das ist doch mal ein Ansatz. Wäre doch mal interessant zu wissen, was Deutsche Behörden so machen. Also BND, BKA ... zeigt es uns!