Bündnisse gegen den Klimawandel: Wann wir schreiten Seit’ an Seit’
Fridays for Future und die Gewerkschaften könnten gute Freunde werden. Verdi-Chef Frank Bsirske ruft zur Klima-Demo auf. Und die IG Metall?
Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske ruft alle rund 2 Millionen Mitglieder der Gewerkschaft dazu auf, mit Fridays for Future auf die Straße zu gehen. Es gehe darum, Flagge zu zeigen für eine konsequente Klimapolitik, sagte Bsirske der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Verdi fordere einen baldigen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Mindestens bis 2038, wie die Kohlekommission der Bundesregierung vorschlägt, „wenn es schneller geht, sollten wir es schneller machen“, so Bsirske.
Dieses Vorpreschen Bsirskes ist verwunderlich. 2015 hatte sich Verdi unter dem Vorsitzenden Bsirske noch explizit gegen eine Zusatzabgabe für alte Kohlekraftwerke ausgesprochen. Diese Abgabe hatte der damalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagen, um die Kohlekraftwerke unrentabler zu machen und die Laufzeiten zu verringern. Und in einem Beschluss des Verdi-Gewerkschaftsrats von 2016 zum Thema Klimaschutz und Energiewirtschaft war von Kohleausstieg noch keine Rede.
Reinhard Klopfleisch vom Fachbereich Energiewirtschaft bei Verdi erklärt diesen Umschwung so, dass der aktuelle Standpunkt das Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses sei. Auch interne Kritiker begrüßen die Entwicklung. Verdi-Mitglied Hendrik Huyskens, der 2015 in einer Petition den Standpunkt Bsirskes bei der Zusatzabgabe für alte Kohlekraftwerke kritisiert hatte, sieht die neue Haltung der Gewerkschaft positiv. „Wichtig ist, dass sich Verdi an die Positionierung erinnert, wenn es konkret um das Thema Kohleausstieg geht“, so Huyskens.
Ungewöhnliche Partnerschaft
Auch die IG Metall denkt um. Im Juli dieses Jahres verabschiedete die Gewerkschaft, die unter anderem Auto- und Stahlbeschäftigte vertritt, gemeinsam mit den Umweltverbänden Nabu und BUND ein Papier zur Verkehrswende und zum Klimaschutz. Die Zeit des Zögerns und Zauderns sei vorbei, heißt es da. Der Wandel werde tief in die bisherigen Arbeits-, Freizeit- und Lebensgewohnheiten der Menschen eingreifen. „Wer die sozialen Folgen der ökologischen Transformation aus dem Blick verliert, überlässt das Feld populistischen Scharlatanen“, schrieben die drei ungewöhnlichen Partner.
Gemeinsames Papier von IG Metall, Nabu und BUND
Das, obwohl an der Basis auch die Angst um einen Arbeitsplatzverlust umgeht, wenn etwa Daimler, VW, BMW und Opel auf Elektroautos umstellen. Im Juni demonstrierte die IG Metall dennoch in Berlin für einen „fairen und ökologischen Wandel“.
„Die Leitung der IG Metall hat verstanden, dass es keine Alternative mehr zum Klimaschutz gibt und der Wandel in der Autoindustrie ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist“, sagt Nabu-Verkehrsexperte Daniel Rieger. Sein Umweltverband arbeitet mit den Metallern in der Verkehrskommission des Bundes zusammen, die klären soll, wie Mobilität künftig ökologisch werden kann. Dort habe man entdeckt, wie ähnlich die Positionen von Umweltverbänden und Gewerkschaften mittlerweile sind.
Noch allerdings will sich die IG Metall dem Aufruf von Verdi zur Klimademonstration nicht anschließen. Eine Sprecherin erklärte der taz, im Moment gebe es noch keine Position dazu. Einen schnelleren Kohleausstieg bis 2030 unterstützt die IG Metall ohnehin nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich