Britische Premierministerin: Sie will weiterkämpfen
Liz Truss hat im britischen Unterhaus kämpferisch um Abgeordnete geworben, damit sie nicht hinterrücks gestürzt wird.
Truss verwies bei ihrem ersten Parlamentsauftritt seit ihrer wirtschaftspolitischen Kehrtwende um 180 Grad in den vergangenen Tagen darauf, dass zentrale Elemente ihrer „erfolgreichen Politik“ Bestand hätten: die Hilfszahlungen für Energieverbraucher, die Rücknahme der vor einem Jahr beschlossenen Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge. Dabei definierte sie gleich ihre Partei neu: Die Konservativen stünden für die „Verletzlichsten“ in der Gesellschaft. Sie sagte auch „militanten Gewerkschaften“ den Kampf an.
Erst am Montag hatte der neue Finanzminister, Jeremy Hunt, Kürzungen in allen Budgets angekündigt. Nun wollten das viele Abgeordnete genauer wissen. Die Premierministerin musste ihren Hinterbänkler:innen einiges zusichern: Unterstützung für die Ärmsten, Entwicklungshilfe, Lehrlingshilfen, der Schutz von Krankenhäusern, Selbstbestimmungsrecht für Kommunen beim Wohnungsbau oder der Zulassung von Fracking.
Auch die geltende Rentenformel, wonach die staatliche Grundrente jährlich um entweder die Inflationsrate, den Anstieg der Nettogehälter oder 2,5 Prozent steigt, je nachdem welcher Anstieg der höchste ist, soll bleiben. Das hatte Hunt in Frage gestellt.
Angriffe aus der konservativen Fraktion auf die Premierministerin gab es keine. Im Hintergrund steht aber die Frage, ob die Fraktion Truss nicht doch noch stürzt, eventuell sogar ohne Abstimmung. Das „1922 Committee“, der unter anderem für Misstrauensabstimmungen zuständige Ausschuss aller konservativen Abgeordneten ohne Regierungsamt, soll beschlossen haben, dass es für ihre Absetzung ausreicht, wenn mehr als die Hälfte der Fraktion ein Misstrauensvotum beantragt. Da die Anträge vertraulich eingereicht werden, könnten Regierungsmitglieder Truss heimlich absägen.
Exminister Michael Gove, der von 2010 bis 2022 in allen Regierungen gesessen hat, ließ in Interviews wissen, er glaube, dass das Ende der Premierministerin bevorstehe. Der nächste große Test ist am 31. Oktober, wenn Finanzminister Hunt seinen kompletten Haushaltsplan vorstellt. Wenn er da nicht die Zusagen einhält, die Truss jetzt gab, ist die Premierministerin noch weiter geschwächt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?