Britische Konservative und AfD in der EU: In bester Gesellschaft
Die britischen Tories sind Schwesterpartei der CDU und waren lange in derselben EU-Fraktion. Jetzt arbeiten sie ausgerechnet mit der AfD zusammen.
BERLIN taz | Die Adelung der AfD erfolgte um kurz vor zehn Uhr am Donnerstag. Da entschieden die Funktionäre der European Conservatives and Reformists (ECR) hinter verschlossenen Türen in Brüssel: Künftig gehört ein Neuling im Europaparlaments zu ihrer Fraktion – die Rechtskonservativen aus Deutschland. Ein folgenschweres Votum.
Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland (AfD) und Fraktionsanführer in Brüssel, verfiel in den erwarteten Jubel. Ein „Erfolg“ sei der Beitritt. „Auch gegen all diejenigen, die im Vorfeld extremen Druck auf die Abgeordneten der Fraktion ausgeübt haben.“ Die AfD, so Lucke, erhalte nun „eine starke Stimme“ im Brüsseler Parlament.
Tatsächlich gab es Druck im Vorfeld. Denn Gründer und Tonangeber der ECR-Fraktion sind die britischen Tories – „Schwesterpartei“ der Union und bis 2009 gemeinsam in der EVP-Fraktion. Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich soll sich bei Tory-Chef und Britenpremier David Cameron eine Aufnahme der AfD verbeten haben. Keinesfalls dürften die deutschen Rechtsaußen aufgewertet werden. Vergebens. Es ist eine Klatsche für Merkel.
Die AfD hat bekommen, was sie wollte. Sie sitzt nun in einer Fraktion mit einer Regierungspartei und Vertretern des konservativen Mainstreams. Für Lucke ein wichtiges Siegel: Mehrfach hatte er ausgeschlossen, mit den britischen Rechtsaußen-Politikern der Ukip zusammenzugehen. Die Aufnahme in die ECR bewahrt Lucke nun davor, doch mit den Radikalen anzubandeln – und sich ein Schmuddelimage einzuhandeln.
Merkel reagierte am Donnerstag schmallippig: Sie schwieg. Die Regierung kommentiere keine „Angelegenheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments“, ließ ihr Sprecher wissen. Nach der Europawahl war in der Union eine Debatte hochgekocht, wie mit der AfD umzugehen sei. Die Parteiführung positionierte sich klar: keine Zusammenarbeit.
Schadensbegrenzung bei den Tories
Andere ließen am Donnerstag ihrem Unmut freien Lauf. Von einem „Affront“ sprach Herbert Reul, Vorsitzender der Unions-Gruppe in Brüssel. „Die ECR begibt sich damit in populistisches, antieuropäisches Fahrwasser.“
Die Tories bemühten sich um Schadensbegrenzung. Deren Abgeordnete hatten sich in der ECR gegen die AfD ausgesprochen – und waren unterlegen. Der AfD-Beitritt erfolge „gegen unseren Wunsch“, sagte ein Tory-Sprecher der taz. Man werde aber „mit allen Parteien in und außerhalb der ECR zusammenarbeiten, die unsere Agenda teilen“.
Offensichtlich gelang es Cameron im Vorfeld nicht, die ECR-Gruppe gegen die AfD einzuschwören. Die Brüskierung Merkels ist heikel: Noch laufen die Verhandlungen um den EU-Kommissionspräsidenten. Cameron spricht sich strikt gegen den Konservativen Jean-Claude Juncker aus. Merkel ließ aus Rücksicht darauf ihre Unterstützung lange offen und betonte die Bedeutung der Briten für die EU.
Für die Tories ist der AfD-Deal dagegen auch Machtsicherung. Bei der Europawahl unterlag die Partei klar der Ukip. Mit den sieben AfDlern ist die ECR nun vorläufig drittgrößte Fraktion in Brüssel – und stärkste Opposition. Die Ukip, die auch um die AfD warb, ist düpiert.
Stramme Rechtspopulisten
Die ECR wendet sich gegen weitere Kompetenzen Brüssels, ohne aber die EU an sich infrage zu stellen. Neben den Tories sitzen dort die polnische Kaczynski-Partei PiS oder die tschechischen Konservativen ODS. An Bord sind aber auch stramme Rechtspopulisten: die Wahren Finnen und die Dänische Volkspartei. Beide Parteien fielen in der Vergangenheit durch Ausfälle gegen Migranten und Muslime auf. Für die AfD also auch kaum zierende Gesellschaft.
In deren Parteibasis droht Murren aber aus anderem Grund: Einige AfD-Verbände hatten offen gefordert, mit der Ukip zusammenzugehen. Ihre Stimme war der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell und neuer AfD-Chef in NRW. Pretzell stimmte am Donnerstag indes in den Freudentrubel ein. Die ECR-Aufnahme sei ein „wichtiger strategischer Schritt“ und „ein Schlag ins Gesicht von Frau Merkel“. Die Frage nach der Ukip „stellt sich jetzt nicht mehr“.
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