Briefe, E-Mails und Anrufe: Besser vor Hetze geschützt
Das Bundeskabinett bringt am Mittwoch Strafen gegen „verhetzende Beleidigung“ auf den Weg. Mehr Gruppen sind einbezogen als ursprünglich geplant.
Es geht um hetzerische Briefe, E-Mails und Anrufe, die zum Beispiel an den Zentralrat der Juden oder an einzelne Muslime gerichtet sind. Solche Zusendungen oder Anrufe sind nicht als Volksverhetzung strafbar, weil die öffentliche Wirkung fehlt (anders als bei der Verteilung eines Flugblattes oder der Rede auf einer Demo). Auch als Beleidigung können solche Zusendungen und Anrufe nicht bestraft werden, wenn der Empfänger nicht persönlich angesprochen wird oder die angegriffene Gruppe unüberschaubar groß ist.
Auf Anregung des Antisemitimus-Beauftragten Felix Klein will die Bundesregierung nun diese Strafbarkeitslücke schließen. Der neue Paragraf 192 a soll die „verhetzende Beleidigung“ mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedrohen.
Umstritten war monatelang, welche Gruppen in den Schutz dieser Strafnorm einbezogen werden. Die CDU/CSU wollte nur Hetze gegen Gruppen mit NS-Verfolgungsschicksal bestrafen.
Union sorgte erst für Irritation
Die SPD wies aber darauf hin, dass dann ausgerechnet Muslime, die derzeit mit am häufigsten Opfer von Nazi-Hetze werden, schutzlos blieben. Nachdem die Position der Union viel Unverständnis erntete und sich auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, für einen weiten Anwendungsbereich stark machte, gab die Union nach. Der neue Strafparagraf erfasst nun Angriffe auf Gruppen, die „durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmt“ sind.
Strafbar macht sich nun, wer eine Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung einer dieser Gruppen schriftlich oder mündlich an ein Mitglied einer dieser Gruppen „gelangen lässt“ und dabei die Menschenwürde angreift. Letzteres wäre der Fall, wenn Angehörige dieser Gruppe zum Beispiel mit Tieren oder mit Abfall gleichgesetzt werden.
Die Beschlussfassung des neuen Paragrafen kann schnell gehen. Er soll in das Gesetz gegen Feindeslisten aufgenommen werden. Die Bundesregierung wird deshalb keinen eigenen Gesetzentwurf beschließen, sondern nur eine „Formulierungshilfe“ für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Das Gesetz könnte im Bundestag dann noch im Mai oder Juni beschlossen werden.
Weitere Änderungen am Gesetzentwurf gegen Feindeslisten plant die Bundesregierung nicht. Insbesondere geht sie nicht auf einen Vorschlag des Bundesrats ein. Die Länderkammer wollte, dass die Verbreitung von Namen und Adressen nicht bereits dann strafbar ist, wenn die Verbreitung „geeignet“ ist, eine Gefahr von Straftaten auzulösen; die Verbreitung sollte dazu vom Täter auch „bestimmt“ sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen