Bremer Spediteure mogeln sich raus: Gedenken nach Gutdünken
Bremer Speditionen beteiligen sich nicht an den Kosten für das Mahnmal, das ihre Profite in der NS-Zeit thematisiert. Sie spenden lieber anderweitig.
![Eine Skizze für das Mahnmal von Künstlerin Evin Oettingshausen. In der Mauer an der Bremer Straße "Tiefer" sind Scheiben in einen Schacht eingelassen; im Hintergrund der Skizze zeigt sich die Kühne und Nagel-Zentrale Eine Skizze für das Mahnmal von Künstlerin Evin Oettingshausen. In der Mauer an der Bremer Straße "Tiefer" sind Scheiben in einen Schacht eingelassen; im Hintergrund der Skizze zeigt sich die Kühne und Nagel-Zentrale](https://taz.de/picture/5401520/14/20220201-Mahnmal-Wilhelm-Kaisen-Bruecke-1.jpeg)
D as Mahnmal kommt. Es war ein langer Kampf, doch noch dieses Jahr soll in Bremen ein Kunstwerk realisiert werden, das an die ökonomische Seite der NS-Verbrechen erinnert; an die deutsch-arische Beutegemeinschaft, die ganz gut gelebt hat davon, dass Jüd*innen ihr Eigentum aufgeben mussten.
Das Mahnmal kommt. Aber nicht alle, die sich angesprochen fühlen sollten, sind beim Gedenken dabei. Ab 2015 hat der ehemalige taz-Redakteur Henning Bleyl durch seine Recherchen aufgezeigt, wie das lief, als Jüd*innen in ganz Europa Wertgegenstände abgenommen wurden.
Und wie ein Bremer Speditionsunternehmen der Wehrmacht hinterherzog und überall Profit damit machte, die Möbel der Deportierten nach Deutschland zu verschiffen: Kühne & Nagel war in der NS-Zeit einfach richtig erfolgreich. In historischen Überblicken hat die Firma diese Zeit gern ausgespart: „Diesen Zeitperioden mangelt es an Relevanz für die Firmengeschichte“, hieß es auf Anfragen.
Das Mahnmal kommt. Seit einem Bürgerschaftsbeschluss von 2016 steht das im Prinzip fest. Geplant war dort eigentlich, dass sich drei Instanzen die Kosten teilen, stellvertretend für die verschiedenen Profiteure: 40.000 Euro, der Anteil, für die künstlerische Umsetzung, sollen von der Zivilgesellschaft kommen. Bremer*innen konnten dank der Raubzüge Schnäppchen machen – oder bekamen Möbel und Wertgegenstände zur Aufrechterhaltung der Kriegsmoral sogar geschenkt. Eine Spendensammlung läuft seit Dienstag.
Spende geht ans Focke-Museum, nicht ans Mahnmal
Ein Drittel der Gesamtkosten – geschätzt 476.000 Euro – sollte von der Stadt Bremen kommen. Und mindestens ein Drittel, wenn nicht mehr, so heißt es im Beschluss von 2016, sollten die Speditionen der Stadt tragen. Schon bisher hatte sich Kühne & Nagel mit Händen und Füßen gegen das Mahnmal gewehrt und – am Ende erfolglos – für Standorte fernab der Firmenzentrale gekämpft.
Bei der Lektüre des Weser-Kuriers vor einigen Tagen klang es jetzt so, als gäbe es ein Einlenken, als würde sich die Logistikbranche wirklich beteiligen. Und, tatsächlich: Der Verein Bremer Spediteure zahlt seinen Anteil, 159.000 Euro. Aber, und das ist der Clou, nicht für das Mahnmal: Die Spende geht ans Focke-Museum für eine neue Dauerausstellung zur Stadtgeschichte.
Das Geld hätte das Museum so oder so bekommen, normalerweise von der Stadt. Jetzt wird der Anteil, den das Bremer Kulturressort einspart, intern zum Mahnmal umgeschichtet. Im Kulturressort will man das nicht so kritisch sehen. Immerhin: „Ohne das Mahnmal hätte es die Beteiligung der Speditionen an der Ausstellung nicht gegeben“, sagt Pressesprecher Werner Wick. Und dort, so meint er weiter, werde „dieses Thema“, die Arisierung also, „sicherlich noch mal eine viel breitere Öffentlichkeit erreichen“.
Gut möglich. So ganz sicher ist das aber nicht: Die Sprecherin des Focke-Museums hat erst aus dem Weser-Kurier erfahren, dass die neue Dauerausstellung begünstigt werde. Die soll einen neuen Schwerpunkt auf die Zeit ab 1950 legen. Klar, eine Erweiterung der NS-Ausstellung wird es wohl auch geben. Aber wie die inhaltlich aussieht, das steht noch lange nicht fest.
Purer Geiz ist es nicht, der die Speditionsunternehmen an einer Beteiligung gehindert hat. Es ist eigentlich schlimmer: ein Taschenspielertrick, der nur einem Zweck dient – Klaus-Michael Kühne und mit ihm die Bremer Logistikbranche gestehen nichts ein. Verantwortung? Ach nein. Nein, wirklich lieber nicht.
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