Bremen wählt: Große Show ums Thema Bildung
Im Bürgerschaftswahlkampf ist die Bildungspolitik ein Top-Thema. Es geht aber weniger um sachliche Alternativen als um populistische Stimmungsmache.
BREMEN taz | Mehr als die Hälfte der BremerInnen gibt in Umfragen an, unzufrieden mit der Schulpolitik zu sein. Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) hat außerordentlich schlechte Umfragewerte, nur ein Viertel der Befragten sind zufrieden mit ihrer Arbeit.
Ihre Bildungspolitik scheint sich weitgehend in der Forderung nach Steigerung der Ausgaben zu erschöpfen. Anders als bei ihrer Vorgängerin Renate Jürgens-Pieper zeigte sich der Senat bei Bogedan spendabel: Für das Jahr 2018 hat die Bildungsbehörde 104 Millionen Euro mehr als im Vorjahr erhalten, für 2019 wiederum 129 Millionen Euro mehr.
Jetzt hat die rot-grüne Koalition beschlossen, dass die Gehälter der Grundschullehrer bis 2021 auf das Niveau der Gymnasiallehrer – A 13 – angehoben werden sollen. Für rund 1.400 betroffene LehrerInnen in Bremen und Bremerhaven macht das jeweils 420 bis 520 Euro mehr pro Monat aus.
Das ist zwar erfreulich, aber kein Befreiungsschlag: In Konkurrenz zu den anderen Bundesländern sind die freien Lehrerstellen in Zukunft anders schlichtweg nicht zu besetzen. Diese Entscheidung der Bürgerschaft war einhellig – und auch ihre Kehrseite: die Botschaft, dass die Arbeit der ErzieherInnen in den Kitas sich dabei keiner vergleichbaren Wertschätzung erfreut. Das müsste sie aber.
Kita-Plätze für mehr Bildungsgerechtigkeit
Denn das gehört zum Problem: Die Bildungsbehörde geht davon aus, dass die Kinderzahl an Grundschulen bis 2025 um knapp 19 Prozent zunimmt. Ein Großteil davon kommt aus Familien, die ihre Kinder schlecht auf die Anforderungen der Grundschule vorbereiten können. Die Gebührenfreiheit der Kitas soll da etwas helfen. Eine Ausdehnung der Schul- auf eine „Kita-Pflicht“ zumindest unter dem Gesichtspunkt der Deutsch-Kenntnisse müsste vom Bundestag ermöglicht werden.
Weil das Verhältnis von Kita und Schule ein Kernproblem der Schulmisere ist, ist die Zuständigkeit für die Kitas vor vier Jahren an die Bildungsbehörde übertragen worden. Verändert hat sich in den Einrichtungen allerdings nichts: Von einem neuen Wind ist in den Kitas und Grundschulen nichts zu spüren.
Bloß: Wer könnte es nach der Wahl besser machen? Die Linke hat in Sachen Bildung große Pläne: „In Bildung investieren – die Welt verändern. Wir machen das“ plakatiert sie. Wer das allerdings als Hinweis darauf interpretiert, dass die linke Spitzenkandidatin Kristina Vogt den Anspruch auf das Bildungsressort erheben könnte, irrt: Bogedan wird bleiben, auch in einer rot-rot-grünen Koalition.
Auch der CDU-Herausforderer Carsten Meyer-Heder will vor dem Wind des Unmuts über das Bildungsressort segeln: „Es ist für mich selbstverständlich, dass wir endlich die Verantwortung für dieses wichtige Ressort übernehmen müssen, nachdem die SPD es seit 73 Jahren erfolglos geführt hat“, erklärte er.
CDU will Noten ab der dritten Klasse
Das klingt forsch. Bloß wer wäre der strahlende Held, der eine seit 73 Jahren nach SPD-Parteibuch regierte Behörde umbauen würde? Thomas vom Bruch, zuletzt Staatsrat von Innensenator Thomas Röwekamp? Wohl eher nicht. Wenn man in die konkreten schulpolitischen Eckpunkte der CDU guckt, wird deutlich, dass sie für ihr Klientel ganz andere Interessen verfolgt: neunjährige Schulzeit an Gymnasien als Standard, Noten ab der dritten Klasse.
Der große Bildungsstreit ist Wahlkampf-Kulisse, sagt der grüne Bildungspolitiker Matthias Güldner. In der Fach-Deputation jedenfalls, die er leitet, fänden die meisten Entscheidungen einhellig statt. Das Problem bestehe darin, „dass alle Leute meinen, mitreden zu können, aber kaum jemand zur Kenntnis nimmt, wie viele sehr gute Schulen und wie viele sanierte Gebäude es in Bremen tatsächlich gibt“.
Und was ist mit den Pisa-Ergebnissen? Hier wissen nur wenige, dass die Grundschulen gut dastehen im Vergleich. Und nur wenige wissen, dass es unseriös ist, Städte mit Flächenländern zu vergleichen und dass Städte wie Hamburg oder Berlin fast 2.000 Euro pro Schüler mehr ausgeben und dennoch nicht wesentlich bessere Pisa-Ergebnisse als Bremen haben.
Der Zentralelternbeirat (ZEB), der in der Stadtgemeinde Bremen mehr als 50.000 SchülerInnen vertritt, hat jüngst seine Prüfsteine zur Wahl formuliert.Er fordert mehr Personal, insbesondere für die Inklusion – und Schulung in „Classroom-Management“. Das ist das neueste Modewort für: guten Unterricht.
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