Breite Kritik am Hamburger Mietenspiegel: Ein verzerrtes Bild
Bald soll der neue Hamburger Mietenspiegel erscheinen. Die CDU moniert jedoch die aktuelle Erhebung. Die Linke hält vom Instrument ohnehin nicht viel.
„Die Ergebnisse der Umfrage zum Mietenspiegel sind zweifelhaft“, sagt deshalb Frieling. Es habe lediglich rund 5.000 Rückmeldungen bis zum Stichtag gegeben, das Ergebnis könne also nicht repräsentativ sein.
Der Hamburger Mietenspiegel wird alle zwei Jahre von der zuständigen Stadtentwicklungsbehörde erstellt. Er soll damit eine Übersicht über die ortsüblichen Vergleichsmieten für rund 563.000 Wohnungen in Hamburg liefern, die frei finanziert sind – ausgeschlossen sind öffentlich geförderte Wohnungen.
Die Ergebnisse werden jeweils nach Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage der Wohnungen aufbereitet. Somit können Mieter:innen und Vermieter:innen herausfinden, was für die eigene Wohnung an Miete verlangt werden kann.
Die Erstellung eines Mietenspiegels ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für Kommunen ab 50.000 Einwohner:innen verpflichtend. Mit ihm lasse sich aus Sicht des Gesetzgebers Rechtssicherheit bei der Höhe von Mieten schaffen. Es brauche damit bei Streitereien über die Höhe der Miete nicht mehr aufwendige Gutachten oder das Heranziehen von Mietpreisen vergleichbarer Wohnungen.
Ob das vom kommenden Mietenspiegel eingehalten werden kann, hält die CDU für fraglich. Einen Fragebogen hatte die Behörde Ende Mai an rund 10.300 Mieter:innen sowie etwa 1.800 Vermieter:innen geschickt. Bis zum 16. Juni waren sie aufgefordert, ihn ausgefüllt zurückzuschicken. Aus der Senatsantwort geht jedoch hervor, dass nur 53 Prozent der Mieter:innen geantwortet haben. Auch bei den Vermieter:innen liegen bislang nur Daten von rund 60 Prozent der Kontaktierten vor.
Der Senat begründet das damit, dass „Briefe aufgrund von Umzügen nicht zugestellt werden konnten“. Auch konnten die Rückmeldungen 137 größerer Vermieter:innen mit mehr als 4.000 Wohnungen aufgrund des aufwendigeren Erhebungsverfahrens noch in weiten Teilen nicht ausgewertet werden. In den letzten Mietenspiegel 2021 waren Angaben von rund 13.000 Wohnungen einbezogen.
Erstmals ist die Beantwortung der Fragebögen verpflichtend. Die Behörde hatte auch deshalb bereits Angeschriebene an ihre Auskunftspflicht erinnert. Frieling hält das für nicht ausreichend. „Der Senat muss daraus seine Lehren ziehen und für den nächsten Mietenspiegel bessere Vorbereitungen treffen.“
Lange schon ist der Mietenspiegel umstritten, weil sich mit den offiziellen Vergleichswerten Mieterhöhungen sowohl begründen als auch zurückweisen lassen. Als der letzte Mietenspiegel 2021 veröffentlicht wurde und einen Anstieg um 7,3 Prozent binnen zwei Jahren feststellte, folgte prompt eine „wahre Mieterhöhungsflut“, wie der Verein „Mieter helfen Mietern“ seinerzeit anmerkte.
Die Linkspartei beklagt deshalb mehrere Aspekte an der Erhebung: So fließen nur Mietpreise ein, die innerhalb der vergangenen sechs Jahre verändert – in der Regel also erhöht – worden sind. Würden auch unveränderte Mieten mit einberechnet, dürfte die ortsüblichen Vergleichsmiete geringer ausfallen – Mieter:innen bräuchten keine oder nur geringe Mieterhöhungen fürchten.
Erhebung ohne öffentlich geförderte Wohnungen
Hinzu kommt: Auch öffentlich geförderte Wohnungen werden nicht miteinbezogen. „Wenn ein Mietenspiegel den Mietwohnungsmarkt widerspiegeln soll, ist es unverständlich, nicht auch diese Wohnungen einzubeziehen“, sagt Michael Joho von der Linken.
Bemerkenswert: Jüngst zeigte sich auch Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) wenig begeistert vom Mietenspiegel. Der sage wenig über die durchschnittlichen Miethöhen in Hamburg aus, da hier nur zwei Prozent der Wohnungsmieten einflössen, sagte sie der Zeit. Sie arbeite lieber mit der ebenfalls regelmäßig verfassten Studie der Wohnungswirtschaft. Diese kam jüngst zum erstaunlichen Ergebnis, dass die Miethöhen in Hamburg gar kein Problem seien: Nur moderat um rund zwei Prozent in zwei Jahren hätten sich die Mieten erhöht.
Nicht zu stören scheint Pein, dass es massive Kritik an der Studie gibt: Die Wohnungswirtschaft behauptet, ihre Studie sei repräsentativ, wo doch aber überproportional viele günstige Genossenschafts- und städtische Saga-Wohnungen einflossen, beklagte etwa der Mieterverein zu Hamburg. So werde der Eindruck erweckt, die Lage am Wohnungsmarkt sei vollkommen zufriedenstellend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut