Brandschutz in der Rigaer Straße 94: Bezirk prüft selbst
Überraschend hat am Dienstagmorgen eine Brandschutzbegehung in der Rigaer 94 stattgefunden. Eigentümer und Senat sind düpiert.
Der Bezirk teilte anschließend mit, dass im Ergebnis der Begehung ein „Mängelprotokoll“ erstellt worden sei, das einer weiteren Klärung bedürfe. Zudem sei „beabsichtigt, dass die Bauaufsicht demnächst eine Kontrollbegehung durchführt“. In einem Statement der Bewohner*innen hieß es: „Wie von uns vermutet und nun auch bestätigt, ist unser Haus nicht in einem Zustand, der eine Evakuierung aufgrund von Brandschutz notwendig macht. Die Beamtin hat auch keine Mängel festgestellt, die wir nicht selbst beheben können.“
Nach bisherigen Planungen sollte eine Begehung des Hauses durch die Eigentümerseite, unterstützt durch ein großes Polizeiaufgebot, am Donnerstag und Freitag stattfinden. Die Bewohner*innen befürchteten, dass diese nur ein Vorwand für eine mögliche Räumung oder deren Vorbereitung sei. Entsprechende Absichten hatte der Hausverwalter in einer eigenen Mängelliste aufgeschrieben, über die die taz berichtet hatte. Darauf bezugnehmend heißt es in der Mitteilung des Bezirks: „Eine Nutzungsuntersagung wurde im Rahmen der Begehung nicht ausgesprochen.“
Senat will es selber machen
Der ab 10 Uhr tagende Senat zeigte sich durch die Begehung überrascht: „Ich wusste es nicht, und mein Eindruck war, dass auch andere Senatsmitglieder keine Kenntnis hatten“, sagte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung.
Wie Martin Pallgen, Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf taz-Anfrage sagte, stimmte die rot-rot-grüne Landesregierung mehrheitlich einem Antrag von Geisel zu, der Bezirk möge per Duldungsanordnung die Bewohner*innen verpflichten, eine Begehung durch den Eigentümer und einem von ihm beauftragten Brandschutzgutachter zuzulassen. Verweigere sich der Bezirk, werde „der Senat die Anordnung an die Bewohner*innen im Wege einer Ersatzvornahme übernehmen“, es also selber machen. Pallgen sagte: „Der Senat steht auf dem Standpunkt, dass ein Vertreter der Eigentümer das Recht hat, sich selbst ein Bild zu machen.“
Breitenbach und ihr Parteifreund Sebastian Scheel, der Stadtentwicklungssenator, hatten sich bei der Abstimmung enthalten, alle anderen stimmten dafür, darunter auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der in der Sitzung vor einer Woche noch gegen einen Beschluss des Geisel-Antrags gestellt hatte. Die Begehung soll sich dem Beschluss zufolge nicht auf alle Wohnungen erstrecken.
Die Eigentümerseite, vertreten durch Anwalt Markus Bernau, wurde ebenfalls überrascht und erfuhr erst im Gerichtssaal von der Begehung durch den Bezirk. Gegen eine „kleine Begehung“ des Bezirksamtes – Florian Schmidt hatte nur die Begehung einer Wohnung in Aussicht gestellt – hatte Bernau am Freitag vor dem Verwaltungsgericht einen Eilantrag eingereicht. Am Nachmittag – Stunden nach der Begehung – kam das Urteil. Demnach müsse der Bezirk eine Duldungsanordnung an die Bewohner*innen erlassen, das Betreten der Wohnungen sei „zu ermöglichen“.
Darüber hinaus hieß es von Seiten des Verwaltungsgerichts: „Eine solche Anordnung müsse die Behörde allerdings erst noch erlassen. Wegen der mit der Vollstreckung dieser Anordnung verbundenen zeitlichen Verzögerung sei der für den kommenden Donnerstag und Freitag geplante Einsatz nicht zu realisieren und müsse kurzfristig verschoben werden.“ Keinen Erfolg hatte die Eigentümerseite mit ihrem Antrag, dem Bezirk zu verbieten, „das Gebäude zum Zweck einer eigenen Brandschutzbegehung zu betreten“.
Weitere Überprüfung nötig?
Ob eine Duldungsanordnung, die der zwangsweisen Durchsetzung zur Betretung zum Zwecke des Brandschutzes dient, nach der heutigen Begehung überhaupt noch erforderlich ist, scheint fraglich. Auch der Senat scheint unschlüssig: Die Parallelität von Begehung und Diskussion haben dazu geführt, „dass wir uns noch nicht angucken konnten, was daraus folgt“, sagte der stellvertretende Senatssprecher Julian Mieth der taz. Nach seinen Worten gibt es die Erwartung an den Bezirk, genau zu dokumentieren, was er unternommen hat – „eine Twitter-Nachricht reicht dafür nicht aus.“ Der Senat sei nicht dazu da, dem Eigentümer zu einer Begehung der Wohnungen zu verhelfen.
Geisel-Sprecher Pallgen hingegen äußerte scharfe Kritik am Baustadtrat: „Der Bezirk will offensichtlich die Eigentümervertreterin nicht im Haus haben.“ Schmidt müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, „politisch intendiert und motiviert gehandelt zu haben“.
Das Bezirksamt teilte unterdessen mit, nun zu prüfen, ob sich die im Dezember erlassene Anordnung an die Eigentümer den Brandschutz im Haus zu überprüfen und sicherzustellen „erledigt hat“. Auf Anfrage der taz sagte Florian Schmidt: „Wir werden sehr zeitnah das Mängelprotokoll haben und den Senatsverwaltungen für Inneres, Stadtentwicklung und Justiz zur Verfügung stellen.“
Die Bewohner*innen und Anwält*innen der Rigaer94 sehen keinen Grund mehr für eine weitere Überprüfung durch die Eigentümer. „Anlasslose Begehungen finden nicht statt. Die Sache ist erledigt“, so Anwalt Benjamin Hersch vor Gericht. Im Statement der Rigaer 94 hieß es, Innensenator Geisel würde „politischen Selbstmord begehen“ sollte er an einer „Invasion“ festhalten.
In dem Prozess vor dem Landgericht stellten die Anwält*Innen der Rigaer 94 zum wiederholten Male die Prozessfähigkeit der Eigentümerschaft infrage. Aufheben lassen wollten sie damit einen Beschluss des Kammergerichts von Mitte Februar, der der Briefkastenfirma Lafone Investments Limited das Recht zugebilligt hatte, das Haus mit einem Brandschutzgutachter zu begehen. Eine erneute Prüfung der angezweifelten Legitimierung des Eigentümeranwalts lehnte das Landgericht aber ab. Am Nachmittag wies es den Einspruch ab und bestätigte die einstweilige Verfügung des Kammergerichts.
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