Brände in Los Angeles: Das Feuer der Resignation
Unser Mitgefühl gilt allen, die in L. A. gerade durch die Brandkatastrophe Schaden nehmen. Doch auch müssen die Schuldigen jetzt klar benannt werden.
E s sind Bilder vollkommener Zerstörung. Wo einst Häuser standen, liegt jetzt nur noch Schutt, der Menschen unter sich begräbt: Bei einem Erdbeben in Tibet sind am Dienstag mindestens 126 Menschen gestorben, rund 4000 Häuser wurden zerstört. Die Suche nach Überlebenden und Leichen gestaltet sich bei Temperaturen von minus 14 Grad Celsius schwierig. Am gleichen Tag haben Waldbrände nahe Los Angeles die Metropole optisch in einen Horrorfilm verwandelt. Auch hier liegen Straßenzüge in Schutt und Asche, mindestens 2000 Häuser sind zerstört und fünf Menschen haben ihr Leben verloren.
Es sind beides grauenvolle Nachrichten, die apokalyptische Bilder hervorbringen. Doch während das eine Ereignis lediglich als Randnotiz wahrgenommen wird, ist das andere eine Top-Meldung, die nicht nur Soziale Medien und Nachrichtensendungen bestimmt, sondern jetzt schon international auf enorme Spendenbereitschaft trifft.
Debatten darüber, welche Katastrophen wie viel Aufmerksamkeit erfahren, sind immer etwas leidlich. Uns berührt eben mehr, was uns nahe ist – nicht geografisch, sondern emotional. Und Los Angeles gilt noch immer für viele als Sehnsuchtsort. Viele waren schon da, sorgen sich jetzt um Freund_innen oder Bekannte vor Ort. Oder sie verfolgen in Sozialen Medien wie Wahrzeichen von Feuermassen verschluckt werden, wie Bill Kaulitz sich gerade noch rechtzeitig mit seinen Louis-Vuitton-Taschen evakuieren konnte.
Prunkvolle Villen
Man kann es grausam finden, dass bei Instagram nun abgebrannten Restaurants und Supermärkten hinterher getrauert wird, deutsche Politiker_innen von einer „kulturellen Katastrophe“, sprechen, wenn das Thomas-Mann-Haus und die Villa Aurora bedroht sind oder millionenfach Videos geteilt werden, in denen Pferde aus dem Feuer geführt werden – und gleichzeitig die Toten in Tibet nicht einmal ein Achselzucken hervorrufen.
Doch man kann diese Perversion unserer Gesellschaft – dass uns das Leben der Superreichen in Pacific Palisades und in den Hollywood Hills eben näher geht als das der Menschen in Tibet – auch für einen Moment hinnehmen und sich diesen Zustand im Kampf gegen die Klimakrise zu nutze machen.
Die Ursachen für die vielleicht schlimmsten Brände, die L.A. je erlebt hat, sind noch nicht geklärt. Meist sind private Feuer die Auslöser, die für die Jahreszeit typischen trockenen Santa-Ana-Winde haben die Ausbreitung beschleunigt. Doch klar ist dank zahlreicher Studien: Die Klimakrise mit ihrer zunehmenden Hitze und anhaltenden Dürre war in den letzten Jahren der Hauptgrund für die Waldbrände in Kalifornien.
Nur scheint die Bekämpfung dieser in letzter Zeit kaum jemanden zu interessieren: Die Menschen wirken resigniert. Nur wenn es brennt, dann schrecken sie kurz auf: Da war doch was! Und wenn es dann auch noch prunkvolle Villen sind, die brennen, und berühmte Menschen sind, die fliehen müssen, dann hält dieser Schreckensmoment sogar etwas länger an.
Das Momentum nutzen
Diesen Moment gilt es zu nutzen, um über das zu sprechen, was besprochen werden muss. Denn wenn tausende Menschen ihre (wenn auch gut versicherten) Häuser verlieren, Feuerwehrmenschen Tag und Nacht im Einsatz sind und einige ihr Leben verlieren, dann passiert das nicht einfach so. Es ist keine unverhinderbare Katastrophe, der wir machtlos gegenüber stehen. Es gibt Schuldige und die gehören klar benannt.
Zu den Treiber_innen der Klimakrise gehören die Superreichen mit ihren ausufernden Lebensstilen. Aber natürlich auch (fossile) Unternehmen, die ihren Profit auf Kosten der Erde machen. Und die Politik, die dem keinen Einhalt gebietet. Doch so richtig aus der Affäre ziehen, darf sich niemand: Denn die Politiker_innen werden gewählt, die Produkte der Unternehmen konsumiert. Verantwortlich, dass die Klimakrise sich nicht weiter zuspitzt, sind wir alle.
Es ist in Ordnung zu trauern, sich zu sorgen – auch um Pferde, Supermärkte, prunkvolle Villen und reiche Menschen. Doch schön wäre es, wenn das internationale Mitgefühl hier nicht stehen bleibt, sondern auch wenn die Feuer gelöscht sind, die Klimakrise nicht aus dem Auge verliert. Zumindest bis zur nächsten Wahl, damit nicht noch mehr faschistische Klimaleugner_innen an die Macht kommen.
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