Bosnien und Herzegowina: Beitrittskandidatenstatus empfohlen
EU-Kommission empfiehlt Beitrittskandidaten-Status für Bosnien und Herzegowina. Erweiterungskommissar Varhelyi spricht von „historischer Chance“.
Bosnien und Herzegowina hatte sich bereits 2016 offiziell um den Status beworben. Seitdem hat das Land allerdings kaum Fortschritte bei dringend notwendigen Reformen erzielt.
Ganz im Gegenteil befindet es sich aktuell in der schwersten Krise seit dem Ende des Krieges 1995. Insbesondere der serbische Nationalistenführer Milorad Dodik, der bislang den serbischen Sitz im Staatspräsidium innehatte, droht immer wieder damit, die Teilrepublik Republika Srpska vom Gesamtstaat zu lösen. Dieser besteht aus einem serbischen und einem kroatisch-bosniakischen Teilstaat.
Auch kroatische Nationalisten unternehmen immer wieder Schritte, den Gesamtstaat zu diskreditieren. Dieses Gezerre lähmt die Institutionen Bosniens und die Entwicklung des Landes bis auf Weiteres.
Apppelle von Erweiterungskommissar Vahely
Unter anderem diese Akteure dürfte Erweiterungskommissar Varhelyi dann auch gemeint haben, als er auf Twitter anmahnte: „Ich fordere die Verantwortlichen in diesem Land auf, diese historische Chance zu nutzen und die in unserer Empfehlung genannten Schritte zügig zu unternehmen.“
Diese Schritte hatte die EU-Kommission 2019 in Form von 14 Schlüsselpositionen definiert. Erst wenn diese umgesetzt worden sind, soll Bosnien und Herzegowina die Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnehmen dürfen.
Die Positionen beinhalten unter anderem Reformen des Justizwesens und des Wahlrechts. Letzteres sorgte im Vorfeld der Wahlen am 2. Oktober mehrere Male für Zündstoff, als insbesondere kroatische Nationalisten unter dem HDZ-Vorsitzenden Dragan Čović vom internationalen Hohen Repräsentanten Christian Schmidt, der die Friedensordnung in dem Land beobachtet und über Sondervollmachten verfügt, dazu drängten, das Wahlrecht nach ihren Wünschen zu ändern.
Bei der jetzigen Entscheidung der EU-Kommission handelt es sich um eine Empfehlung. Die endgültige Entscheidung, ob und wann Bosnien und Herzegowina die Beitrittsverhandlungen aufnehmen darf, fällen die 27 Mitgliedsstaaten der EU – und zwar einstimmig.
Noch ein langer Weg in die EU
Das führte in der Vergangenheit dazu, dass etwa Nordmazedonien ganze 17 Jahre im Status als Beitrittskandidat festhing, bis es mit den Verhandlungen starten konnte. Zuerst hatte Griechenland wegen eines Namensstreits ein Veto eingelegt, dann hatte Bulgarien wegen eines Konflikts um Sprache und Kultur die EU-Ambitionen Nordmazedoniens blockiert.
Bis Bosnien und Herzegowina seinen Status als EU-Kandidat erhält, wie ihn schon die Ukraine und Moldau in diesem Jahr erlangt haben, können also noch Jahre vergehen. Genug Reformarbeit bleibt dem Land bis dahin allemal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen