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Boris Palmer zu Flüchtlingen„Können Asylstandards nicht halten“

Tübingens Oberbürgermeister sieht die Grünen vor einem Realitätstest. Der verstärkte Zuzug von Asylsuchenden überfordere ganz Europa.

PALMER: „Wir werden zu einer pragmatischen Sicht kommen müssen.“ Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof. Foto: dpa
Anja Maier
Interview von Anja Maier

taz: Herr Palmer, „Politisch Verfolgte genießen Asyl“ – darauf haben sich die Grünen immer bezogen. Gilt das noch angesichts einer Million Flüchtlinge?

Boris Palmer: Ja, aber wenn dieses Jahr wirklich zwanzig mal mehr Flüchtlinge zu uns kommen als noch 2010, sind wir gezwungen, zu unterscheiden zwischen denen, die vor Krieg fliehen und um ihr Leben fürchten, und denen, die bei uns ein besseres Leben suchen. Wir können die Aslystandards nicht halten.

Sie sind grüner OB in Tübingen. Wie ist denn die Situation in Ihrer Stadt?


Die Kreissporthalle ist bereits mit Flüchtlingen belegt. Wir sind hektisch dabei, Unterkünfte zu requirieren, also Hallen umzunutzen und mit Heizungen auszustatten. Ich bin noch nicht sicher, ob es uns gelingt, im Winter ohne Zelte auszukommen. Deswegen habe ich auch schon mal vorsorglich auf das Polizeigesetz hingewiesen, dass es möglich ist, leer stehende Häuser zu beschlagnahmen.

Bild: dpa
Im Interview: Boris Palmer

47, Grünen-Politiker, ist seit 2006 Oberbürgermeister in Tübingen. Davor war er von März 2001 bis 2007 Abgeordneter im Landtag Baden-Württemberg.

Der Bundesinnenminister hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für Asylsuchende große Härten bedeuten würde. Gutscheine, Residenzpflicht, vor allem mehr so genannte sichere Herkunftsländer, in die die Menschen abgeschoben werden sollen. Schon im Oktober soll das Gesetz durchs Parlament und den Bundesrat gehen. Die Grünen sind im Bundesrat in einer mächtigen Position. Wie sollten sie die nutzen?

Verantwortlich. Auf keinen Fall dürfen wir blockieren. Deutschland braucht jetzt passende Lösungen, um mit dieser riesigen Zahl von Flüchtlingen umzugehen. Wir erleben gerade, dass rings um uns die Länder Europas völlig überfordert sind. Das hat auch damit zu tun, dass so viele Menschen von Deutschland motiviert wurden, die Reise hierher anzutreten. Jetzt müssen wir uns aber eingestehen, dass auch die deutsche Gesellschaft an eine Belastungsgrenze kommt. Deshalb brauchen wir schnellere Verfahren, den Abbau falscher Anreize und eine klare Priorität für Kriegsflüchtlinge.

Mehr sichere Herkunftsländer – ja oder nein?

Eindeutig ja. Und auch europaweit. Wir können es uns nicht leisten, vierzig Prozent der Asylplätze mit Menschen vom Balkan zu belegen, wenn Hunderttausende Kriegsflüchtlinge zu uns kommen.

Wollen Sie dafür verantwortlich sein, dass künftig Romafamilien abgeschoben werden?

Für die Roma kann man, wenn Verfolgung vorliegt, durchaus eine Lösung über Kontingente finden. Aber klar muss auch sein: Abschiebungen zu verhindern – was lange grüne Politik gewesen ist – lässt sich in der jetzigen Situation nicht mehr durchhalten. Wenn Abschiebungen nicht durchgeführt werden, ist das ein Zeichen an die Menschen aus diesen Ländern, dass es sich weiter lohnt, zu uns zu kommen.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe stellt in Aussicht, die von den Grünen geforderte Gesundheitskarte nun doch einzuführen. Ist das ein Goodie für die Grünen vor dem Flüchtlingsgipfel am Donnerstag?

Ja. Wir sollten uns darauf konzentrieren, möglichst viel für die Integration der Menschen zu erreichen, die bleiben werden. Dazu gehört natürlich die Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen diese Leute sofort anfangen können zu arbeiten, ohne das Damoklesschwert einer Abschiebung über dem Kopf.

Also weniger soziale Härten im Tausch gegen die Zustimmung zu sicheren Herkunftsländern – sieht so der Deal zwischen Bund und Ländern aus?

Ich glaube nicht, dass es so einfach sein wird. Weniger soziale Härten könnte auch bedeuten, noch mehr Anreize zu schaffen, nach Deutschland zu kommen. Wenn es um die Rückkehr zu Sachleistungen geht, wird das jene betreffen müssen, die keine Bleibeperspektive haben. Für viele Grüne wäre das in der Vergangenheit eine soziale Härte gewesen. Aber das scheint mir jetzt notwendig.

Wo ist eigentlich die Schmerzgrenze bei den Grünen?

Die Schmerzgrenze der ganzen deutschen Gesellschaft wird sich bald zeigen. Denn es kommen eben nicht nur Ingenieure und Akademiker zu uns, sondern weitaus mehr Analphabeten. Wir werden einen harten Konkurrenzkampf erleben um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, aber auch um Wohnraum mit dem unteren Fünftel der jetzigen Gesellschaft.

Wie nennen Sie das? Pragmatismus zugunsten von Idealismus?

Ich beziehe mich da auf den Soziologen Heinz Bude: Wir sind derzeit in der Phase des Flüchtlings-Idealismus, aber wir werden rasch feststellen, dass der nicht trägt. Denn er überfordert ganz Europa. Wir werden zu einer pragmatischen Sicht kommen müssen. Das ist für uns Grüne hart, denn das bedeutet, Einschränkungen von Flüchtlingsrechten hinnehmen zu müssen. Aktuell erleben wir, wie die Zeit alte Überzeugungen hinwegfegt, konservative Vorstellungen vom Staatsvolk genau so wie grüne Mitmenschlichkeitsideale.

Die Grünen als Mehrheitsbeschaffer restriktiver Flüchtlingspolitik, und zwar in Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit. Wie wollen Sie das Ihrer Basis vermitteln?

Wir Grünen stehen wieder einmal vor einem Realitätstest. Der wird mit Sicherheit hart. Aber ich bin mir sicher, dass die Menschen uns andernfalls fragen werden, welche Lösungen wir für die Integration all dieser Menschen anzubieten haben. Und wenn da unsere Antwort ist: Wir schaffen die Bedingungen dafür, dass noch mehr zu uns kommen, dann wird uns das keiner abnehmen. Derzeit sind über 70 Prozent der Flüchtlinge junge Männer, die ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft haben als wir Grüne. Machen wir uns nichts vor: Die Aufgabe ist riesig. Es gibt eine objektive Integrations- und Belastungsgrenze. Dass wir die bisher abstrakt ignorieren konnten, lag nur daran, dass nicht so viele Menschen gekommen sind.

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63 Kommentare

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  • Palmer behauptet, dass ausnahmslos ALLE männlichen Flüchtlinge andere Vorstellungen von Homosexualität und der Rolle der Frau hätten als die Grünen. Damit verbreitet Palmer Vorurteile und Rassismus. Die Geflüchteten werden zum Anderen, der mit "uns" nichts zu tun hat. Indem Palmer ohne Ausnahme alle Flüchtlinge so klassifiziert, bedient er rechtsextremistische Argumentationen. Homosexuelle und Frauen werden von ihm für die Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit instrumentalisiert. Palmer unterscheidet sich damit nicht von PEGIDA, er befeuert die Hasskommentare im Internet und entmenschlicht die Geflüchteten. Er liefert denjenigen virtuellen Brandbeschleuniger, die Flüchtlingsheime anzünden. Wenn so jemand bei den Grünen Mitglied sein und bleiben darf, würde dies bedeuten, dass die Grünen nunmehr auf dem Weg sind, eine Partei zu werden, die offen ist für Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit.

  • Aus welchem Grund muss eigentlich unbedingt Boris Palmer zum Flüchtlingsthema interviewt werden? Herr Palmer schickt sich seit längerem an, die CDU rechts zu überholen. Es gibt bei den Grünen auch in Baden-Württemberg Personen, die sich in der Flüchtlingspolitik und der Praxis deutlich besser auskennen als Boris Palmer und grüne / menschenrechtliche Prinzipien zu verteidigen versuchen und nicht leichtfertig für Wahlkalkül oder angebliche Sachzwänge über Bord gehen lassen.

  • Das sind doch die Grünen wie ich sie kenne und... liebe würde ich jetzt nicht sagen.

    Auf Anti-Kriegs-Demos mitlaufen, aber den Kosovo-Krieg unterstützen. Gegen soziale Ungerechtigkeit sein und Harz IV mitbeschließen.

    Gegen Stuttgard 21 antreten und dieses Großprojekt dann unverändert weiterlaufen lassen.

    Und dann so schönes Politsprech.

    Schon die erste Frage wird nicht beantwortet.

     

    "„Politisch Verfolgte genießen Asyl“ – .... Gilt das noch angesichts einer Million Flüchtlinge?"

    Da hätte es nur eines Jas oder Neins bedurft.

    Schön finde ich auch, dass Herr Palmer sich widerspricht. Auf der einen Seite will er dass die Leute schnell eine Arbeitserlaubnis bekommen. Weißt dann aber darauf hin dass unter den Flüchtlingen viele Analphabeten sind.

    Um dann in der nächsten Antwort zu warnen das diese Druck auf den Arbeitsmarkt machen könnten.

    Welchen Job soll ein Analphabet der die Sprache kaum beherrscht denn machen?

    Entweder kann er etwas und ist besser als andere Bewerber für den Job und fällt dann in die Kategorie Fachkraft an der es uns ja bekanntlich mangelt. Oder er hat nicht die fachliche Qualifikation und bekommt keine Arbeit.

    • @derSchreiber:

      "Auf Anti-Kriegs-Demos mitlaufen, aber den Kosovo-Krieg unterstützen."

      Das ist in der Tat ein Vorwurf. Hätte damals u.a. Joschka Fischer nicht für eine Beteiligung Deutschlands an diesem völkerrechtswidrigen Krieg gestimmt wären mit Sicherheit mehr als 8000 Kosovo-Albaener in Srebrenica ermordet worden.

      Wir hätten damit heute ein kleineres Problem mit Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Kosovo.

       

      Und für Stuttgart 21 gilt das selbe. Hat es doch dieser Herr Kretschmann gewagt über dieses umstrittene Großprojekt die Bürger abstimmen zu lassen. Und als sie nicht das wählen was er will hat er es nicht - wie in allen guten Demokratien üblich - von oben herab verboten.

       

      Sorry (liebe Zensoren) für den eckligen Zynismus mit den Flüchtlingen - aber ihre Vorwürfe sind etwas dünn.

       

      Ich mag die Grünen auch nicht - besonders die nicht die zu ihren Vorwürfen Beifall klatschen - aber ich finde Herr Palmer sollte das lauter und öfters sagen.

       

      Denn mir fällt im Moment niemand anderer ein, der sowas sagen könnte ohne gleich als Nazi totgebrüllt zu werden.

      Ich glaube er ist einer der wenigen die auch bittere Realitäten ansprechen kann ohne damit auf der echten Seite großartig zu mobilisieren.

      Und das brauchen wir bevor wir alle wieder in der Realität ankommen und uns dieses rosarote "wir brauchen nur Mitgefühl" Zuwanderungsmärchen um die Ohren fliegt.

  • und wieder mal wird der beliebte fehler wiederholt, dies mal bei und unter http://www.taz.de/!5234269/#bb_message_3295681

     

    dabei:

    asyl+GFK (flüchtlingsschutz) gehören nicht mit einwanderung vermischt!

    das eine ist der schutz vor un-+mittelbarer staatlicher politisch motivierter verfolgung

    das andere ist mehr oder weniger gesteuerte einwanderung von arbeitskräften

    und dann gibt es noch ein paar andere zuwanderungsgründe.... ehe z.b. oder rente am wann- oder bodensee genießen oder ausbildung, studium, forschung+lehre....

    darunter mag der eine oder die andere politisch verfolgte sein (bei den sog.gastarbeitern war das öfter der fall z.b.)... das zeigt aber nur, dass leutz eigentlich nur dann vom asylrecht/flüchtlingsschutz gebrauch machen, wenn sie keine andere wahl (mehr) haben.

     

    da es also um verfolgungsschutz geht, ist es blödsinn, von asylplätzen zu reden, welche die einen irgendwelchen anderen wegnehmen könnten. asyl/flüchtlingsschutz kennt in der tat keine (numerische) obergrenze. wie es für die schutzbedürftigkeit auch nicht darauf ankommt, ob eine schutzberechtigte/r beruflich, religiös, politisch, kulturell oder oder oder „zu uns“ paßt oder nicht - entscheidend ist, ob+wie+was im herkunftsstaat droht. wobei, dies sei dazu gesagt, das drohen noch nicht mal erfordert, dass wer was 'politisches' getan hätte – es reicht, wenn die drohende verfolgung an ein sog. unverfügbares merkmal anknüpft.

     

    von da ausgehend ist dann zu diskutieren, wie leicht oder schwer „wir“ den exilantinnen das machen, was heutzutags integration genannt wird. alles andere ergibt nur den seit den frühen 70-gern praktizierten debatten-murks.

    wozu mir völlig wurscht ist, ob dieser murks bei den Grünen oder in der AfD stattfindet – murks ist es allemal!

    • @christine rölke-sommer:

      Richtig. Danke.

  • Das passt jetzt so wie die Faust aufs Auge, dass ich gleich Frau Rand zitieren möchte: "We can ignore reality, but we cannot ignore the consequences of ignoring reality".

     

    In diesem Sinne ein herzliches Willkommen in selbiger für den Tübinger Bürgermeister.

     

    Und solange bis noch mehr seiner Parteigänger hier sind, genieße ich weiter die verzweifelten Versuche Wunsch und Wirklichkeit weiter passend zu lügen. Ganz großes Kino ...

  • Danke TAZ für die interessante Info.

     

    In BaWü darf man als Grüner offen flüchtlingsfeindliche Propaganda verbreiten:

     

    Verfassungswidrige Abschreckung durch Kürzung und Entzug des Existenzminimums: "Auf keinen Fall dürfen wir blockieren."

     

    "Wir können es uns nicht leisten, vierzig Prozent der Asylplätze mit Menschen vom Balkan zu belegen."

     

    Tatsache ist, unter 10 % aller Asylsuchenden kommen aktuell noch aus dem Balkan. Die werden schnell pauschale abgelehnt, ohne im Einzelfall korrekt zu prüfen. Belegen noch 5 % der Kapazitäten, nicht 40 %.

    • @stadtlandmensch:

      Wie kommen sie auf solche zahlen? Haben sie praezisere daten wie das bampf?http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/201508-statistik-anlage-asyl-geschaeftsbericht.html?nn=1363214

      • @Demokrat:

        je nun.... je längere ich mich mit den bamf-zahlen beschäftige, umso spanischer kommen sie mir vor.

        eigentlich sinken die zugangszahlen aus dem balkan, aber.... jenachdem, wie ich die mit anderen aus den nicht-top-ten zusammenrechne, scheinen sie immer noch bei etwas unter 40% zu liegen. ob das so wirklich richtig gerechnet ist?

        ließe sich vermutlich nur feststellen/nachprüfen, wenn bamf ALLE zahlen veröffentlichte, IMMER.

         

        so bleibt nur festzuhalten: mit den veröffentlichten zahlen machen manche gut - nicht gute! - politik.

  • Und woher weiss Herr Palmer, was 70% der Flüchtlinge denken?

    Das hat nichts mit Pragmatismus zu tun, das ist Demagogie!

  • Oh, mein lieber Boris! Seit er OB in Tübingen ist, kommt er mit noch engeren Scheuklappen daher als bisher.

    Die Zahl der tatsächlich in Deutschland anwesenden Flüchtlinge ist viel geringer als das Trara der letzten Wochen uns weis macht. Ein Problem sind freilich die hohen Ankunftszahlen der letzten paar Wochen in einer Situation, in der die in den vergangenen Jahren systematisch abgebauten Kapazitäten ohnehin schon überlastet und Erstaufnahmestellen überfüllt waren. Es kommt nun darauf an, die schnell zu leeren und die Flüchtlinge nicht monatelang dort festzuhalten. Es gibt noch genügend Platz bei uns - nur halt nicht in den Ballungszentren.

    Wirtschaftlich gesehen brauchen wir 400.000 Zuwanderer pro Jahr - könnte sein, dass wir das dieses Jahr nicht nur erreichen, sondern den Fehlbetrag aus dem letzten Jahr auch noch aufholen. Das aber bedeutet: Wir brauchen dauerhaft die Kapazitäten für eine solche Zuwanderung und sollten jetzt nicht mit Provisorien arbeiten.

    Dass die Flüchtlinge überwiegend Analphabeten sind, ist übrigens Quatsch. Syrer sind in der Regel sehr gut ausgebildet, und auch aus den anderen Regionen (mit Ausnahme der Roma, die keinen Zugang zu Bildung haben) kommen eher die Ausgebildeten. Mag allerdings sein, dass nicht alle schon mit lateinischen Buchstaben schreiben können...

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @mecker-rv:

      "Wirtschaftlich gesehen brauchen wir 400.000 Zuwanderer pro Jahr..."

       

      Was heißt denn "wirtschaftlich gesehen" und was heißt denn "400 000 Zuwanderer pro Jahr"?

      2014 sind 1,5 Mio Menschen nach DE zugewandert, davon über 800 Tsd aus dem EU-Raum (http://mediendienst-integration.de/migration/wer-kommt-wer-geht.html). Welchen "Fehlbetrag" für 2014 Sie meinen ist mir schleierhaft.

    • @mecker-rv:

      Das Märchen über die Notwendigkeit zusätzlicher Zuwanderung stirbt nicht aus. 2014 hatten wir eine Nettozuwanderung von ca. 500.00 2013 ca 430.000. Wo sehen sie da eine Fehlbetrag? Das Syrer in der Regel gut ausgebildet sind bezweifle ich nicht, aber ob sie auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden? Und bei den anderen Regionen z.B Afrika wäre ich mit der guten Ausbildung sehr vorsichtig.

      Und das es genung Platz bei uns gibt ist auch fraglich, wenn sie z.B. an MV denken, da gibt es sicher Platz, aber keine Arbeit.

      • @hansen hansen:

        Doch.

        Menschen mir Qualifikationen wie Ingenieure u.ä., also alles, was hier Akademiker oder Facharbeiter entspricht werden auf dem ArbeitsMARKT gebraucht. In den Hilfsdiensten ist durch den eingeführten Mindestlohn nur noch wenig zu drücken. Aber bei den ausgebildeten Fachkräften gilt es nach wie vor, arbeitsmarkttechnisch so viel Druck zu erzeugen, dass auch dort die Löhne kollabieren.

        Marktwirtschaftlich ist es nun mal so, dass bei höherem Angebot bei gleicher Nachfrage der Preis, hier also der Lohn sinkt.

        Das Kapital braucht also die Zuwanderung. Das Proletariat nicht. Zumindest nicht solange, wie es nicht international denkt.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Age Krüger:

          "Menschen mir Qualifikationen wie Ingenieure u.ä., also alles, was hier Akademiker oder Facharbeiter entspricht werden auf dem ArbeitsMARKT gebraucht."

           

          Ich war vor einiger Zeit auf einer Geburtstagfeier. Der Ehemann des Geburtstagskindes ist Ingenieur und Geschäftsführer eines Zuliferers von Siemens. Unter den Gästen war so gefühlt ein Duzend Ingenieure. Massenweise Klagen über projektbezogene Scheinselbständigkeit, Einstellung über Vermittlungsfirmen (20% unter TArif) etc. Der Freund meiner Nichte wurde jetzt fertig (Maschinenbau) - nichts. Wird oft von den Unternehmen auf Master verwiesen (FaHo).

          • @10236 (Profil gelöscht):

            Deshalb habe ich ja auch betont, dass es nur um den Markt geht, der die Bedingungen schaffen soll, dass die paar, die trotz Automatisierung noch benötigt werden für unter 8,50 € die Stunde arbeiten.

            Dies werden nur wenige sein, der überwiegende Teil soll mit Aushilfsjob nur das akademische Proletariat bilden. Neulich traf ich einen arbeitslosen Ingenieur, der mir erzählte, dass er sogar bei einer Firma, die Rüstung produziert, nur auf Leiharbeitbasis beschäftigt war. Nämlich, solange bis der Auftrag erledigt war. Selbst die Rüstungsindustrie braucht kaum noch feste Mitarbeiter.

            Ich schätze btw, dass es leichter ist, zugewanderte Akademiker, die froh sind, dass sie hier ohne Giftgasangriffe leben können, ruhig zu stellen als die hier geborenen Akademiker.

            • 2G
              2097 (Profil gelöscht)
              @Age Krüger:

              Laut IHK wird bereits von Fachkräftemangel gesprochen, wenn sich nur fünf vollständig geeignete Bewerber auf eine Fachkraftstelle bewerben. Zukünftig bewerben sich dann mehr und der Rest bleibt weiterhin arbeitslos. Also von Mangel zu sprechen ist genauso sinnvoll wie bei Entlassungen von Freisetzung zu sprechen. Euphemismus nennt man so etwas.

  • Das was Versäumnisse in anderen Bereichsen waren seit 20 Jahren zu wenig Wohnungsbau, liegt nicht an den Flüchtenden.

    Dass sich in Syrien eine humanitäre Katastrophe anbahnt konnte man 2013 auch sehen.

    Es gibt erzwungene Migration, die nicht einfach in Entrechtung enden darf!

    Also nicht nur für Aufnahme, sondern auch für Bleiberecht kämpfen.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Glückwunsch, Herr Palmer hat schon mal erkannt, dass die Flüchtlingssituation sehr viel sozialen Sprengstoff enthält. Und dass derzeit und zukünftig gerade die abgeben müssen, die bereits schon wenig haben. Diejenigen, die auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen sind, und diejenigen, die bezahlbaren Wohnraum suchen.

    Die Frage ist doch, wie lange die Menschen, die zur Tafel gehen oder nach bezahlbarem Wohnraum suchen und nun auch zukünftig mit größerer Konkurrenz um Jobs im Niedriglohnsektor zu rechnen haben, dies hinnehmen?

    Neoliberale, u.a. Hans-Werner Sinn, fordern bereits die Aushebelung des Mindestlohns: http://www.wiwo.de/politik/deutschland/denkfabrik-ohne-abstriche-beim-mindestlohn-finden-viele-zuwanderer-keine-arbeit/12300610-all.html

    Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum hat auch bereits begonnen und wird sich noch verschärfen: http://www.swr.de/report/kampf-um-wohnraum-wohin-mit-anerkannten-fluechtlingen/-/id=233454/did=15855806/nid=233454/u0eyfh/index.html

    Herr Palmer macht leider keine Vorschläge, wie dies zukünftig besser werden soll hinsichtlich der anerkannten Flüchtlinge! Vermögende angemessen zu besteuern wäre doch eine Alternative! Und Steuerflucht drastisch bekämpfen! Dies sind natürlich keine kurzfristigen Lösungen, doch müssen diese wohl angegangen werden, um ein noch extremeres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern!

    Oder soll dies alles wieder über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, des Solidaritätsbeitrag oder der Lohnsteuer finanziert werden? Also über Einkommen aus Arbeit anstatt aus leistungslosem Einkommen, wie bspw. Erbschaften? Und über eine Schuldenaufnahme ist dies ja sowieso nicht mehr möglich zu finanzieren, aufgrund der Schuldenbremse!

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Klingt immer leicht, die "Reichen" mal so richtig dranzunehmen. Aber da gibt es auch Grenzen - nicht nur reale (Kapitalabwanderung) sondern auch rechtliche. Vermögen bestheht nunmal in aller Regel aus bereits versteuerten Einkünften. Das Bundesverfassungsgericht hat deren weiterer Besteuerung klare Grenzen gesetzt und eine effektive Gesamtbelastung von über 50% verboten. Dieses Limit gerät immer gerne in Vergessenheit, wenn von vermeintlich endlosen Möglichkeiten der Abschöpfung "geschenkten" Geldes fabuliert wird.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        @Normalo: Ok, mein Vorredner (@Jaroslaw Majchrzyk - vielen Dank) hat bereits auf den Fehler hinsichtlich Ihrer Behauptung hingewiesen mit den 50%. Außerdem ist die Besteuerung beim leistungslosen Einkommen (Erbschaften) weit entfernt von 50%. Arbeitseinkommen wird häufig oftmals mehrmals versteuert. Wenn ich mich mit meinem lohnabhängig erworbenen bereits versteuerten erspartem Einkommen selbständig mache und jemanden einstelle und daraus vorerst jemanden bezahle, muss dieses Arbeitseinkommen wohl auch erneut versteuert werden von dem Mitarbeiter, obwohl ich diese Einkünfte doch bereits verteuert habe. Bei leistungslosem Einkommen (Erbschaften) ist das deutlich günstiger!

        Herr Schäuble wollte ja Erbschaften über 20 Millionen ein klein wenig angemessener versteuern. Doch die Lobby der Vermögenden hat ihn daraufhin als Kommunisten bezeichnet.

        Na ja, unter Roosevelt ging es doch auch mit angemessenen Steuersätzen: http://www.taz.de/!5109265/

        Und das Kapital ist doch tatsächlich nicht abgewandert – sondern Prosperität war das Resultat! Oh Wunder!

        Ist aber schon klar – Solidarität mit den unteren Einkommensschichten und vermögende Eliten passen nicht zusammen! So wird der Sozialstaat von den Eliten zu Grunde gerichtet!

        • @2097 (Profil gelöscht):

          Auch Erbschaften stammen in der Regel aus bereits versteuerten Einkünften. Wenn Sie das Erbrecht als das verstehen, was es ist, nämlich eine Fortführung des Eigentumsschutzes vom Erblasser auf den Erben, dann sollte Ihnen das klar sein.

           

          Man kann politisch der Ansicht sein, dass eine solche Fortführung "ungerecht" ist, aber das ändert nichts an der jetzigen Situation. Und es verkennt meines Erachtens auch, dass Erbmassen von Menschen erarbeitet oder vergrößert werden, die wissen und (in aller Regel) wollen, dass ihr Verdienst einmal ihren Liebsten zugute kommt. Sonst könnten sie ihr Vermögen auch prämortal fröhlich verprassen oder anderweitig unters Volk bringen.

          • 2G
            2097 (Profil gelöscht)
            @Normalo:

            Ihre Argumentation ist irgendwie nicht sachlich, wenn man sich die Fakten ansieht. Die Freibeträge sind sehr hoch (500.000 €) und erst ab 6 Millionen wird das Erbe mit 23% besteuert darunter mit weniger als 20%. Wenn die Steuersätze auch doppelt so hoch wären und der Freibetrag halbiert würde, wird es wohl mit SEHR großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Verprassen kommen.

            Außerdem kann es wohl kaum angehen, dass in einer LEISTUNGSGESELLSCHAFT der Slogan „LEISTUNG MUSS SICH WIEDER LOHNEN“ nicht für Erben gelten soll!!!! Was hat denn der Erbe bitte schön geleistet!

            RICHTIG – gar nichts! Ist leider mit sozialer Gerechtigkeit überhaupt nicht zu vereinbaren. Einerseits über Hartz IV Empfänger sich empören und deren leistungsloses Einkommen und gleichzeitig den untätigen Erben das Geld fürs Nichtstun hinterherwerfen!

            Die Gründerväter der bayrischen Landesverfassung waren schon weiter:

             

            Artikel 123 Angemessene Besteuerung

            […]

            (3) Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. […]

  • An die Mowglis, Rebleks, rölke-sommers und wie sie alle heissen:

    Wie es nicht geht, wissen wir alle. Deshalb bitte ein bisschen weniger stänkern, bzw. wenn schon, dann wenigstens was Konstruktives hinterherschieben. Andere schaffen das doch auch.

    • @Wuff:

      was konstruktives?

      aber gerne doch!

      (bürger-)kriegsflüchtlinge aus Syrien und und und gehören - außer in ausnahmefällen - nicht ins asylverfahren. der weg geht also andersrum: erst eine befugnis (mit arbeitserlaubnis) aus humanitären gründen - und sei es zur familienzusammenführung woandershin - und dann ausführliche rechtsberatung, ob ein asylantrag sinnvoll bzw. notwendig ist. das brächte für die EAE's + BAMF eine spürbare entlastung und für die länder/kommunen auch. da wäre im regelfall (der 70% jungen männer) nicht mehr nötig als gesundheitskarte und deutschkurs - die jeweiligen communities sind nämlich sehr hilfsbereit und lassen die jungs wenn's sein muß auch jahrelang auf der besucherritze schlafen.

      diese entlastung käme auch den anderen asylverfahren zugute, denen, die seit anno xy auf halde liegen wie auch den erst+folgeanträgen aus 2015. da könnten sogar roma und LGBTI aus den sog. sicheren herkunftsländern was von haben - die bekämen nämlich endlich wieder rechtliches gehör statt gefrag - was letztlich dazu führen könnte, dass auch in diesen verfahren "die Asylstandards" wieder eingehalten würden.

      auch der politischen debatte täte das gut. die wäre endlich wieder von kompetenz statts dummer sprüche geprägt.

      eine voraussetzung dafür wäre allerdings, dass im BMI die fachressorts endlich wieder fachlich kompetent arbeiten - statts dem obersten dienstherrn politisch nach dem mund zu reden.

      • @christine rölke-sommer:

        Völlig richtig:

        Kriegsflüchtlinge ins Schnellaufnahmeverfahren, Asylverfahren nur bei Bedarf.

        Zusätzlich Einwanderungsquote für Mangelberufe, egal woher, natürlich inklusive Familienzusammenführung.

        Viele der Roma, die zu uns wollen, werden ja "nur" im Alltag ethnisch diskriminiert und nicht individuell verfolgt, weshalb ihre Asylanträge meist abschlägig beschieden werden. Das muss sich ändern - oder es müssen spezielle Kontingente und Bildungsstipendien her.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    #realistswelcome

  • Klar, dass Palmer hier einen #Aufschrei provoziert. Unangenehme Wahrheiten lösen bei Menschen, die sich in ihrem Weltbild eingerichtet haben, mehr noch: Deren Weltanschauung ihre Persönlichkeit ist, Abwehr und Aggressionen aus. Soweit, so klinisch. Trotzdem gut, dass die TAZ auch einem Realo ein Forum gibt.

    • @Ron Jeremy:

      die einzige unangenehme wahrheit, die herr Palmer hier zutagetreten läßt, ist die, dass er von asyl+flüchtlingsrecht null-komma-null ahnung hat (freundlich formuliert).

      asyl+GFK sollen schutz vor mittelbarer wie unmittelbarer staatlicher politisch motivierter verfolgung bieten.

      die dazu vom bundesverfassungsgericht entwickelten standards werden von herrn Palmer in die tonne getreten, wenn er meint, das asylverfahren solle dazu dienen, herauszufinden, ob anderer leute "Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft" zu seinen eigenen - oder gar der aller grünen - passen.

      es sind nicht die asylsuchenden/flüchtlinge - auch nicht die kriegsflüchtlinge aus syrien, die in der mehrzahl sowieso nicht ins asylverfahren gehören! - die, weil sie so viele seien, dafür sorgen, dass "wir die Asylstandards nicht halten" können - es sind lehramtskandidaten wie herr Palmer und andere dummschwätzer, die asylrecht+GFK zu schreddern suchen.

      ob das schon "Soweit, so klinisch" ist? - möglicherweise ja.

      mir reicht schon, dass da einer mit null-argumenten eine scheiß-politik betreiben hilft.

      • @christine rölke-sommer:

        So wie ich die Äußerung verstanden habe, ging es Palmer nicht darum, das Asylverfahren zunehmend "gedankenpolizeilich" auszurichten. Der Absatz handelt vielmehr von den realen Herausforderungen der Integration beliebig vieler Flüchtlinge -natürlich aus Sicht eines typisch grünen Gesellschaftsideals.

         

        Insbesondere Letzteres darf nicht verwundern. Denn gerade die heile Welt der Grünen, die immer das Eine tun wollen, ohne das Andere zu lassen, bekommt übel Einen mit, wenn mit grüner Multi-Kulti-Offenherzigkeit willkommen geheißene Flüchtlinge gleichzeitig Wertevorstellungen importieren, gegen die dieselben offenherzigen Grünen seit Jahrzehnten leidenschaftlich ankämpfen. Andersdenkenden Flüchtlingen gegenüber mit derselben Neigung zur fröhlich-gutmenschelnden Repression zu begegnen wie den eigenen Landsleuten, fühlt sich auch nicht so richtig "grün" und tolerant an. Also ist das Dilemma vorprogrammiert...

        • @Normalo:

          oh doch! lesen Sie doch einfach noch mal nach!

          weil die so andere vorstellungen haben - wirklich? - wird es nötig sein "Einschränkungen von Flüchtlingsrechten hinnehmen zu müssen", weil's sonst mit dem realitätstest inne hose geht. sagt Palmer.

          ich sag dazu das obige und im übrigen BS.

          • @christine rölke-sommer:

            Sorry, sehe ich nicht. Die "Einschränkung von Flüchtlingsrechten" steht in keinem kausalen Zusammenhang mit den gesellschaftspolitischen Differenzen, die er einem Teil der Flüchtlinge unterstellt. Hierzu erwähnt sind nur die aus seiner Sicht unumgänglichen Abschiebungen von Antragsstellern, die keine Bleibeperspektive haben. Die Mentalitätsprobleme stehen - wie gesagt - ausdrücklich im Zusammenhang mit den praktischen Problemen, nicht mit dem rechtlichen Prozedere.

             

            Die genannte abschiebepolitik wäre eben ein Einschnitt, den - wohlgemerkt: - die Grünen zu verkraften hätten. Um die Flüchtlinge (und was die davon halten) geht's an der Stelle gar nicht mal so, sondern um die Aufgabe bisheriger Positionen seiner Partei.

             

            Ich finde, er differenziert insgesamt schon recht genau zwischen rechtlichem Rahmen und politischen Problemen und Wünschen. Und er ist - so wie ich ihn bislang erlebt habe - gut genug geschult, dass man ihm unterstellen kann, dass er das auch so differenziert sagen WILL.

            • @Normalo:

              tja, das ding mit dem text, dem sub-, kon- und intertext war noch nie jedermanns ding. meines schon. wird wohl an meiner deformation professionelle liegen....

               

              und da recht+politik (+mentalität und dergleichen) aufs engste zusammenhängen, frag ich mich, was dem herrn Palmer seine basis von seinem lagerwechsel hält.

              was Sie davon halten, muß ich nicht fragen.... das ist eh ersichtlich.

              • @christine rölke-sommer:

                Es ist keine Kunst, Aussagen ganz genau zu interpretieren. die realiter gar nicht gemacht, sondern nur zwischen den Zeilen gelesen wurden. Und in ein so kurzes Interview kann man eine MENGE hineinlesen.

                 

                Für mich z. B. ist es eine Rechtfertigung eines sich druchaus als "lagertreu" begreifenden grünen Politikers, der sich durch sein öffentliches Amt zu einem gewissen Pragmatismus gezwungen sieht, vornehmlich gegenüber seiner Basis, die eine notorische Abneigung gegen Pragmatismus hat. Das was er rechtfertigt, sind daher Abweichungen von den Idealen der Grünen, die beim Asyl in vielerlei Hinsicht über das hinausgehen, was als nationaler und internationaler rechtlicher Mindeststandard gelten kann. Dass er auch gleich an diesen Standards rütteln will, ergibt sich für mich daher nicht zwingend.

                 

                Aus meiner Sicht ist diese Interpretation nicht weniger stringent und mit dem Gesagten vereinbar als Ihre aus Ihrer Sicht. Letztlich zählt ohnehin nur, wie er sich bei echten politischen Entscheidungen verhält. Und solche sind mit diesem Interview sicherlich nicht getroffen.

                • @Normalo:

                  belassen wir es dabei.

                  denn alle stringenz, die Sie bei herrn Palmer zu entdecken vermögen, ändert nichts an der einen unangenehmen wahrheit: herr Palmer hat von asyl+flüchtlingsrecht keine ahnung.

                  und gehört offensichtlich zu den leuten, welche asylsuchende/flüchtlinge für die 'unangenehmen seiten' von kapitalismus verantwortlich machen.

                  wenn Sie und seine basis das goutieren, dann... fällt mir dazu nix ein außer, dass es mit dem links- oder auch kapitalismuskritisch nicht weit her ist.

                  • @christine rölke-sommer:

                    Nur zur Klarstellung: Mir ging es darum, Palmers Äußerungen nicht ideologisch zu überhöhen sondern den Diskurs sachlich zu halten, weil ich von der Fokussierung auf die Motivation eines Politkers bei der Auseinandersetzung mit seiner Meinung nichts halte.

                     

                    Ich "goutiere" daher in der Sache erstmal gar nichts, da ich auch viel zu wenig von den realen Umständen der Bewältigung des Flüchtilingsstroms weiß. Es mag sein, dass Palmers Befürchtungen über die gesellschaftliche Verträglichkeit, wenn es nicht umgehend zu Einschränkungen kommt, zutreffen. In dem Fall stünde ich auf der Seite der praktischen Konkordanz. Übertreibt er aber, sehe ich auch keinen Bedarf für Verschärfungen der Aufnahmebedingungen bzw. Erleichterungen bei der Abschiebung, allenfalls - soweit möglich - für wirksamere Methoden zur konsequenten und zügigen Abwicklung von missbräuchlichen Asylanträgen.

                    • @Normalo:

                      hab ich was zu Palmers motivation gemutmaßt?

                      hab ich nicht, sondern nur trocken festgestellt, das er von asyl/flüchtlingsrecht keine ahnung hat (ist ja auch, zugegeben, kein ganz so einfaches rechtsgebiet - wenn man sich erst mal drin bewegt).

                       

                      keine ahnung zu haben ist ein los, dass er mit vielen politikerinnen und sonstigen bundestrainern teilt.

                      warum+wozu allerdings leutz über etwas, wovon sie keine ahnung haben, gelegentlich ziemlich wilde behauptungen aufstellen - das wäre ne richtig spannende diskussion.

                       

                      nehmen wir mal Ihr "wirksamere Methoden zur konsequenten und zügigen Abwicklung von missbräuchlichen Asylanträgen"...

                      mit verlaub: es gibt keine "missbräuchlichen Asylanträge". es gibt begründete und unbegründete. die begründeten haben bestimmte rechtsfolgen - die unbegründeten haben bestimmte andere rechtsfolgen.

                      so einfach ist das.

                      und das läßt sich auch ganz höflich, freundlich+sachlich diskutieren, im rahmen des menschenrechtlichen regelwerks, welches 'schland ratifiziert, also zu beachten sich verpflichtet hat.

                       

                      mutmaßungen über "gesellschaftliche Verträglichkeit" sind eine ganz andere baustelle - und führen uns auf das weite feld, auf dem immer mal wieder klar wird, dass die vielen millionen bundestrainer sich in den werten, welche den vielen fremden so fremd sein sollen, auch nicht gerade besonders gut auskennen.

  • "Verantwortlich" will Boris Palmer also umgehen mit der "mächtigen Position", in der die Grünen im Bundesrat angeblich sind. Für ihn heißt das, "auf keinen Fall [zu] blockieren", was der Bundesinnenminister an "große[n] Härten" vorgesehen hat für Flüchtlinge. Aus Angst um Standars lässt Herr Palmer also Standards ruinieren. Verständlich wird das, wenn man weiß: Das Bundesinnenministerium ist nicht sein Ressort. Er herrscht in Tübingen.

     

    "Wir erleben gerade", tönt Palmer, "dass rings um uns die Länder Europas völlig überfordert sind". So überfordert möchte Palmer offenbar nie wirken. Deswegen ist es ihm auch völlig recht, wenn de Maizière in seinem Amtsbereich die Standards senkt. Dann braucht es Palmer nicht zu tun in seinem eigenen Bereich. Und so was nennt er dann Verantwortung.

     

    Ich finde ja, die "falschen Anreize" von denen Palmer spricht, schaffen er und seine Kollegen selbst. Sie behaupten, dass sie Probleme lösen können, egal wie groß sie sind. Unfähigkeit geben sie niemals zu. Für Leute, die aus Diktaturen kommen, ist so was mangels Ahnung attraktiv. Sie glauben diesen "Demokraten". Einige werden enttäuscht, andere nicht.

     

    Nein, eine "objektive Integrations- und Belastungsgrenze" gibt es nicht. So wenig, wie es jenes "Wir" gibt, hinter dem sich Palmer da verschanzt, und das er mit Pegida teilt. Mag ja sein, dass "die Schmerzgrenze der ganzen deutschen Gesellschaft" die Schmerzgrenze des "unteren Fünftel der jetzigen Gesellschaft" ist. Dass es jedoch jemandem hilft, wenn Palmer sich und "seine" Grünen von Überforderten nach unten ziehen lässt, ist unwahrscheinlich. Er sollte lieber etwas gegen den "harten Konkurrenzkampf" tun, der allenthalben tobt.

     

    Ob wohl Heinz Bude begeistert ist von seiner Vereinnahmung durch diesen Mann? Ich glaube nicht. Budes Alternative zum "Flüchtlings-Idealismus" ist womöglich nicht die Rückkehr zu den "Werten" von vor 1945.

    • @mowgli:

      Übrigens: Die als besonders pragmatisch und konkurrenzkampfgestählt geltenden Briten wollen jetzt vor Ort selektieren. Die Guten aufs... - äh: ins Töpfchen. Die "Schlechten"? Können offenbar verrecken. Wahlweise an Ruhr, Fassbomben oder einem Prung von der Klippe. Mag sein, das funktioniert. Für England, meine ich, und für niemanden sonst.

       

      Es ist nicht "die Zeit", die "Überzeugungen hinwegfegt". Es sind Männer wie Boris Palmer und David Cameron.

  • Ich wüsste nicht, inwieweit, das, was Palmer gesagt hat, dem Asylrecht widerspräche. Ihm geht es darum, den Flüchtlingsstrom so zu reduzieren, dass Diejenigen, die NICHT vor politischer Verfolgung flüchten, den Asylberechtigten nicht die - faktisch nicht endlos vorhandenen - Bleibemöglichkeiten wegnehmen.

     

    Rechte sind nicht wegdiskutierbar, haben aber auch ganz klar Grenzen. Armut allein ist keine politische Verfolgung. Und "sichere Drittländer" sind Orte, wo die Menschen NICHT politisch verfolgt werden, aus denen sie also auch nit aus politischen Gründen zu uns (weiter)flüchten.

     

    Im Übrigen sind die Grundrechte Regeln, nach denen die Gesellschaft funktionieren SOLL, kein haltbares Versprechen, dass sie so auch unter allen Umständen funktionieren KANN. Ohne funktionierende Gesellschaft sind aber auch die Grundrechte - und zwar alle - zumindest gefährdet, wenn nicht Makulatur. Besteht real dieGefahr, dass das uneingeschränkte Bestehen auf bestimmten Grundrechten die Wahrung anderer Grundrechte beeinträchtigt, ist eine Abwägung nicht nur erlaubt sondern sogar geboten - und zwar abseits aller wohlmeinenden Wünschen oder parteispezifischen Ideale.

    • @Normalo:

      Und aus einem Bürgerkriegsgebiet fliehen, weil man keine Lust hat, eine Assadsche Giftbombe abzubekommen, ist eine politische Verfolgung???

      • @Age Krüger:

        Ich wüsste nicht, wie man politische Verfolgung brachialer und offensichtlicher durchführen kann, als durch kriegerische Handlungen gegen Teile der eigenen Bevölkerung. Dass die Verfolgung nicht "höchstpersönlich" (im Sinne einer Fahndungsliste von Regimegegnern) erfolgt, macht sie in meinen Augen nicht weniger verfolgend und auch nicht weniger politisch.

        • @Normalo:

          Das fällt aber eben nicht unter politischer Verfolgung.

          Die BRD hat das erst im Rahmen der europäischen Angleichungen auch der GFK angepasst.

           

          Und auch jetzt bleibt die Frage, wo Bürgerkrieg herrscht und wo nicht. Flüchtlinge, die z.B. aus den Niederlande in die BRD kommen, dürfen dann nicht in die NL zurückgeschickt werden, wenn sie aus Somalia z.B. kommen, da die Niederlande Somalia nicht als Bürgerkriegsland ansieht und daher das Asyl verweigert,

          • @Age Krüger:

            Sie - und auch normalo - irren bzw. machen es sich ein bißchen einfach.

            zu den standards, wann/unter welchen umständen in bürgerkrieg (asylrelevante) politische verfolgung vorliegt, lesen Sie am besten den beschluß des bundesverfassungsgerichts vom 10.8.2000 https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000810_2bvr026098.html

            ich hoffe, danach ist Ihnen klar, dass nach den hierzulande festgestellten "Asylstandards" flucht vor bürgerkrieg/krieg nicht automatisch flucht vor staatlicher/staatsähnlicher politisch motivierter verfolgung bedeutet. oder, wie ich schon schrieb: die (bürger-)kriegsflüchtlinge aus Syrien (Somalia+Afghanistan+Irak+??) in aller regel im asylverfahren falsch sind. zur GFK siehe http://www.lastexitflucht.org/againstallodds/factualweb/de/2.3/articles/2_3_1_Wer_Fluechtling.html

             

            das bedeutet nicht, dass mann sie nicht aufnehmen soll. es bedeutet nur, dass die aufnahme nach anderen regeln erfolgen sollte. für hier und heute: entweder nach §§20ff AufenthaltsG - befugnis aus humanitären gründen - oder aber nach einem kontingentflüchtlingsG. beide möglichkeiten, die auch gleichzeitig zur anwendung kommen können, stehen einer großzügigen aufnahme nicht entgegen. im gegenteil!

  • Ob 70% der Flüchtlinge junge Männer sind, die ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, der Meinungsfreiheit, Homosexualität und Umweltschutz in der Gesellschaft haben als Palmers Parteifreunde, ist nicht relevant, denn die Grünen sind nicht der Nabel der Welt. Wichtig ist vielmehr, dass die Integration in die Gesamtgesellschaft klappt.

    • @DorianXck:

      wenn es nur um die Grünen ginge, hätten Sie recht, aber die angesprochenen Werte vieler flüchtender Araber widersprechen den Werten, die hoffentlich für uns alle nicht zur Disposition stehen: Gleichberechtigung von Mann und Frau, Anerkennung homosexueller Partnerschaften, Gesetze vor Religion, Gewaltfreiheit, Meinungsfreiheit auch für Religionskritik, Sportunterricht für Mädchen, etc.

      Alles Felder, die Integration sehr sehr schwer machen.

      Insofern schon ein bisschen relevant, oder?

      • @Alfred E Neumann:

        Und wie haben sich dann die Menschen in Deutschland integriert, die gerade gegen den neuen Bildungsplan dort protestieren, weil der eben u.a. die Anerkennung homosexueller Patenschaften darstellt?

         

        Wenn das relevant ist, kann auch BaWü aus der BRD raus.

      • @Alfred E Neumann:

        Ja, unbedingt relevant. Aber nicht allein weil sie den Vorstellungen der Grünen nicht entsprechen. Die gewünschte, erwartetete bzw. leistbare Integration ist unabhängig von den grünen Erwartungen zu sehen. Sie sind nicht das Maß aller Dinge.

  • Ist mir relativ egal, wie groß die Aufgabe sein wird. Dann muss Deutschland und Europa eben eine dicke Scheibe des Wohlstands bzw. der Bequemlichkeit abgeben, ich will für keine einzige Abschiebung verantwortlich sein. Es wird irgendwie gehen müssen. Aus Angst vor "noch mehr Flüchtlingen" und "falschen Anreizen" nicht weiterhin für gute bzw. bessere Bedingungen für Flüchtlinge einzutreten kann nicht die Antwort dieses Landes sein.

    Wie oft muss man sich Patriotengeschwätz anhören das den Nationalstolz durch den Reichtum und Wohlstand dieses Landes gerechtfertigt sieht - nur wenn auf einmal andere teilhaben wollen an eben diesem Wohlstand, dann ist er plötzlich garnicht mehr da bzw. in absoluter Gefahr.

  • „Wir werden einen harten Konkurrenzkampf erleben um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, aber auch um Wohnraum mit dem unteren Fünftel der jetzigen Gesellschaft...“

     

    Einst hatten wir ein „unteres Drittel“. Jetzt haben wir nur noch ein „unteres Fünftel“. Wird ja glücklicher- und definitionsweise immer weniger. Aber wo ist eigentlich unten? Dort, wo einem die Menschen „am Arsch vorbeigehen“?

  • Hoffentlich wird der Winter in DE nicht so kalt wie der Herzen von PolitikerInnen.

    • @lichtgestalt:

      Schön geschrieben, das hoffe ich auch!

  • "Politisch Verfolgte genießen Asyl." - Kein gutes, sondern ein lediglich gut gemeintes, weil sehr falsches "Zitat": "Artikel 16a (1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." RECHT wohlgemerkt, nicht Gunst oder so etwas, Frau Maier. Das hätten Sie Herrn Palmer unter die Nase halten sollen. Obwohl das sicher auch nichts genützt hätte. Denn das Grundgesetz hat mit der "Realität", deren Test Herr Palmer seinen Verein ausgesetzt sieht, nichts zu tun.

    • @reblek:

      Sie sind doch sonst so rabulistisch. Dann subsumieren Sie auch mal sauber unter "Politisch Verfolgte".

  • Ich verstehe nicht, warum die Politiker Fluechtlinge immer nur als Belastung empfinden, und nicht als Chance.

    Ja, es kommen viele schlecht-qualifizierte, aber viele darunter waren im Herkunftsland Schneider, Schuster, Handwerker, haben kleine Essensstaende betrieben, alles Taetigkeiten die die Service-Wueste Deutschland so dringend braucht.

    Richtig angestellt koennen die Fluechtlinge ein Konjunkturprogramm fuer Deutschland bringen und die Lebensqualitaet deutlich verbessern. Die Bedingungen dafuer sind relativ einfach, z.B. die Schwellen herabsetzen, um sich mit einer Service-Taetigkeit Selbstaendig zu machen.

  • Solche klaren und ehrlichen Worte von einem grünen Bürgermeister zu hören ist erleichternd.

     

    > Derzeit sind über 70 Prozent der Flüchtlinge junge Männer, die ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft haben als wir Grüne.

     

    Ist für mich ein Schlüsselsatz.

    • @Nase Weis:

      Und Sie meinen, die Gesellschaft muss so aussehen, dass nur noch grüne Wertvorstellungen toleriert werden?

       

      Dann können wir ja die GED, die grüne Einheitspartei Deutschlands einführen.

  • wenn der herr Palmer nicht mehr weiterweiß, könnte er ja UNHCR bitten, die versorgung der kriegsflüchtlinge zu übernehmen.

    andere (staaten) kriegen das ja auch hin - statts die jeweiligen halben kontinente zu sicheren herkunftsländern zu erklären.

  • Eine der besten Stellungnahmen eines deutschen Politikers zur derzeitigen Zuwanderungsproblematik. Herr Palmer scheut sich nicht, den Pfad der politischen Korrektheit zu verlassen und die Realitäten, die uns nach der Willkommenskultur erwarten, beim Namen zu nennen. Ich wünsche mir viel Unterstützung für die Ansichten Herrn Palmers, nicht nur in seiner Partei, sondern bei allen politisch Handelnden. Nur so ist einem Stimmungsumschwung in der Mitte unserer Gesellschaft zu begegnen.

    • @Hans-Georg Breuer:

      Das sehe ich ganz genauso. Natürlich kann man die ganze Zeit von Chancen reden oder Deutschland aus welchen Gründen auch immer (geschichtlichen, allgemein wohlstandsbedingten) eine besondere Verantwortung zuweisen. Ich sehe aber z.B. die Integration der in früherer Zeit eingewanderten und selbst der hier geborenen Moslems keineswegs als Erfolgsgeschichte an. Da ist ein deutlicher konservativer Backlash zu beobachten, natürlich zum Teil auch wegen des Versagens der deutschen Politik. Daher ist mir nicht recht klar, woher man den Optimismus bei der jetzigen Flüchtlingsbewegung nimmt, die ja zu großen Teilen aus muslimischen Nationen kommt, die sich seit Jahren im Bürgerkrieg befinden und ebenfalls den genannten Backlash erlebt haben.