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Boom der ElektrofahrzeugeMentaler Kipppunkt beim E-Auto

Deutschland diskutiert über Diesel-Fahrverbote, schon steigt der Absatz von Elektro-Kfz rasant an. Die Revolution findet allerdings in China statt.

Der neue Nio ES8, ein E-Auto, natürlich aus China Foto: ap

Berlin taz | Man könnte jetzt natürlich behaupten, dass der Absatz von Elektroautos in Deutschland geradezu explodiert ist – aber das wäre ziemlich übertrieben. Trotzdem tut sich was. „Wir haben bei der Elektromobilität schon so einen mentalen Kipppunkt erreicht“, erklärt Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.

Grund dieser Aussage sind die neuen Absatzzahlen für Elektroautos und Plug-In-Hybride (Kombi aus E-Auto und Verbrenner) in Deutschland: Genau 36.849 waren es von Januar bis September 2017. Das macht 1,4 Prozent aller neu zugelassenen Autos aus. Das sei nach wie vor nur eine quasi homöopathische Dosis, sagt Bratzel – aber das satte Plus von 113 Prozent mehr neuer E-Autos als im Vorjahreszeitraum zeigt, dass etwas passiere.

Vor allem die Diskussion um Fahrverbote für Diesel habe zu dem Anstieg geführt, dazu kommen die neuen Fördergelder für E-Autos, so Bratzel zu taz. Gleichzeitig würden immer weniger Diesel und immer mehr Benziner verkauft, gleichzeitig immer mehr der geländewagenähnlichen SUVs. Das sind schwere Spritschlucker. Insgesamt gebe es also weniger Diesel- und mehr Benzin-Kfz, dadurch steige auch der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr, sagt Bratzel.

Dieser weit verbreiteten Darstellung – der Diesel sei besser für das Klima als der Benziner – widerspricht allerdings der Brüsseler ThinkTank Transport & Environment. In einer kürzlich veröffentlichten Studie kamen die Experten zu dem Schluss, dass Diesel über die gesamte Lebensdauer gerechnet eindeutig schädlicher für das Klima seien, weil bei der Produktion von Fahrzeugen und Dieselkraftstoff höhere Emission anfielen. Elektroautos würden, betrachtet man ihre gesamte Lebensspanne, 45 Prozent weniger CO2 verursachen als ein Diesel, wenn man die Stromautos mit dem gegenwärtigem deutsche Strommix betankt.

Durchbruch nach 2020

Bratzel warnt indes vor zu großer Euphorie in Sachen Elektromobilität. Vieles sei noch ungeklärt: Etwa, wie die Rohstoffe für die E-Autos fair beschafft werden können. Auch die Infrastruktur zum Laden der Fahrzeuge fehle noch. Erst nach 2020 sei genauer abzusehen, wie schnell den Fahrzeugen der Durchbruch gelinge. Bratzel hat dazu bereits mehrere Szenarien errechnet: 2030 könnte der Anteil von Elektrofahrzeugen danach weltweit 25 bis 40 Prozent der Neuzulassungen ausmachen.

Grafik: Infotext-Berlin.de

Derzeit preschen vor allem zwei Nationen vor: Norwegen und China. In Norwegen sind mittlerweile 37 Prozent der neu verkauften Fahrzeuge elektrisch – so viele, dass dort mittlerweile das Stromnetz an seine Grenzen stößt. China wiederum schreibt ab 2019 allen Herstellern vor, dass jedes zehnte verkaufte Fahrzeug elektrisch sein muss, die Quote steigt danach weiter an. In diesem Jahr sind in China bereits 400.000 Elektroautos verkauft worden, was einem Marktanteil von zwei Prozent entspricht. In absoluten Zahlen bedeuten die neuen Vorgaben, dass 2019 in China zwei Millionen Elektroautos abgesetzt werden.

Diese Revolution ist eine rein chinesische: Unter den 20 meistverkauften Modellen ist mit Tesla nur ein ausländischer Hersteller. Deutsche Autobauer sind nicht auf der Liste dabei.

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21 Kommentare

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  • Einfach weniger fahren, außer mit dem Fahrrad.

  • "...mit dem gegenwärtigem deutsche(n) Strommix". Der gegenwärtige Strommix wird durch die gegenwärtigen Verbraucher vollständig verbraucht. Jeder weitere Abnehmer verbraucht ausschließlich Brückenstrom (= Kohlestrom). Da ist mir jeder Benziner/ Gas/ Wasserstoff lieber.

  • "Elektroautos würden, betrachtet man ihre gesamte Lebensspanne, 45 Prozent weniger CO2 verursachen als ein Diesel, wenn man die Stromautos mit dem gegenwärtigem deutsche Strommix betankt."

    Und wie sähe das im Vergleich mit Bahn & ÖPNV aus? Was ist mit dem weiteren Aufwand an Ressourcen, Landschadtsfläche und Energie bspw. für die Infrastruktur?

    Apropos mentaler Kipppunkt - wie sieht es eigentlich mit dem Zusteuern auf Klimawandelkipppunkte aus? Können E-Autos wirklich eine Lösung sein, die eine unumkehrbare Zuspitzung Klimawandels abwendet?

  • Diese "Studie" ist absurd. Zitat (https://www.transportenvironment.org/sites/te/files/2017_09_Diesel_report_final.pdf, Seite 4): "an average diesel car produces over 3 tonnes more CO2 than petrol over its lifetime

    . This is due to:

    higher mileage (4% more due to cheaper diesel fuel, or rebound effect"

    D.h., analysiert wird NICHT wieviel CO2 auf 1000 km zurückgelegte Strecke freigesetzt werden, sondern pro Auto,. D.h. wenn ein Taxifahrer mit seinem Diesel täglich grosse Strecken

    ("higher mileage")

    zurücklegt, dann setzt er insgesamt natürlich mehr CO2 frei, als ein Benzin-SUV, der nur am Wochenende bewegt wird. In der Logik dieser Studie wäre so ein SUV also besser als ein Diesel. Der Denkfehler: Wenn die typischen Diesel-Vielfahrer von Diesel auf Benzin oder Gas oder e-Auto umsteigen, dann würden sie ja nicht deshalb weniger fahren. Das ein Dieselauto im Laufe seines Lebens durchschnittlich mehr km zurücklegt, als ein Benziner, ist daher überhaupt kein Argument für die These, Diesel sei weniger klimafreundlich als Benzin.

  • Ich habe mich zunächst für einen s.g. Plug-In-Hybriden entschieden, mit dem ich jedoch bislang meinen Streckenkosmos rein elektrisch (Ökostrom) abfahren kann. Mit meiner Kaufentscheidung bin ich im hiesigen engen und weiten Kreis der Menschen, die sich dies leisten können und gegenwärtig oder in naher Zukunft ein neues Auto brauchen, allein.

    Der O-Ton lautet, man traue sich da nicht heran. Nähere Gründe können nicht genau benannt werden, oder als Ausweichen identifiziert werden. Man wartet mit dem Schwimmen, bis man wirklich nicht mehr den Boden mit den Füßen berührt.

    Leider werden wir auch hier von der Politik belogen, denn der Ertrinkensprozess hat schon längst begonnen.

  • Wenn Elektroautos Konkurrenzfähig wären ( Preis, KM Leistung, Stromnetz ) hätte sie sich von alleine auf dem Markt durchgesetzt. Vor 30 Jahren haben die Grünen ja schon versucht den Automarkt mit ihrem Vorschlag 5.- DM/l Benzin zu schädigen.

    Warum werden beim Umweltschutz immer die heiligen Kühe Fliegen und Schifffahrt ausgenommen.

    • @Günter Witte:

      Die Chinesen werden ab 2019 den europ. Autoherstellern die Marschrichtung vorgeben u. auch die Modellpalette. Ganz sicher.

    • @Günter Witte:

      "den Automarkt schädigen"...Herr, wirf Hirn...ach vergiss es.

      Ja, genau das wollten die bösen Grünen: den heiligen Automarkt schädigen. Und uns armen Menschen schaden, unser Geld wollten sie. Damit sie sich ein dickes SUV kaufen können. Oder so.

       

      LANGFRISTIG ist das E-Fahrzeug die einzig mögliche Lösung. Und schon jetzt kann man sehr viel damit machen - aber wer immer nur das Negative sucht ist sowieso beratungsresistent. Hauptsache, die Karre läuft.

      • @Mitch Miller:

        Realistisch oder Weltfremd, das ist hier die Frage.

        Das E-Auto wird genauso eine Totgeburt wie im Jahr 2000 das EEG.

        Hoch Subventionierte Stromversorgung, deren Kosten vor allem von normalen Haushalten bezahlt wird. Wir haben mit die höchsten Strompreise in EU.

        Und warum bedingungslos Werbung für E-Auto , was ist mit Wasserstoff

        • @Günter Witte:

          Klar ist das EEG eine Totgeburt. Es brachte überhaupt nichts. Regenerative Energien haben keinen Marktanteil und sind dadurch auch nicht konkurrenzfähig geworden. Ich wünsche Ihnen ein weiteres schönes Leben in Ihrer Welt.

          • @Velofisch:

            Was heißt Konkurrenzfähig?

            Im Sommer verschenken wir Solarstrom , bezahlen für zeiten in denen Windräder Stillstehen, aber wir haben ja rundum in Europa Atomkraftwerke wo wir unseren Strom kaufen können. Wenn wir unsere Energie nicht mehr selbst decken können, müssen wir jeden Preis zahlen der verlangt wird, und bei einer Katastrophe haben wir ja Grenzen die uns schützen.

            • @Günter Witte:

              "Wenn wir unsere Energie nicht mehr selbst decken können"

               

              Wie kommen Sie den auf diese absurde Überlegung? Vor 2002 haben wir noch Strom importiert. Seit dem EEG folgt ein Rekordjahr auf das andere beim Deutschen Stromexport.

               

              Die Probleme beim EEG haben die letzten Merkel-Regierungen zu verantworten.

               

              Mit den Grünen wären wir mit der Energiewende schon viele Jahre weiter und die EEG Umlage wäre für Privathaushalte auch nicht so hoch - das ist ein Ergbnis der merkelschen Industriesubventionspolitik.

  • Nur 45% weniger CO2-Emissionen durch E-Autos? So wird das nichts mit der Verkehrswende. Der Verkehrssektor kann seine Klimaziele nur mit einem Umstieg auf E-Autos nicht erreichen, vor allem wenn man bedenkt, dass die Autos nach wie vor mit jedem Modellwechsel breiter und schwerer werden. Zur Erinnerung: Der Verkehrssektor legt derzeit immer noch zu mit den CO2-Emission, an eine Reduzierung, gar um 40%, ist überhaupt nicht zudenken.

     

    Ich denke, nur mit einem Umstieg auf wirklich umweltfreundliche Verkehsmittel wie Bus & Bahn, Fahrrad und Fußverkehr können wir unsere Ziele erreichen

    • @Erich Lerch:

      Letzteres wird leider nicht flächendeckend und umfänglich genug umzusetzen sein, allein schon die extrem steigenden Immobilienpreise laufen dem stark zuwider: die Leute müssen auf's Land, wenn sie bezahlbaren Wohnraum haben wollen. Und da fährt nun mal die Bahn nicht hin. Und wenn, steigen dort gleich wieder die Preise.

       

      Bahn und Fahrrad bleiben also für die nächsten Jahrzehnte eine nett gemeinte Utopie, wir brauchen einen lebensraumfreundlichen Individualverkehr. Abgesehen von den notwendigen Strassen ist das machbar mit E-Fahrzeugen - NUR damit.

  • Die wirkliche Revolution findet woanders statt: NIU hat ein Werk für 1,5 Mio. Fahrzeuge pro Jahr und fährt momentan noch auf nicht ein mal einem Viertel der Kapazität. Und das obwohl es in China schon in vielen Gegenden Fahrverbote für konventionelle Mopeds gibt.

  • E-Autos sparen nur ca. die Hälfte der CO2-Emisionen gegenüber den "normalen" KFZ?

     

    Das sollte doch jedem klarmachen, dass mit der sogenannten E-Mobilität die CO2-Emissionen des Verkehssektor nicht gesenkt werden können. Zur Erinnerung: Der Verkehrssktor legt derzeit munter weiter zu, an eine Reduzierung um 40% ist überhaupt nicht zu denken.

     

    Ohne einen Umstieg auf wirklich umweltfreundliche Verkehrsmittel, wie Bus&Bahn, Fahrad und Fußverkehr wird nicht nur der Verkehssektor seine Klimaziele nicht erreichen; auch unsere gesamten Klimaziele werden wir ohne echte Verkehswende nicht erreichen

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Erich Lerch:

      ...vom Prinzip her richtig, Umstieg auf Bahn & Bus etc., nur, wie lange dauert es, bis der Umstieg geschafft ist? Ist er überhaupt jemals zu schaffen, wenn ein Großteil der Menschen in diesem Lande ausser Haus gehen muss, um an ihren Arbeitplatz zu gelangen? Ich wohne auf dem Lande, ca. 15 km von München entfernt. Mit den sog. Öffentlichen brauche ich teilweise 2 Stunden, bis ich in der Stadt bin. Da dem so ist, ist es auch klar, dass viele der Einfachheit halber mit dem Auto fahren.

      Wollen wir weg vom Auto, brauchen wir einen Mix aus individueller EMobilität und effektivem öffentlichen Nah- und Fernverkehr.

  • Das Elektrofahrzeug für Deutschland wird genau so ein Desaster wie das "Schnelle Internet"!

    Da der Ausbau der Ladestationen höchstwahrscheinlich an die Energieversorger delegiert wird, oder aber an die Mineralölkonzerne, werden die Verbraucher wieder extrem zur Kasse gebeten, so dass es im Endeffekt so aus sehen wird, dass das Autofahren noch teurer wird als es jetzt schon ist.

     

    Man kann das zur Zeit wunderbar beim Internet nach verfolgen, wie man abgezockt wird!

    Erst in dieser Woche habe ich wieder einen Riesen Disput mit meinem Internetanbieter über die Leistungsbereitstellung gehabt. Ich musste feststellen, dass die Leistung meines Anschlusses nicht dem Vertrag entspricht, weil ich ein neues Gerät bekam, mit dem ich die Leistung effektiver überprüfen konnte.

    Die Leistung die an meinem Anschluss ankam entsprach gerade einmal ein drittel dessen, welches laut Vertrag hätte sein sollen.

    Erst nach einer Einwöchigen permanenten Drohung ihn zu verklagen, wurde die Leistung auf Vertragsniveau erhöht!

     

    Genau diese Gebaren der Zulieferer des Ladestromes für Elektrofahrzeuge setze ich bei den zukünftigen Stromverträgen für die Heimversorgung voraus.

    Ebenfalls ist davon auszugehen, dass Ladestationen im öffentlichen Raum mit erhöhten Kosten gegenüber des normalen Strompreises betrieben werden.

    Die Preise werden ein vielfaches dessen betragen, welches noch akzeptabel wäre!

     

    Die Politik wird sich genauso raus halten wie schon beim Internet, wo gestattet wird, dass mit allen Tricks gearbeitet wird, wie beim VDSL der Telekom!

     

    Der Elektroantrieb wird eine Turbo - Einnahmequelle der Anbieter werden!!!

    • @urbuerger:

      Und Sie glauben ernsthaft, dass das bei den fossilen Antrieben nicht schon seit Jahrzehnten so ist? Ich muss lachen. Wie blind man doch wird, wenn man nur lange genug geblendet wird...

       

      Im Gegenteil: es wäre schön, wenn man damit viel Geld verdienen kann, das nennt sich Wirtschaft. Und nur DANN wird daraus ein Erfolg. So läuft es, und wir profitieren davon sogar mehrfach: lebenswerte Städte und Arbeitsplätze.

      • @Mitch Miller:

        Schön, dass sie eine eigene Kraftstoffzapfstelle für ihren Verbrenner zu Hause haben, Wenn sie richtig, ohne den Willen etwas bösartiges von sich zu geben, gelesen hätten, geht es um die Heimladestation für E -Fahrzeuge.

        Denn es wird sicher einen besonderen Standard dafür geben, so dass die Energielieferer spezielle Tarife für den Privatsektor erstellen kann.

        Überlegen sie doch mal, wie sehr man jetzt schon im privaten Bereich stärker belastet wird als Wirtschaft und Industrie!!

        • @urbuerger:

          Natürlich wird der private Bereich stärker belastet als die Wirtschaft. Denn wer hat hier die Macht? Doch das ist ein Problem des Kapitalismus und keines der Elektromobilität. Was die Versorger betrifft, wenn es um den Liter Milch geht, kann der gar nicht billig genug sein, der Versicherer wird jährlich gewechselt. Doch viel zu viele bleiben im Grundtarif. Da sehen die Elektroversorger keinen Grund, die Preise zu senken.