Bombenattentat in Moskau: Anschlag mit Sprengkraft
General Kirillow wird in Moskau von einer Bombe getötet. Verantwortlich ist womöglich der ukrainische Geheimdienst. Russland spricht von Terror.
Ein Elektro-Roller als tödliche Waffe: Der russische Generalleutnant Igor Kirillow ist am Dienstagmorgen gegen sechs Uhr morgens bei einer Bombenexplosion getötet worden. Ort des Geschehens: der Rjasanski-Prospekt im Südosten Moskaus. Bei der Detonation des selbst gebastelten Sprengsatzes, der in dem Roller versteckt war, kam auch Kirillows Adjudant Ilja Polikarpow ums Leben.
Zu der Explosion kam es, als Kirillow gerade das Haus verlassen hatte, um sich zur Arbeit fahren zu lassen. Angaben der russischen Zeitung Kommersant zufolge soll das explosive Gemisch eine Sprengkraft von 300 Gramm TNT gehabt haben. Es soll mutmaßlich durch das Signal eines Mobiltelefons gezündet worden sein. Mittlerweile haben die Behörden ein Strafverfahren wegen Terrorismus, Mord und illegalem Waffenhandels eingeleitet.
Unter Berufung auf ukrainische Geheimdienste berichtete das Nachrichtenportal Ukrainska Pravda, dass der Anschlag eine Spezialoperation des ukrainischen Geheimdienstes SBU gewesen sei. „Kirillow war ein Kriegsverbrecher und ein absolut legitimes Ziel, weil er den Einsatz chemischer Waffen gegen ukrainische Soldaten befohlen hat“, so die Aussage der anonymen Quelle.
Kirillow ist laut Angaben der Webseite Waschnije istorii – in Russland als unerwünschte Organisation und „ausländischer Agent“ gelabelt – der bislang ranghöchste russische Militär, der seit dem Beginn von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 im Hinterland getötet wurde.
Der 54-Jährige absolvierte die Militärschule und -akademie in Kostroma für Truppen zum Schutz vor chemischen, nuklearen und biologischen Waffen (RCHBZ). Von 2012 bis 2017 leitete er die Akademie, danach übernahm er das Kommando der RCHBZ. Ab dem 22. Februar 2022 trat er regelmäßig bei Briefings auf, bei denen er die USA und die Ukraine beschuldigte, biologische Waffen einzusetzen. Diese seien in geheimen, in der Ukraine befindlichen Laboren für biologische Kampfstoffe hergestellt worden.
Im Juni 2022 behauptete Kirillow, in ebenjenen Laboren fänden Versuche mit Viren statt, die mithilfe von Mücken Krankheiten wie Dengue-, Zika- und Gelbfieber übertragen könnten. Die USA planten angeblich, mittels einer Drohne infizierte Mücken in bestimmte Gebiete zu bringen, um dort das russische Militär zu treffen.
Gerüchte um „schmutzige Bombe“
Kirillow war es auch, der das Gerücht in die Welt setzte, die Ukraine arbeite am Bau einer „schmutzigen Bombe“. Dafür würden abgebrannte Kernbrennstäbe verwendet, die europäische Staaten zwecks Entsorgung in die Ukraine lieferten.
Im Oktober 2023 hatte unter anderem Großbritannien Kirillow auf seine Sanktionsliste gesetzt. Zur Begründung hieß es, er überwache den Einsatz chemischer Waffen in der Ukraine und trete als Sprachrohr der Desinformation des Kreml auf.
Am vergangenen Montag hatte der SBU gegen Kirillow ein Strafverfahren eingeleitet, da er für den massenhaften Einsatz verbotener Chemiewaffen und der östlichen und südlichen Front in der südlichen Ukraine verantwortlich sei. Laut der ukrainischen Spionageabwehr seien seit Kriegsbeginn 4.800 Einsätze chemischer Waffen durch den Feind dokumentiert worden.
Russische Blogger, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützen, bezeichneten Kirillows gewaltsames Ableben als schmerzlichen Schlag. „Die Ermordung des Chefs der ABC-Schutztruppen in Moskau verdeutlicht einmal mehr, dass egal welche Erfolge wir auf dem Schlachtfeld erzielen, egal wie viel Euphorie herrscht und egal, wie viel wir darüber reden, eine Initiative abgefangen zu haben: Die andere Seite hat immer die Möglichkeit, schmerzhaft zuzustechen“; heißt es auf dem Telegramsender „Rybar“, der dem russischen Verteidigungsministerium nahesteht.
Auch die Sprecherin des Moskauer Außenministeriums, Maria Sacharowa, äußerte sich zu dem Ereignis vom Dienstag. Kirillow habe stets furchtlos gearbeitet und sich nie hinter dem Rücken anderer versteckt. Er habe sich mit offenem Visier bewegt, für die Heimat und die Wahrheit, sagte sie.
Kirillow ist nicht der erste Militär bzw. Kreml-Propagandist, der in diesem Krieg einem Anschlag zum Opfer fällt. Vor einer Woche wurde der Ingenieur Michail Schatsky in einem Wald außerhalb von Moskau erschossen. Er hatte an der Entwicklung von Cruise Missiles vom Typ Kh-59 und Kh-69 mitgewirkt, die russische Truppen bei Luftangriffen auf die Ukraine einsetzen. Im April vergangenen Jahres war der russische Militärblogger Wladlen Tatarski bei einer Explosion in einem St. Petersburger Café ums Leben gekommen.
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