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Biobäuerin über Regeln für „Genfood“„Meine Lebensmittel sollen gentechnikfrei bleiben“

Pola Krenkel sorgt sich, wie sie weiterhin Nahrungsmittel ohne Gentechnik anbieten kann. Denn die EU erwägt, die Kennzeichnungspflicht zu lockern.

Gentechnik oder nicht? Ein reifer Maiskolben Foto: Michael Bihlmayer/imago

Interview von

Jost Maurin

taz: Frau Krenkel, am Mittwoch wollen sich die EU-Institutionen auf eine Lockerung der Regeln für viele Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen einigen. Zahlreiche mithilfe neuer Gentechnikmethoden wie Crispr/Cas hergestellte Nahrungsmittel sollen künftig weder gekennzeichnet noch geprüft werden. Wie finden Sie das als Biobäuerin?

Pola Krenkel: Ich finde das natürlich blöd, weil ich als Biobäuerin weiterhin gentechnikfreie Nahrungsmittel produzieren will. Meine Lebensmittel sollen gentechnikfrei bleiben. Ich weiß nicht, wie ich das noch garantieren kann, denn durch Wind, Insekten oder Vögel kann Saatgut weitergetragen werden. Wir haben außerdem Angst, dass die Mehrkosten, die entstehen, um gentechnikfreie Produktion weiterhin sicherzustellen, am Ende bei uns Bäuerinnen und Bauern hängen bleiben.

taz: Gibt es nicht weiterhin Sicherheitsabstände oder andere Vorschriften, die verhindern sollen, dass gentechnisch verändertes Saatgut auf andere Felder driftet?

Krenkel: Man kann die Natur nicht kontrollieren. Hier im Süden ist die Landwirtschaft kleinteiliger strukturiert als im Norden. Konventionelle und Bioflächen liegen dicht beieinander. Da stelle ich mir das sehr schwierig vor.

Bild: privat
Im Interview: Pola Krenkel

Die 29-Jährige ist Landwirtschaftsmeisterin für Öko-Landbau. Sie arbeitet auf dem Demeter-Milchvieh-Hof ihrer Schwiegereltern im Allgäu. Krenkel hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Nicole Schmitt auf der Plattform „WeAct“ eine Onlinepetition gegen die Reform der Regeln für die Neue Gentechnik initiiert. Die Petition hat mehr als 130.000 Unterschriften bekommen und wird etwa von Bioverbänden und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft unterstützt.

taz: In der Bio-Landwirtschaft wären nach dem Gesetzesvorschlag aber weiterhin alle Gentechnikpflanzen verboten. Reicht Ihnen das nicht?

Krenkel: Das muss dann auch praktisch umsetzbar sein. Es muss klar geregelt werden, wie das funktionieren soll. Bisher sehe ich da nicht viel.

taz: Gentechnisch veränderte Pflanzen können anders als konventionelle patentiert werden. Warum ist das für Sie ein Problem?

Krenkel: Dadurch, dass wir nicht kontrollieren können, ob das Saatgut auf unsere Flächen fliegt, müssten wir dann eine Strafe zahlen. Oder das Saatgut bezahlen, das wir gar nicht bestellt haben? Das wollen wir nicht. Außerdem: Das sind dann wieder große Firmen, die viel in der Hand haben: BASF und Bayer zum Beispiel. Das ist grundsätzlich schwierig. Die machen ja jetzt auch den Druck, die wollen die Deregulierung der neuen Gentechnik.

taz: Deshalb hat das EU-Parlament in seinem Vorschlag von April 2024 ein Verbot von Patenten auf die meisten Pflanzen der neuen Gentechnik aufgenommen. Beruhigt Sie das?

Krenkel: Das kann die EU gar nicht allein durchsetzen, weil dafür internationale Verträge geändert werden müssten, zum Beispiel das Europäische Patentübereinkommen. Und ob sich der Vorschlag des Parlaments durchsetzt, ist ja auch unklar. Der Rat fordert so etwas gar nicht erst.

taz: Was würde die Reform für Verbraucher bedeuten?

Krenkel: Sie wissen nicht mehr, was sie auf den Teller bekommen. Denn sowohl bei der konventionellen Ware, als auch der ökologischen wäre nicht mehr klar, ob es gentechnisch veränderte Lebensmittel sind. In einer Umfrage haben sich 79 Prozent der Menschen für eine klare Kennzeichnung ausgesprochen.

taz: Was ist Ihrer Meinung nach so gefährlich an der Gentechnik in der Landwirtschaft?

Krenkel: Solche Eingriffe in die Umwelt haben immer Folgen. Wir wissen nicht, was es für Folgen hat, weil diese nicht genug erforscht sind.

taz: Kann man mit der Gentechnik den Hunger bekämpfen?

Krenkel: Das sehe ich nur bedingt. Auch die Welternährungsorganisation FAO ist dieser Meinung. Als Biobäuerin bin ich nicht für Monokulturen, sondern für Diversität. Die Gentechnik geht ja immer in die Richtung der großen, intensiven Landwirtschaft. Einzelne Pflanzen werden verändert, nicht viele verschiedene Sorten, die werden dann gefördert und großflächig angebaut.

taz: Die Befürworter versprechen sich von der Technik zum Beispiel mehr Getreide, das besser mit der Klimakrise klarkommt. Finden Sie das überzeugend?

Krenkel: Das klingt erst mal gut. Und es gibt auch Wissenschaftler, die sich für die neue Gentechnik aussprechen, wobei da auch viel Druck seitens der Fördergeldgeber kommt. Ich vertraue auf die wissenschaftlichen Stimmen, die sich dagegen aussprechen wie die Fachstelle für Gentechnik und Umwelt und das Bundesamt für Naturschutz.

taz: Glauben Sie, dass die Gentechnik es überhaupt schafft, solche Superpflanzen gegen die Klimakrise zu erzeugen?

Krenkel: Nicht wirklich. Denn selbst wenn die Methode der Genschere Crispr/Cas einen viel schnelleren Züchtungserfolg möglich macht, sagen selbst Experten, dass Eigenschaften wie Trockenresistenzen zu komplex sind. In den USA ist die Gentechnik schon lange dereguliert, und trotzdem sind dort kaum solche Pflanzen auf dem Markt.

taz: Wenn die EU-Institutionen ihre Verhandlungen abgeschlossen haben, muss der Ministerrat formal über das Ergebnis abstimmen. Wie sollte sich der deutsche Agrarminister Alois Rainer (CSU) dabei verhalten?

Krenkel: Deutschland sollte dagegen stimmen oder sich zumindest enthalten. Und wenn die Reform doch durchkommt, wollen wir, dass der Staat uns Biobauern mit den Mehrkosten nicht alleinlässt.

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