Bewegungstermine in Berlin: Für offene Straßen und Grenzen

Rechtsextreme Diskurse werden für queere, geflüchtete und aktivistische Menschen immer gefährlicher. Was tun? Solidarisch in die Offensive gehen.

Teilnehmer des Queer-Liberation-Marsches ziehen durch die Stadt. Sie schwenken Fahnen und stehen vor einem Banner mit der Aufschrift "WE RESIST".

2019 in New York. Dort wie hier gilt: Kämpfen für Vielfalt heißt Kämpfen gegen Rechts­ex­tre­mis­ten Foto: picture alliance/dpa/AP/Seth Wenig

Berlinweit kam es in den vergangenen Wochen vermehrt zu queerfeindlichen Angriffen. Am vergangenen Montag verübte ein Serientäter einen Brandanschlag auf die Räumlichkeiten von Rad und Tat (RuT), einer Initiative lesbischer Frauen, in Neukölln. Nahezu zeitgleich und quasi nebenan wurden Scheiben mit homofeindlichen Bibelzitaten am linken Infoladen Lunte entdeckt.

Mitte Juli bedrängte eine mit Flaschen bewaffnete Gruppe Neonazis des „Dritten Weg“ Feiernde beim Christopher Street Day (CSD). Auch darüber hinaus gab es im Juli zahlreiche Berichte über vereinzelte gewaltsame Übergriffe. Einer ereignete sich in der Reichenberger Straße in Kreuzberg. Zwei Menschen wurden ihren Aussagen zufolge zuerst beleidigt und dann brutal angegriffen. Beide mussten ins Krankenhaus. Die Täter haben fliehen können. Zeu­g*in­nen habe es viele gegeben, kei­ne*r sei eingeschritten.

Die Halbjahresauswertung des Berliner Registers Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt diesen traurigen Trend: Wurden von Januar bis Juni 2022 noch 7 LGBTQIA*-feindliche Vorfälle gemeldet, waren es im gleichen Zeitraum 2023 bereits 25. Mehr als die Hälfte davon waren tätliche Angriffe, knapp ein Viertel Bedrohungen und Beleidigungen.

Nach möglichen Ursachen braucht man im Internet nicht lange zu suchen. Schon seit Jahren hetzten Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen hier verstärkt gegen queere Menschen und Communitys und verherrlichen LGBTIQ*-feindliche Gewalt. Gerade in den letzten Monaten und Wochen gelingt ihnen dabei zunehmend der Schulterschluss mit An­ti­fe­mi­nis­t*in­nen und konservativen Ver­tre­te­r*in­nen der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ – nicht zuletzt zu sehen in den Debatten um das schwarz-rot-beschissene Hashtag „Stolzmonat“.

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Demo gegen queerfeindliche Gewalt

Geübt in Opfer-Täter-Umkehr, warnen Prot­ago­nis­t*in­nen dieses bereits historisch brandgefährlichen Bündnisses vor einem „Kulturkampf von Oben“. Der Gesellschaft, so das Argument, soll eine Gender-Ideologie „aufgezwungen“ werden. Queere Menschen bräuchten sich demnach nicht zu wundern, wenn sich diejenigen, die das nicht wollten, „am Ende wehren“.

Durch die Blume werden die Selbstverteidigungsreflexe all jener angesprochen, die noch in alten Genderbildern festhängen und Angst vor Statusverlust haben. Ihnen wird vermittelt: „Es ist legitim, wenn ihr euch wehrt; wenn ihr bedroht, beleidigt, zuschlagt.“ Dass gerade die alte, patriarchale und heteronormative „Normalität“ der wirkliche Kulturkampf von oben war und ist, wird dabei gekonnt verschleiert.

Um solch gefährlichem Unfug etwas entgegensetzen, und in Solidarität mit den Betroffenen des Angriffs in der Reichenberger Straße, zieht die „We fight back! Demo gegen queerfeindliche Gewalt“ am Donnerstagabend durch Kreuzberg. Das Motto: „Wir lassen uns von An­ti­fe­mi­nis­t*in­nen und Homofeinden nicht einschüchtern. Das ist unser Kiez, das ist unsere Straße!“ Aufgerufen sind explizit auch solidarische Menschen, die zeigen wollen, dass sie „es satt haben, Angst um uns, unsere Freund*innen, Ge­nos­s*in­nen und Familie zu haben.“ (Donnerstag, 17. August, 18 Uhr, Spreewaldplatz).

Kundgebung für offene Grenzen

Die ideologische Querfront aus Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen und Konservativen formiert sich nicht nur gegen queeres Leben. Besonders im Fokus stehen immer wieder Mi­gran­t*in­nen und Menschen auf der Flucht. Asyl- und Grenzpolitiken verschärfen sich zusehends, die öffentliche Debatte ist oft verroht und rassistisch.

Auch hier gilt es dagegenzuhalten und in die Offensive zu kommen, besonders vor dem Hintergrund der Klimakrise, einer immer häufigeren Fluchtursache. Zum Tag der offenen Türen der Bundesministerien ruft ein Zusammenschluss aus Antira- und Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen deshalb auf, gemeinsam gegen die Klima- und Asylpolitik der Bundesregierung zu protestieren und zu fordern: „Offene Türen? Offene Grenzen! Klimakrise als Asylgrund anerkennen!“ (Sonntag, 20. August, 13 Uhr, Innenministerium, Alt-Moabit 140).

Infoveranstaltung zum „Kriminalisierungsparagrafen“ 129

Stichwort Klima. Auch in diesem Themenfeld gibt es gemeinsame Feindbilder von Konservativen und Rechtsextremist*innen. Immer brandmarken sie Menschen öffentlich als Klimaterrorist*innen, die sich mit zivilem Ungehorsam gegen die Klimakrise einsetzen.

Ein aggressives Framing, das erst kürzlich die bayerische Polizei zu einem peinlichen und doch gefährlichen Alleingang gegen Ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation veranlasst hat. Mit Verweis auf den Paragrafen 129 Strafgesetzbuch, „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, wurden Wohnungen durchsucht und Telefone abgehört.

Was es mit dem Paragrafen auf sich hat, der auch in antifaschistischen und kurdischen Kontexten oft zur Einschüchterung und Kriminalisierung von Ak­ti­vis­t*in­nen genutzt wird, erklärt die Interventionistische Linke (iL) in einer Infoveranstaltung in der B-Lage. (Dienstag, 22. August, 19 Uhr, Mareschstraße 1).

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Jahrgang 1989. Schreibt seit 2022 für die taz, besonders gerne über soziale Bewegungen und zu Gerechtigkeitsfragen. Studiert einen Mix aus Ökologie, Ressourcenökonomie, Politikwissenschaften und Kritischer Theorie in Berlin.

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