piwik no script img

Bewegungstermine in BerlinNicht entmutigen lassen

Die Razzien gegen die Letzte Generation sind nur der vorläufige Höhepunkt. Die Repressionswelle gegen die gesamte Klimabewegung wächst.

Schmerzgriffe gehören mittlerweile auch zum Standardrepertoire Foto: dpa | Paul Zinken

E s ist eine absurde Situation: Während die Regierung kaum ernstzunehmende Schritte gegen die Klimakrise beschließt und regelmäßig ihre eigenen Ziele verfehlt, geht sie immer härter gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen vor, die sich gewaltfrei für einen lebenswerten Planeten einsetzen. Die Razzien gegen die Mitglieder der Letzten Generation am vergangen Dienstag zeigen, dass der Staat bereit ist, sämtliche Repressionsmöglichkeiten auszuschöpfen, die ihm zu Verfügung stehen.

Rechtlich möglich wurden die Razzien erst durch den Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs. Der auch als „Durchleuchtungsparagraf“ bekannte Absatz wird gerne genutzt, weil der Begriff „kriminelle Vereinigung“ sehr weit ausgelegt werden kann und allein schon der Verdacht den Ermittlungsbehörden umfassende Rechte zugesteht. Neben Durchsuchungen ermöglicht Paragraf 129 auch die systematische Überwachung des gesamten Umfelds aller Verdächtigten – ein Freihfahrtsschein, die gesamte Bewegung zu überwachen, auch wenn sich der „Verdacht“ am Ende wiedereinmal als unbegründet darstellt.

Aufällig sind auch die unverhältnismäßig harten Urteile, die Gerichte in letzter Zeit immer häufiger gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen fällen. Erst im November wurden zwei Ak­ti­vis­t:in­nen der Gruppe „Unfreiwillige Feuerwehr“ zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, nachdem sie im September kurzzeitig das Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde blockiert hatten. Anfang April wurde die Ak­ti­vis­t:in mit dem Decknamen Ella, die bei der Räumung des Dannenröder Forsts festgenommen wurde, zu 21 Monaten Haft verurteilt – weil sie während ihrer Räumung nach einem Polizisten getreten, aber nicht getroffen hatte.

In Bayern wurden etliche Ak­ti­vis­t:in­nen der letzten Generation 30 Tage lang in „Präventivhaft“ gesteckt, ohne dass ein Strafprozess dafür nötig ist – möglich macht es das erst 2017 verschärfte Polizeiaufgabengesetz. Begründet wurde die Ausweitung der Präventivhaft damals übrigens mit der Abwehr von Terrorgefahr.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Allrounder der Repression

„Aktuell gibt es kaum eine Repressionsmaßnahme, vor der die staatlichen Organe in ihrem Kampf gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung zurückscheuen“, resümiert eine Sprecherin des Roten Hilfe, einem Verein, der Rechtshilfe für linke Ak­ti­vis­t:in­nen leistet.

Ein positiver Nebeneffekt der wachsenden Repression ist, dass sich immer mehr Menschen mit der Letzten Generation solidarisieren. So finden die wöchentlich stattfindenden Vorträge, bei denen die Gruppe sich vorstellt und Möglichkeiten zeigt, selbst mitzumachen, immer mehr Interessierte. Vor Weihnachten gibt es noch einen weiteren Vortrag im Jugendwiderstandsmuseum in Friedrichshain. (Mittwoch, 21. Dezember, 19 Uhr, Rigaer Straße 9).

Viele Ak­ti­vis­t:in­nen aus der linken Szene sind aus eigener Erfahrung mit dem staatlichen Repressionsmaßnahmen vertraut. So ist auch der Paragraf „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ ein Allrounder, wenn es darum geht, hohe Geld- und Haftstrafen auf Demos zu verhängen. Eine harmlose Berührung und ein paar abgesprochene Aussagen – mehr benötigt es nicht, um ein Urteil zu erwirken. So findet am Mittwoch ein solches Verfahren am Amtsgericht gegen eine Ak­ti­vis­t:in statt, die im November 2021 nach einer Demo gegen Paragraf 129 festgenommen wurde. Die „Soligruppe No129“ ruft zu einer Kundgebung und solidarischen Prozessbegleitung auf (Mittwoch, Wilsnacker Straße 4, 10 Uhr).

Das auch die schärfste Repression Widerstand nicht verhindern kann, zeigt die Geschichte. Das Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“ klebte im Dritten Reich Flugblätter, half Flüchtlingen und leitete militärisch wichtige Informationen an die Sowjetunion weiter. 1942 wurde das Netzwerk aufgedeckt und 50 Mitglieder erschossen. Zum 80. Jahrestag der Hinrichtung veranstaltet der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Lichtenberg eine Gedenkveranstaltung (Donnerstag, 22. Dezember, 16:30, Platz der Roten Kapelle).

Spenden statt Schenken

Zu guter Letzt: Die beste Waffe gegen Repression ist Solidarität. Und da bald Weihnachten ist; Warum nicht Solidarität verschenken und anstelle eines Geschenks eine Spende überreichen? Hier ein paar Ideen:

Rote Hilfe: Der Klassiker. Unterstützt seit 1975 Ak­ti­vis­t:in­nen in Not bei Prozesskosten und Strafen.

Letzte Generation: Nach jeder Straßenblockade flattert meist ein Strafbefehl von mehreren hundert Euro ins Haus. Um diese Kosten zu stemmen, sind Spenden gerne gesehen.

Stronger Together: Die Situation an den EU-Außengrenzen ist immer noch katastrophal. Die EU schottet sich weiterhin mit roher Gewalt ab. Geflüchtete werden gefangen genommen, geschlagen und widerrechtlich zurückgeschickt. Um die größte Not zu lindern, sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe unterstützenswerter NGOs und Initiativen entstanden. Die Kampagne Stronger Together vereint 40 dieser Gruppen und ermöglicht, individualisierte Spendenaktionen zu erstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!