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BevölkerungswachstumMenschen als Gefahr

Gastkommentar von Georg Diez

Die Diskussion über ein nötiges Schrumpfen der Weltbevölkerung hat oft einen rassistischen Unterton. Und weniger Menschen sind auch keine Lösung.

Radikal weniger Menschen bringen radikal weniger Innovationen hervor Foto: Eugene Hoshiko/ap

G lauben Sie wirklich, sagte die Künstlerin, die ich neulich zum Tee traf, dass die Menschheit überleben sollte? Ich war kurz überrascht über die Direktheit der Frage; aber ich verstand, was sie meinte: Wenn die Menschheit gerade den Planeten zerstört, kann das Überleben des Planeten dann nicht besser gelingen ohne den Menschen?

Es war eine hypothetische Frage und doch sehr realistisch. Die Künstlerin ist, nach allem, was ich weiß, eine sehr menschenfreundliche Person – aber paradoxerweise muss sich in diesen Tagen der sich überlagernden Katastrophen gerade der Menschenfreund mit dem Ende der Menschheit ziemlich aktiv auseinandersetzen.

Am anderen Ende des moralischen wie politischen Spektrums sind es einzelne, sich gottgleich wähnende Individuen, die sich um das Überleben nicht der Spezies, sondern ihrer selbst sorgen – und alles dafür tun, ihr Leben auf diesem Planeten zu verlängern, am besten in die Unendlichkeit hinein. Bryan Johnson etwa, ein Tech-Milliardär, der im Podcast „The Immortals“ davon erzählt, wie er sich Blutplasma seines Sohnes injizieren lässt, um seinen Körper zu verjüngen.

Es gibt ein Foto der beiden mit bloßem Oberkörper: Johnson, der 46 Jahre alt ist, hat eine sehr ausgeprägte Brustmuskulatur und ist auch sonst sehr trainiert; sein Sohn hat ebenfalls sehr definierte Muskeln und schaut genauso selbstsicher in die Kamera wie sein Vater – es ist nicht allein die leicht riefenstahlhafte, von unten fotografierte Perspektive, die dem Bild etwas Faschistoides verleiht.

Die Weltbevölkerung wird schrumpfen

Es stellt sich die Frage danach, wie wir gemeinsam leben wollen – unter gänzlich anderen Bedingungen

Was bedeutet es also, wenn sich ein paar Superreiche um ihr ewiges Leben kümmern, während wir anderen langsam immer weniger werden? Denn das ist der eigentliche Trend, der erst einmal überraschend wirkt: Die Weltbevölkerung wird schrumpfen, so zeigt es die Recherche des amerikanischen Ökonomen Dean Spears, die er in der New York Times veröffentlichte – und das ist keine gute Nachricht.

Die Grafik, die seine Recherche illustriert, ist ziemlich eindrucksvoll: Der Anstieg der Bevölkerung ist rasant und exponentiell. Bis etwa 2085 wird die Weltbevölkerung weiterwachsen, auf dann zehn Milliarden Menschen. Danach aber, und das ist etwas unheimlich, wird sie ebenso rasant fallen – in 300 Jahren, so die Projektion, auf dann zwei Milliarden Menschen. Und zwar vor allem aus einem Grund: sinkende Geburtenraten.

Spears ist dabei kein kaltherziger Malthusianer (eine Theorie, wonach es nicht genug Nahrungsmittel für eine wachsende Bevölkerung gebe und diese zwangsläufig sinke, d. Red.) – gerade in Tech-Kreisen ist diese oft rassistisch konnotierte Sichtweise verbreitet, dass für das Überleben der Menschheit deren Schrumpfung notwendig sei und es die Verantwortung der Eliten sei, über die Opfer, Probleme, das Leiden der Gegenwart die Zukunft im Blick zu haben.

„Longtermism“ heißt diese Bewegung, die von einem antihumanitären Wahn unterlegt ist – im Zuge der zunehmenden Klimakatastrophen werden diese Diskussionen über den unterschiedlichen Wert von Leben mehr werden, oft unterlegt von wirtschaftlichen oder biologistischen Überlegenheitsfantasien: Individuelles und kollektives Überleben wird damit zu einer extrem politisierten Frage.

Ausbeutung ist die Gefahr

Wie kann man aber damit umgehen, dass eine Flutwelle mehr als 10.000 Menschen ins Meer und in den Tod spült, wie gerade in Libyen? Das Tückische ist dabei, dass der Bevölkerungsdiskurs oft dazu genutzt wird, vorgebliche Sorge oder sogar Menschlichkeit zu simulieren – Bevölkerungswachstum, wird oft gesagt, sei das eigentliche Problem der Welt und damit der Menschheit.

Es sei also der Mensch in seiner Masse, der die Gefahr ist – nicht die Systeme von Abhängigkeiten und Ausbeutung, die Menschen geschaffen haben. Nicht zufällig sind es oft besonders reiche Menschen, die diese Argumentation vertreten, vor allem mit Blick auf den Klimawandel und den Ressourcenverbrauch – als seien es nicht gerade die reichen Länder der Erde und deren reiche Menschen, die den allergrößten Anteil an der Erderwärmung hätten.

Spears weist deshalb auch in seinem Beitrag in der New York Times darauf hin, dass die schrumpfende Weltbevölkerung nicht dazu führt, den Klimawandel auf irgendeine Weise zu bremsen – bis zum Ende des Jahrhunderts wird sie noch wachsen, genau in dieser Zeit aber müssen sich Energie, Ernährung, Verkehr, Bauen auf der Erde radikal verändern, um ein gemeinsames Überleben zu ermöglichen.

Weniger Innovation bei weniger Menschen

Die Probleme, die durch die radikal schrumpfende Weltbevölkerung entstehen, so Spears, sind dabei in manchem ähnlich zu denen, die durch die notwendigen Veränderungen im Zeichen des Klimawandels notwendig sind: Es stellt sich in einem ganz grundsätzlichen Sinn die Frage danach, wie wir gemeinsam leben wollen – unter gänzlich anderen Bedingungen.

Politisch merken wir schon die Verschiebung in Richtung einer alternden Gesellschaft, wenn in den USA etwa eine Gerontokratie etabliert wird, im Präsidentenamt wie im Kongress. Ökonomisch werden sich die Grundlagen von Wohlstand radikal ändern. Es muss eine Verschiebung der Werte geben, hin zu mehr Fürsorge und einer anderen Sicht auf nichtmaterielle Güter und Dienste. Und, ziemlich interessant: Spears vermutet, dass radikal viel weniger Menschen auch radikal viel weniger Innovation hervorbringen werden.

Man kann das aus misanthropischer Sicht begrüßen – entscheidend für die Frage des Überlebens bleibt dabei, dass die Menschheit sich heute eben schon Gedanken machen muss über eine komplett andere Welt. Im politischen Raum werden diese Gedanken aus verschiedenen Gründen nicht entwickelt. Wir brauchen aber Orte, Techniken, Fähigkeiten, die Zukunft zu trainieren. Die Kunst kann eine solche Möglichkeit sein.

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23 Kommentare

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  • 0G
    04332 (Profil gelöscht)

    "Die Weltbevölkerung wird schrumpfen, so zeigt es die Recherche des amerikanischen Ökonomen Dean Spears, die er in der New York Times veröffentlichte"

    Hat jemand einen Link zu dieser Studie? Auf nytimes.com kennt niemand einen Dan Spears, und auf seiner Seite ist nur von indischem A-a die Rede.

    • @04332 (Profil gelöscht):

      Schen Sie mal nach "Dean Spears".



      Er hat sogar eine eigene Internetseite.

      Auf nytimes ist der Artikel auch zu finden. Allerdings steigt die Weltbevölkerung erst noch auf 10 Milliarden bevor se wieder schrumpft.

      Also: sich erst auf den Tsunami vorbereiten bevor man anfängt aufzuräumen! 🤪

  • Eigentlich ist es ganz einfach: Wollen wir viele Menschen mit geringem Wohlstand auf der Welt oder etwas weniger Menschen mit höherem Wohlstand.

    • @Emsch:

      Diese Alternativen müssten sie wohl doch erklären. Immerhin beruht aktuell der Wohlstand der Wenigen auf der Ausbeutung von Vielen. Wie also begründen sie den angeblich steigenden Wohlstand der aus einer Reduktion der Menschen (wie sie umsetzen wollen frage ich lieber erst gar nicht) folgen soll?

      • @Ingo Bernable:

        Ich würde eher sagen das der Wohlstand von wenigen auf der Ausbeutung der Umwelt (Klimawandel, Artenrückgang, ungesunde Lebensverhältnisse, Bodenzerstörung) von wenigen beruht.

        Grundlage all dessen war und ist immer noch fossile Energie und flächenhafte weltweite Zerstörung von Natur

        Die Aus-Beute der Umweltzerstörung wird nur ungleich verteilt. Manche kommen mehr (10% der Weltbevölkerung in den Industriestaaten) die allermeisten nur wenig davon ab.

        Das Ziel, den Wohlstand weltweit zu erhöhen kann mit den bisherigen Instrumentarien nicht funktionieren. Das fährt die Welt dann endgültig vor die Wand.

  • Bei derart langfristigen Prognosen, sollte man schon mal ein Fragezeichen an deren Prämissen machen? Was etwa ist die Grundlage der Annahme einer ab 2085 schrumpfenden Bevölkerung? Die Projektion der Wohlstands- und Bildungszuwächse vergangener Jahrzehnte oder die Annahme, dass dem Kollaps des Klimas, der von Staaten und Sozialsystemen folgt und die daraus resultierenden Konflikte um basale Ressourcen ihren Blutzoll fordern? Gleichzeitig wäre in letzterem Szenario allerdings auch davon auszugehen, dass Kinderreichtum wieder eine rationale Option der eigenen Absicherung ist und deshalb zunehmen wird. So, oder so, mir scheint diese Studie doch eher Kaffeesatzleserei zu sein, deren Unsicherheiten mindestens ebenso groß sind wie die der Frage ob es gelingen wird die Klimakrise noch auf ein verkraftbares Maß zu begrenzen oder nicht.

  • "Bevölkerungswachstum, wird oft gesagt, sei das eigentliche Problem der Welt und damit der Menschheit."



    Es ist sicher nicht das "eigentliche" Problem. Aber es ist ein Problem unter anderen.



    "Spears vermutet, dass radikal viel weniger Menschen auch radikal viel weniger Innovation hervorbringen werden."



    In manchen Bereichen wäre es m.E. durchaus wünschenswert, weniger Innovation hervorzubringen. Zum Beispiel in der Kriegstechnik. Oder in der Automatisierung von Lügenproduktion mittels KI.

  • Nur mal so am Rande bemerkt: um das Überleben des Planeten brauchen wir uns absolut keine Gedanken zu machen. Schließlich hat der Planet rund 4, 5 Milliarden auch ohne Homo sapiens und ohne Götter "überlebt". Mit diesem esoterischen Narrativ könnten wir auch in den Panikmodus schalten, weil in 7,6 Milliarden Jahren die Sonne zu einem Roten Riesen werden wird und unseren Planeten "verspeist".

    • @Drabiniok Dieter:

      Richtig.

      Klimaschutz ist kein Umweltschutz

  • Den rassistischen Unterton dieser Debatte lehne ich natürlich auch ab, der kommt wohl davon dass in den sogenannten westlichen Industriestaaten das Bevölkerungswachstum nicht so ausgeprägt wie in manchen Schwellenländern ist bzw. war.

    Aber es bleibt doch grundsätzlich richtig dass weniger Menschen viele Probleme reduzieren oder gar lösen würde…was wäre z.B. so schlimm daran wenn in Deutschland nur soviele Menschen wie in Schweden leben würden? Schließlich ist Schweden auch ein wohlhabendes und hochentwickeltes Land…

  • Der einzelne Mensch, das Individuum, für sich genommen, ist ganz sicher keine Gefahr. Die Masse dagegen ist eine echte Bedrohung, da die Bedürfnisse der Einzelnen in Summe die Lebensgrundlage Aller zerstören werden. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie viele Menschen mit Körnern in Zukunft ernährt werden könnten.

    Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um einen Fakt. Hier jetzt irgendwelche "rassistischen Untertöne" sehen zu wollen verschließt eine Diskusson genau wie irgendwelche religiösen Mantren.

    • @DiMa:

      Das hätte ich ja mal gern in Klartext, weil so in den Raum gestellt klingt es ja nun wirklich rassistisch, da das stärkste Wachstum in den Ärmsten Regionen stattfindet die gleichzeitig am wenigsten Ressourcen verbrauchen. Im Gegensatz zu ihnen wo sie doch hier oft einen gediegenen Lebensstandart zum besten geben. Vielleicht sind es ja auch die übertriebenen Bedürfnisse weniger die die Lebensgrundlagen vieler zerstören.

      • @Andreas J:

        "Vielleicht sind es ja auch die übertriebenen Bedürfnisse weniger die die Lebensgrundlagen vieler zerstören."

        Vielleicht?

        Das sollte doch mittlerweile klar sein, dass die Bewohner der Industriestaaten die Hauptverursacher des Klimawandels waren und sind.

        • @Rudolf Fissner:

          Ironie verstehste einfach nicht. Natürlich liegt es genau daran.

      • @Andreas J:

        Die Bedürfnisse der Menschen sind überall auf der Welt die gleichen, ungeachtet der Frage, welchen Entwicklungszustand ein Land jetzt hat oder auch nicht.

        Sie machen den Fehler, dass Sie aus welchen Gründen auch immer im Zusammenhang mit dem Bevölkerungswachstum Regionen und Entwicklungszustände vergleichen. Das ist allenfalls eine nachgelagerte Debatte.

        Das Bevölkerungswachstum muss zurück gehen; weltweit.

        • @DiMa:

          Ganz schwache Antwort. Globale Verteilungsfragen sind zentral und nicht nachgelagert. Die Grundbedürfnisse sind überall die gleichen, aber sie sprechen lediglich von Bedürfnissen um den eigenen Lebensstiel der weit hinaus über eine Befriedigung von Grundbedürfnissen geht, zu rechtfertigen. Was sie hier zum besten geben ist Wohlstandschauvinismus.

  • Ist alles eine Frage der Rationierung. Wenn man davon ausgeht das man mehrere 1000qm Wohnfläche, x Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge braucht, dann ist natürlich nur Platz für wenige Menschen.

    • @MontyTonty:

      "1000qm Wohnfläche"

      Sicher Putin ist ein Riesen-A.

      Aber bereits ihre +40qm Wohnfläche plus PKW-Stellfläche sind ein großes Problem weil Flächen- Ressourcen- und Energie-fressend & multiplizierbar mit hunderten Millionen ähnlicher Situationen.

  • Das Bevölkerungswachstum ist bereits gestoppt. Ab 2050 wird die Weltbevölkerung anfangen zu schrumpfen.



    Kein Industrieland schafft heute mehr die Reproduktion der Bevölkerung, fast alle Schwellenländer auch nicht mehr. Auch in Afrika ist die Geburtenrate im freien Fall. Der massiv steigende Wohlstand der Welt hat dem Bevölkerungswachstum ein Ende bereitet.

    • @Wombat:

      Der Wohlstand wächst aber nicht massiv in Afrika und gleichmäßig verteilt ist der schon mal gar nicht. Ich war schon oft in Westafrika. Die junge Generation will einfach nicht mehr so viel Kinder. Das hat mehr mit Bildung und Stadtflucht wo Wohnraum begrenzt und teuer ist als mit Wohlstand zu tun.

      • @Andreas J:

        "Die junge Generation will einfach nicht mehr so viel Kinder."

        Allein dass diese Generation die Wahl hat sich zu entscheiden, viele oder wenige Kinder zu haben, ist eine Folge des gestiegenen Wohlstands. Diese Frage hat sich für frühere Generationen, in allen Agrargesellschaften übrigens, nicht gestellt.



        Man hat einfach so viele Kinder gemacht wie es ging, denn jedes mehr erhöhte die Chance auf überleben der Familie. In absoluter Armut sind Kinder kein Kostenfaktor, sondern Arbeitskraft und somit Ernährer.

        • @Linnemice:

          Was sie Wohlstand nennen ist für viele immer noch ein täglicher Kampf ums nötigste. Ich war oft da und bin in regelmäßigen Kontakt mit Freunden. Ich kenne ihren Alltag sehr gut. Z.B. die aktuellen Preissteigerungen bei Lebensmitteln treffen die Menschen bei weiten härter als uns. Bei denen den Begriff Wohlstand zu benutzen empfinde ich als Frechheit. Sie mögen ein wenig mehr haben, aber das ist alles andere als Wohlstand. Teilweise wird es von den Preissteigerungen wieder aufgefressen, so das sich die Situation über die Jahre eher verschlechtert. Mit diesem Begriff bezogen auf die dritte Welt wird Armut verschleiert. Die Meisten leben weit entfernt von Wohlstand! Und die globale Armut hat nicht überhaupt nicht abgenommen auch wenn das immer wieder behauptet wird.

    • @Wombat:

      Afrika ist kein Land. Was oder wen genau meinen Sie?