Betroffen von der Fluggesellschaftspleite: Ich bin ein Niki-Loser
Am Dienstag gebucht, am Mittwoch ist die Flugfirma pleite. Wie ein Betroffener das „Grounding“ der Air-Berlin-Tochter erlebt.
Hallo EU-Kommission, das macht jetzt aber subito 497,67 Euro. Ich gehöre nämlich auch zu den Niki-Losern. Wahrscheinlich bin ich sogar einer der letzten der 760.000 Depperten, die bei der Airline mit der Fliege gebucht haben: Niki sei eine prima Fluggesellschaft, hatte in den Fake-News meiner liebsten Wirtschaftszeitungen gestanden. Viel sicherer auf jeden Fall als der Mutterkonzern Air Berlin. Und der flog nach der Pleite weiter und zahlte sogar Entschädigungen für ausgefallene Flüge. Doch dann landet am Mittwoch um 23.18 Uhr der letzte der 21 Niki-Flieger von Teneriffa aus kommend in Wien-Schwechat. Grounding nennt man das.
Schön blöd: Wer wie 350.000 und ich direkt bei Niki – und nicht pauschal – gebucht hat, kann jetzt sein Ticket wegschmeißen. Oder? Dienstag, 21.43 Uhr 497,67 Euro für den Rückflug Madeira–Tegel für Isa, Emma, Leo und Papa „Economy classic“ online gebucht. Mittwoch um 17.49 Uhr – ich glaube es ja zuerst nicht – blinkt die Eilmeldung, dass die Kohle futschikato ist und der Familienurlaub Ende Januar mit etwa 497,67 Euro weniger geplant werden muss. Wahrscheinlich ist ein neues Ticket ja sogar viel teurer. So wird man dann doch Teil einer Betroffenenstory.
@1000Nikimitarbeiter und @60.000Nikigestrandete: Ja klar, wir sind nicht die wirklich Gelackmeierten. Aber zum Jammern reicht's,bitte schön.
Also: Wer hat da eigentlich schuld? Und: Wer kann es jetzt richten?
Niki, das Filetschnittchen über den Wolken
Die Niki-Chefs, die lange behaupteten, sie hätten überhaupt gar nix mit der Air-Berlin-Pleite zu tun? Filetschnittchen über den Wolken und so, alles profitabel. Aber: Was hätten sie sonst sagen sollen? Dann hätte ja niemand mehr Niki gebucht.
Zypries und Dobrindt und Merkel? Die Politbruchpiloten, die der Lufthansa die besten Air-Berlin-Schnittchen zuschanzen wollten – und die jetzt vielleicht einen Teil der 150 Millionen Euro Staatskreditknete verzockt haben? Wollten die nicht auch den Stewardessenversklaver Ryanair in Deutschland verhindern?
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager? Sie hatte mit ihren „Zweifeln“ an der Übernahme von Niki durch die Lufthansa-Tochter Eurowings die Insolvenz überhaupt erst ausgelöst. Und was hätten – ja nicht nur – wir geschrieben, wenn der schon fette Lufthansa-Kranich auf noch mehr Strecken Monopolist geworden wäre? Die EU hätte sich auch längst für eine Insolvenzversicherung zugunsten vorausbezahlter Kundengelder einsetzen können. Dann blieben Selbstbucher nicht auf den Kosten sitzen. Reisende haben zwar laut EU-Fluggastrechteverordnung prinzipiell Anspruch auf Entschädigung oder Rückerstattung. Wer aber sein Ticket selbst bei Niki oder auf einem Reiseportal gekauft hat, hat Pech – und dürfte auch aus der Insolvenzmasse wenig bekommen.
Eine Urlaubskarte an Niki Lauda
Die österreichische Regierung? Könnte die nicht was tun? Es geht immerhin um 800 österreichische Jobs. Weil ja kurz vor Weihnachten ist, schien sich da gestern ein Überbrückungskredit anzubahnen – gut für uns! Er führe „sehr gute Gespräche mit dem Finanzminister“, sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried im Radio. Vielleicht bekommt der Mann von uns eine Urlaubskarte aus Madeira. Und den Formel-1-Lauda, der Niki vor 14 Jahren gründete und jetzt wieder kaufen will, würden wir auch beglücken.
Denn: Der Insolvenzverwalter denkt über einen „Fire sale“ (Notverkauf) nach, damit die Start- und Landerechte von Niki nicht verfallen. Angeblich interessieren sich auch Condor oder die British-Airways-Mutter IAG für Niki.
Am Donnerstagabend dann ein kurzer Glücksmoment: Der Insolvenzverwalter kündigt an, dass Selbstticketkäufer doch entschädigt werden – offenbar gibt es ein Treuhandkonto für diese Fälle, puh. Also bekommen wir das Geld zurück, aber: Wir haben trotzdem noch niemanden, der uns aus Madeira zurückfliegt.
Alles bleibt unklar. Familienurlaub egal, jetzt kommt das Niki-Abenteuer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos