Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Kein Familiennachzug für Syrer
Der Eilantrag eines 17-Jährigen, der demnächst volljährig wird, scheitert in Karlsruhe. Offen bleibt, ob das Gesetz verfassungswidrig ist.
Der 17-jährige lebt seit September 2015 in Deutschland und erhielt den subsidiären Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge. Laut Gesetz ist der Familiennachzug für subsidiär Geschützte bis März 2018 ausgesetzt. Die Anwältin des Klägers hält die gesetzliche Aussetzung des Familiennachzugs jedoch für verfassungswidrig. Sie verstoße gegen den in der Verfassung garantierten Schutz des Familienlebens. Da der Jugendliche am Freitag volljährig wird, stellte er einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht, weil er sonst seine Rechte verliere.
In seiner Eilentscheidung ließ Karlsruhe nun offen, ob das restriktive Gesetz verfassungswidrig ist. Die Klage des 17-Jährigen sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes könne aber nicht im Eilverfahren geprüft werden.
Die Richter nahmen deshalb – wie bei Eilanträgen üblich – eine Folgenabwägung vor. Danach sprach gegen einen Erfolg des Eilantrags, dass der Familiennachzug zu Minderjährigen nur ein begrenztes Aufenthaltsrecht gibt, das mit dem Zeitpunkt der Volljährigkeit endet. Hier wäre es also nur noch um wenige Tage gegangen. Zwar sei damit zu rechnen, dass die Eltern dann aufgrund der Lage in Syrien nicht dorthin zurückkehren müssten. Es sei aber nicht der Sinn der Familienzusammenführung, Angehörigen die Stellung von Asylanträgen in Deutschland zu ermöglichen.
Auch eine besondere Schutzbedürftigkeit des Jugendlichen ließen die Richter nicht gelten. In der Verfassungsbeschwerde war zwar die Rede davon, dass er unter Depressionen leide und das Zusammenleben mit seiner Familie seinen Zustand stabilisieren könne. Allerdings stammte die vorgelegte Stellungnahme einer Psychologin schon vom 10. Dezember 2016. Sie sei also „nicht hinreichend aktuell“, so die Richter. Wie sich die Situation des Jugendlichen weiter entwickelt habe, dazu enthalte die Klage keine Informationen.
Immerhin halten es die Verfassungsrichter für denkbar, bei der im Gesetz vorgesehenen Härtefall-Regelung auch die Situation des in Deutschland lebenden Flüchtlings zu berücksichtigen. In der Klage war kritisiert worden, dass es in der Praxis nur auf Härtefälle der Angehörigen im Ausland ankomme. Doch auch das muss letztlich noch in einem Karlsruher Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Die Verfassungsbeschwerde des 17-Jährigen ist mit Eintritt der Volljährigkeit am Freitag erledigt. Nach Informationen der taz liegen aber noch zwei weitere Verfassungsbeschwerden zum Familiennachzug vor.
Az.: 2 BvR 1758/17
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen