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Meyer Burger beantragt InsolvenzEs braucht Industrie- statt Branchenpolitik

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die nächste Solarfirma ist pleite. Sinnvoller als Subventionen für einzelne Branchen wäre eine grundsätzlich neue deutsche Industriepolitik.

Meyer Burger in Thalheim. Solarzellen wurden für den Versand vorbereitet Foto: Paul Langrock

E ine Insolvenz mit Vorlauf: Mehrfach hatte das Solarunternehmen Meyer Burger über knappe Liquidität berichtet. Im April teilte die Firma dann gar mit, ihr Fortbestand sei „in hohem Maße unsicher“. Jetzt haben die beiden deutschen Tochtergesellschaften, die Meyer Burger Industries und die Meyer Burger Germany, Insolvenz beantragt. Betroffen sind die Solarzellenfertigung in Thalheim in Sachsen-Anhalt und der Maschinenbau mitsamt Technologieentwicklung in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen. Zusammen haben die Firmen 600 Mitarbeiter, die ihren Job verlieren könnten.

Unweigerlich geht damit eine alte Debatte in eine neue Runde: Fördert Deutschland die erneuerbaren Energien ausreichend und zielgerecht? Dass eine eigene Solarindustrie gut für Deutschland ist, kann man schließlich konstatieren – nicht zuletzt, weil die ­Solarforschung in Deutschland noch immer ein hohes Niveau hat und dies nur wird halten können, wenn auch einschlägige Unternehmen vor Ort existieren.

Angewandte Forschung braucht stets eine enge Anbindung an die Wirtschaft. Doch die staatliche Förderung einzelner Unternehmen und Branchen ist nicht der richtige Weg, wie aktuell die Turbulenzen um die Batteriefabrik der Firma Northvolt in Schleswig-Holstein zeigen. Dort stehen bekanntlich Hunderte von Millionen an Staatsgeld im Feuer, weil die Politik händeringend eine Batteriefabrik wollte.

Nicht alle gehen laut

Sinnvoller als die Suche nach staatlichen Hilfsmaßnahmen für einzelne Branchen sind daher grundsätzliche Überlegungen zur deutschen Industriepolitik. Denn das, was die Solarwirtschaft erlebt, erleben andere Mittelständler in jüngster Zeit auch vermehrt – vom Technologieunternehmen bis zum Lebensmittelbetrieb. Nur haben diese Firmen oft nicht das Glück, so sehr im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen wie die Photovoltaik. Sie gehen oft leise zum Insolvenzgericht.

Die neuerliche Solarpleite sollte daher den Blick auf die Probleme lenken, mit denen alle Unternehmen in Deutschland kämpfen – von den Lohnnebenkosten bis zur Bürokratie, wozu inzwischen zum Beispiel auch oft überbordende Berichtspflichten gehören. Das Grundsätzliche zu betrachten, wäre besser, als sich in Förder­debatten zu verlieren.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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11 Kommentare

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  • wie wäre es denn damit, dass der staat insolvente solarbuden vestaatlicht + dann eine vernünftige investitionspolitik via klimafreundlicher energieversorgung fährt (mit weiteren verstaatlichungen sämtlicher energie-unternehmen, allerdings besser als bisher, mit mehr bürgerInnen-kontrolle, da müßte uns noch mehr einfallen, um toxischen regierungsparteien den zugriff auf staatliche firmen zu verwehren).

    wir sind der staat, wir bürgerInnen, wir sollten zusehen, daß dieser nachhaltig in unser aller wohl funktioniert + nicht nur für die milliardärInnen und so...

    • @Brot&Rosen:

      Sie meinen, was ein hochspezialisiertes Unternehmen nicht geschafft hat, nämlich ihre Produkte zu verkaufen, das würde unser Staat schaffen? Ich würde da eher ein weiteres Milliardengrab sehen.

  • "Die neuerliche Solarpleite sollte daher den Blick auf die Probleme lenken, mit denen alle Unternehmen in Deutschland kämpfen – von den Lohnnebenkosten bis zur Bürokratie, wozu inzwischen zum Beispiel auch oft überbordende Berichtspflichten gehören"

    Dem kann man nur beipflichten wenn man sieht, wie viele Stunden sich selbst ein Kleinunternehmer mit Papieren herumschlagen muss. Das sind alles Zeiten, die bezahlt werden müssen und kein Verdienst bringen. Deutschlandweit sind das viele Milliarden Euro die flöten gehen, Jahr für Jahr. Neben der gewaltigen Bürokratie kommen Steuern und Abgaben dazu, die ein unerträgliches Mass erreicht haben.



    Die Tendenz in Deutschland muss wieder zurück zu einem schlanken Staat und zu mehr Eigenverantwortung, in allen Bereichen.

  • Das war doch die Firma, die Teile aus China zusamnensetzte in D und das fertige Produkt dann als dt. Wertarbeit zu deutlich überhöhten Preisen anbot, Mehrwert nicht erkennbar.

    Abgesehen davon liegts an Trump, IRA.

  • Entscheidend sind nicht die Lohnnebenkosten sondern die Lohnstückkosten. Also die Arbeitskosten die anfallen um ein "Stück" (Solarpanel, Sack Zement, Microchip) herzustellen. Da fließen auch Arbeitszeit, Produktivität und Bürokratie mit ein. Deutschland ist dabei ganz oben auf der Liste. Das gesamte Euro-Ausland hat 10%, USA 26% und Rumänien z. Bsp. 46% geringere Kosten.



    Das ganze wird noch dramatischer, wenn man bedenkt, daß in vielen deutschen Firmen der deutsche Arbeitsplatz. firmenintern, durch preiswerte Auslandsfertigung quersubventioniert wird.



    Deutschland braucht eine(n) Sanierer(in).

  • Das Problem sind nicht die Pleiten, sondern zu wenig erfolgreiche Neugründungen. Wir konzentrieren uns hierzulande viel zu sehr auf die Angst vorm Scheitern, statt mutig Neues zu schaffen. Das gilt quer durch die Republik und alle politischen und wirtschaftlichen „Lager“. Echte Unternehmer lassen sich weder von praxisfremden Bürokraten, noch von schwierigen Rahmenbedingungen wirklich ausbremsen. Aber erstens muss es sich rechnen, egal ob durch direkte Subventionen , oder andere günstige Marktfaktoren - und zweitens möchte niemand sich permanent für seinen Erfolg rechtfertigen müssen. Insofern wäre es mal eine wirklich zukunftsweisende Investition, der hiesigen Gesellschaft mal wieder die „Basics“ unseres Wohlstands zu vermitteln. Auch denen, die immer über Abgaben und notwendige Abstimmungen klagen, aber gleichzeitig die Segnungen einer funktionierenden freien demokratischen Gesellschaft gerne nutzen.

  • What?



    „ …den Lohnnebenkosten bis zur Bürokratie, wozu inzwischen zum Beispiel auch oft überbordende Berichtspflichten gehören.…“



    In der TAZ wird gefordert Lohnnebenkosten zu senken? Warum nicht gleich den Lohn mit?



    Keine Berichtspflichten mehr? Was ist mit dem sonst so verteidigten Lieferkettengesetz, den Zertifizierungen für Umweltschutz und Güte, dem Arbeitsschutz? Alles -oder vieles - dem freien Markt überlassen? So fdp-like?



    Apropos, wenn die Berichtspflichten reduziert werden, gibt es auch weniger Zahlen, über die man dann berichten könnte.

  • Na ja, vielleicht mal etwas konkreter und etwas mehr Sachverstand? Natürlich ist die Entwicklung Branchenspezifisch, was denn sonst. Deswegen braucht man auch unterschiedliche Instrumente.



    Beispiel Kosten für Energie, für die meisten Firmen unerheblich, deswegen bringt das Senken der Energiesteuer für viele nix. Ebenso Personalkosten. Auch sehr unterschiedlich.



    Beispiel PV, ohne große Subventionen können sie hier in Europa kein Werk betreiben ähnlich bei einer Akkufabrik. China gewährt schon beim Bau ein Drittel Zuschuss. Bei drei Milliarden sind das eine Milliarde. Ohne Subventionen geht da gar nix, da wird keine Chipfabrik oder Akkufabrik nach Europa kommen, das ist doch klar. USA ähnlich. Die Energiekosten muss man dann für diese Branchen auch subventionieren.



    Das ist doch nicht so schwierig zu verstehen.



    Wie will der Autor denn Fabriken in Deutschland ansiedeln, mit weniger Bürokratie? Digitalisierung brauchen wir so oder so und schnellere Vorgänge. Dann wird aber in hochsubventionierten Branchen auch nix gehen, wenn man keine Zuschüsse zahlt.



    Und für das Northvolt Werk gibt es mehrere Interessenten zur Übernahme. Das sieht gut aus.

  • "Die neuerliche Solarpleite sollte daher den Blick auf die Probleme lenken, mit denen alle Unternehmen in Deutschland kämpfen – von den Lohnnebenkosten bis zur Bürokratie"

    das ist sicherlich ärgerlich, nur gehen Firmen in der Regel nicht an Papierkram und abgesicherten Mitarbeitern zu Grunde, in der Regel liegt es am mangelnden Umsatz und der ist gesamtwirtschaftlich am Boden mit großem Anteil der Politik.

    Das Senken von Produktionskosten (wozu beides zu zählen ist) ist nicht die Stellschraube Firmen zu stützen (zu subventionieren), und schon gar nicht die Stellschraube die wirtschaftliches Wachstum erzeugen kann.

    • @nutzer:

      Wenn der Papierkram 25% der Personalkosten verursacht, hat die Konkurrenz aus dem Ausland schonmal einen 25%-igen Preisvorteil. Wenn ich ein gleichwertiges Produkt für 25% weniger Geld bekomme, ist meine Wahl eindeutig.

      • @Luftfahrer:

        nur muß die Konkurrenz aus dem Ausland, diese Berichtspflichten ebenfalls erfüllen, wenn sie in der EU verkaufen will.



        Ja, das ist zeit- und kostenintensiv und über eine Änderung ist es auch sinnvoll nachzudenken, nur der Punkt ist: es geht am Problem vorbei, das Problem ist ein anderes.



        Es ist keine Wirtschaftspolitik, fehlende Nachfrage, durch Subventionen der Firmen auf der Kostenseite zu kompensieren, das geht nur begrenzt lang gut.



        Wird die Nachfrage nicht gesteigert, ändert sich nichts und für die mangelnde Nachfrage ist eben der Exporteinbruch und die lahmende Binnennachfrage zu nennen. Beides bedingt durch politische Entscheidungen, ersteres durch die Exportfixierung und dann Trump als Tipping Point und zweiteres durch den Sparkurs im Inneren.



        Ändert man da nichts, sind die Maßnahmen der Regierung bloß heiße Luft.