Berliner Wochenmärkte im Lockdown: Zu buntes Markttreiben?
Ein Blick auf die Märkte Kollwitzplatz, Maybachufer und Winterfeldtplatz zeigt, dass die Corona-Auflagen teilweise nicht eingehalten werden.
Am Kollwitzmarkt in Prenzlauer Berg herrscht am Samstagmittag Vollbetrieb wie vor der Pandemie. Vor den Ständen mit Käse und Biobrot warten lange Schlangen. Zwar wird die Maskenpflicht weitgehend eingehalten, doch wer über den Markt schlendert, kann unmöglich Abstand halten. Außerhalb des Markts stehen überall Grüppchen beieinander, mit einem Coffee-to-go in der Hand, ohne Maske, es wird gelacht, manche umarmen sich zur Begrüßung.
Vor einem Stand, an dem Schaffelle und Wollpullover verkauft werden, erklärt ein Mitarbeiter des Ordnungsamts, dass man die Order habe, keine Stände zu schließen. „Wenn wir zumachen, kann es sein, dass der Betreiber klagt, dann kommen auf den Bezirk Schadenersatzforderungen zu.“ Allerdings werde man eine Anzeige schreiben. Nach Informationen der taz hat der Schaffell-Händler seinen Stand gegenüber dem Ordnungsamt als Verkaufsstelle mit Reformhausbedarf deklariert.
Neben ihm mischt sich ein anderer Standbetreiber ein. Er verkauft Ledertaschen und Portemonnaies. Auch ein paar Schreibutensilien und Schmuckblöcke liegen auf der Auslage: „Papeteriebedarf“, sagt er. Der Marktbetreiber, der auch die Wochenmärkte in Pankow und am Hackeschen Markt betreibt, zuckt mit den Schultern. „Es ist nicht meine Aufgabe zu kontrollieren, wer auf dem Kollwitzplatz was verkauft“, betont er. „Ich muss auch nicht nachsehen, ob alle die Hygienevorschriften einhalten.“
Bezirk sieht keinen Handlungsbedarf
Tatsächlich ist das Sache des Ordnungsamts. Der zuständige Pankower Stadtrat Daniel Krüger (AfD) hatte in der Adventszeit mobile Glühweinstände auf Gehwegen in seinem Bezirk heftig kritisiert und angekündigt, gegen „Glühwein-Pulks“ vorgehen zu wollen.
Stadtrat Krüger sagt auf taz-Anfrage am Montag, man sehe derzeit keinen Handlungsbedarf am Kollwitzplatz. In der vergangenen Woche habe es lediglich einen strittigen Fall gegeben, über den diskutiert worden sei. Auch was „die Coffee-to-go-Situation“ angehe, meldeten die Mitarbeiter nichts, was ein Einschreiten rechtfertigen würde, so Krüger.
Am Neuköllner Maybachufer wurde der Wochenmarkt wegen der Corona-Abstandsregeln schon vor Monaten bis in die Hobrechtstraße hinein erweitert. Das tut dem zweimal wöchentlich stattfindenden „Türkenmarkt“, der mittlerweile in vielen Reiseführern steht und vor der Pandemie Tourist*innen aus aller Welt anzog, auch unabhängig von der Coronagefahr sehr gut: Die Atmosphäre ist zwischen den weiter auseinander und sich am Ufer nicht mehr direkt gegenüberstehenden Ständen entspannter, das Schauen und Schlendern fällt leichter.
Ohne Maske kommt keiner auf das Marktgelände, dafür sorgen Ordner an den Zugängen und auf die Wege gesprühte große Hinweise. Ganz ohne Gedrängel geht das Einkaufen – es werden im Lockdown ausschließlich Lebensmittel angeboten – hier aber nicht: Ab dem frühen Nachmittag wird es voll.
Auch auf dem Winterfeldtmarkt in Schöneberg, Berlins größtem Wochenmarkt, war am Samstag viel los. Allerdings gibt es dort zurzeit deutlich weniger Stände als zu Normalzeiten. Nur noch sogenannte Monatshändler, die im Unterschied zu Tageshändlern regelmäßig kommen und feste Stände haben, seien zugelassen, sagt Umweltstadträtin Christiane Heiß (Grüne) zur taz. In Tempelhof-Schöneberg ist Heiß zuständig für die Wochenmärkte. Durch die Einbeziehung einer Seitenstraße sei die Fläche des Winterfeldtmarktes zudem vergrößert worden. Das entzerre das Ganze noch mal.
Vieles im Infektionsschutzgesetz sei Auslegungsfrage, sagt Heiß. Zum Teil sei das ganz schön verwirrend, auch für Marktverwaltung, Ordnungsamt und Polizei, die das Ganze kontrollieren müssten. „Ich sage immer, man muss die Dinge im Einzelnen klären“, so Heiß. Jede Woche setze sich das Bezirksamt mit den Außendienstmitarbeitern, mit der Marktverwaltung und der Gewerbeaufsicht zusammen, um über strittige Fälle zu beraten. Bei Blumen zum Beispiel suche man derzeit „eine gemeinsame Linie“ mit den anderen Bezirken.
Essen und Trinken verboten
Bei Kleidern, Schmuck und Ähnlichem sei vereinbart, dass solche Artikel nur verkauft werden dürften, wenn es sich um ein „Mischgewerbe“ handele, konkret heißt das: wenn das Sortiment am Stand „zu mehr als 50 Prozent aus Infektionsschutz-Masken und Hygieneartikeln“ bestehe, so Heiß. „Die Händler versuchen, die Regeln zu beachten und gleichzeitig zu überleben“, so der Eindruck der Stadträtin. Und für Imbisse gelte: Auf dem Markt dürfe weder gegessen noch getrunken werden, auch beim Herumlaufen nicht. Dass die Leute dann am Rand des Marktes zusammenstehen und das Gekaufte verzehren, sei ihr bekannt, sagt Heiß.
Am heutigen Dienstag kommen derweil die LänderchefInnen mit der Bundeskanzlerin eine Woche früher als zunächst geplant zusammen, um über weitere Lockdownverschärfungen und eine als wahrscheinlich geltende Verlängerung in den Februar hinein zu beraten. Diskutiert wird über eine FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen und im Einzelhandel sowie über eine Verpflichtung für Arbeitgeber, Homeoffice zu ermöglichen. Auch Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr wurden im Vorfeld diskutiert.
Berlins Regierender Michael Müller (SPD), der derzeit auch den Vorsitz der MinisterpräsidentInnenkonferenz innehat, hatte in der vergangenen Woche insbesondere beim Homeoffice noch Spielraum für Verschärfungen gesehen. Dem RBB hatte er gesagt, er könne sich eine „Begründungspflicht“ für Arbeitgeber vorstellen, warum sie Beschäftigte im Büro halten. Am Mittwoch will der Senat über die Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse für Berlin entscheiden.
Die Infektionszahlen weisen aktuell leicht nach unten: Die 7-Tage-Inzidenz lag zu Wochenbeginn nur noch bei rund 160 Neuinfizierten pro 100.000 EinwohnerInnen. Zuletzt hatte sie beinahe 200 betragen. Seit Samstag würden in dem Fall auch für BerlinerInnen Reisebeschränkungen gelten.
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