Berliner Volksbegehren zu Enteignung: Verhältnisse zum Tanzen bringen
Wohnraum wird zunehmend zur Ware. Egal, wie der Volksentscheid ausgeht – er hat schon jetzt viele Berliner Mieter*innen aus der Defensive geholt.
D ie Kampagne Deutsche Wohnen und Co enteignen hat die Verhältnisse schon jetzt zum Tanzen gebracht. Und zwar unabhängig davon, wie der Berliner Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne am 26. September ausfallen wird. Mit der Forderung der Berliner Mietenbewegung sind Mieter*innen nach jahrelangen Abwehrkämpfen gegen Mietsteigerung und spekulative Aufwertung aus der Defensive gekommen.
Das Volksbegehren hat die rot-rot-grüne Landesregierung vor sich hergetrieben. Die Sozialdemokraten hätten das Thema Enteignungen gerne mit dem gescheiterten Mietendeckel abgeräumt und versuchen nun per Statement und astronomisch hohen Kostenschätzungen, Wähler*innen bei der Enteignungsfrage zu verunsichern.
Dabei sind alle Instrumente, um Preissteigerungen zu begrenzen, längst gescheitert, wie auch der Berliner Senat einräumt. Der Markt bleibt angespannt. Denn hier gilt wie überall in der Republik: Wohnraum in Händen von großen Privatkonzernen – unwirksame Mietpreisbremse hin, unzureichender Neubau her – bleibt Spekulationsobjekt für die maximale Rendite mit entsprechenden sozialen Auswirkungen.
Die Dividenden der Aktionär*innen sollen Mieter*innen zahlen: Die Mieten und Immobilienpreise sind in den letzten zehn Jahren in vielen Großstädten regelrecht explodiert. Preistreiber sind dabei insbesondere große Privatkonzerne, die auf maximale Rendite aus sind. Wohnraum ist mehr und mehr Ware, die häufig auch noch über Briefkastenfirmen und verschleierte Firmennetzwerke durch riesige Steuerschlupflöcher hin und hergeschoben wird.
Beispiel gefällig? Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia will derzeit Berlins Marktführer, die Deutsche Wohnen, übernehmen. Grunderwerbssteuer fällt bei dem Deal in Höhe von 18 Milliarden Euro dank Schlupflöchern nicht an. Ökonomisch ist der Wohnungsmarkt heute eine Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Dieses System mal zu überdenken, kann nicht verkehrt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht