Berliner Verwaltungsreform: Ruck, zuck zum Zebrastreifen

Senat und Bezirke haben einen Zukunftspakt Verwaltung unterschrieben. Was das heißt? Fragen und Antworten zur Verwaltungsreform

Drei Jahre, bis ein eigentlich simpler Zebrastreifen aufgemalt ist? Damit soll Schluss sein. Foto: dpa

Wenn es einen Zukunftspakt braucht, sieht die Gegenwart nicht rosig aus, oder?

Stimmt. Bislang war es so, dass beispielsweise ein neuer Zebrastreifen 18 Genehmigungen von den Bezirken und dem Senat brauchte. Drei Jahre konnte das bisher dauern. Künftig soll es in einem Jahr zu schaffen sein.

Wie soll das möglich werden?

Indem Bezirke und Senat sogenannte Doppelzuständigkeiten prüfen. Viel zu oft sind derzeit beide zuständig.

Was steht denn in dem Pakt?

Er hat eine Präambel, die alle elf Senatsmitglieder und alle zwölf Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister unterzeichnet haben. Die klare Botschaft: Wir sind alle in der Verantwortung. Wichtiges Ziel dabei ist, die „gesamtstädtische Steuerung“ zu stärken. Dazu gibt es 27 Handlungsfelder, sogenannte Projektsteckbriefe, wie es Rot-Rot-Grün nennt. Das reicht von schnellerer Stellenbesetzung bis hin zur besseren Digitalisierung der Dienstleistungen.

Ist das Mehrarbeit für Bezirke?

„Es muss von beiden Seiten Macht abgegeben werden, aber auch Verantwortung übernommen werden“, sagte nach dem Beschluss die grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann. Zudem sollen die Bezirke, wie schon bis 2011, sechs statt derzeit fünf Stadträte haben.

Und die Bürgermeister?

Auch ihre Rolle soll stärker werden. Das heißt, er oder sie könnte größere Durchgriffsrechte bekommen. Eine – darüber hinausgehende – Richtlinienkompetenz, wie sie auf Landesebene der Regierende Bürgermeister hat, soll es in dieser Wahlperiode, also bis 2021, nicht geben: Dazu wäre eine Verfassungsänderung nötig, für die die rot-rot-grüne Koalition nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit hat. Gleiches gilt für eine Direktwahl des Bürgermeisters.

Was ist mit dem Dauerthema des politischen Bezirksamts?

Das politische Bezirksamt würde ja bedeuten, dass sich im Bezirk eine Koalition bildet, die dann alle Stadtratsposten besetzt – anders als heute, wo das nach Proporz passiert. Dazu wäre ebenfalls eine Verfassungsänderung nötig Auch deshalb hat die Alt-Kommission, die die Verwaltungsreform vorbereitet hat, auf die Forderung nach einem politischen Bezirks­amt verzichtet.

Welche Vorteile bringt der Zukunftspakt den Berlinern?

Mit dem Verwaltungspakt, betonen SPD, Linke und Grüne, werden wir „sicherstellen, dass unsere Dienstleistungen schnell, direkt und verlässlich sind“. So soll es ab Herbst möglich sein, ein Auto online anzumelden.

Am Ende schienen die Grünen den Zukunftspakt platzen lassen zu wollen. Warum?

Weil der Pakt vorsieht, dass die Regierungsstruktur, also welcher Stadtrat für was zuständig ist, in allen zwölf Bezirken gleich ist. „Uns ist nicht wirklich klar, warum uns das voranbringt“, wurde der grüne Justizsenator Dirk Behrendt zitiert. Er hielt es für einen Vorteil, mit einer individuellen Zuteilung besondere Schwerpunkte setzen zu können, wie es auch auf Landesebene passiert.

Warum lenkten die Grünen ein?

Die Bezirke seien zwar unterschiedlich, sagte Behrendts Parteifreundin Monika Herrmann. „Aber das schließt nicht aus, dass das Verwaltungshandeln in allen zwölf Bezirken einheitlich organisiert werden kann.“ Eine solch konstruktive Einstellung, nicht nur die eigenen Vorstellzungen durchsetzen zu wollen, sei „die neue Haltung, die wir früher nicht hatten“, kommentierte Regierungschef Michael Müller (SPD) zufrieden.

Wie geht es nun weiter?

Senat und Rat der Bürgermeister wollen nun regelmäßig Fort- und Folgeschritte beraten beziehungsweise beschießen. In einem Jahr soll es bei einem „Berliner Verwaltungskongress“ eine erste Bilanz geben. Fast alle 27 Projekte sollen bis zur Wahl 2021 abgeschlossen sein.

Wie sind die Reaktionen?

Die Industrie- und Handelskammer freut sich: „Die Verabschiedung des Zukunftspakts ist das überfällige Signal zum Aufbruch hin zu einer kundenfreundlichen Verwaltung, wie sie Bürger und Unternehmen verdienen“, sagt Präsidentin Beatrice Kramm. Verhaltener äußerte sich die Stiftung Zukunft Berlin: „Der Verwaltungspakt kann nur ein Anfang sein“, sagt Vorstand Stefan Richter. „Jetzt braucht es die gemeinsame Arbeit mit der Stadtgesellschaft darüber, welche Aufgaben in der Stadt von wem am besten gemanagt werden können.“

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