Berliner Schloss als Kulturkampf: Dubiose Gestalten
Am Schloss sind die Propheten-Statuen montiert. Wieder mal hat der private Förderverein Berliner Schloss seine ästhetischen Vorstellungen durchgesetzt.
G eld stinkt nicht. Das war die Devise des Fördervereins Berliner Schloss, als er damit begann, für Spenden zu trommeln, um die Fassaden des teilrekonstruierten Berliner Schlosses in Mitte schön zu machen. Der Gründer des Vereins, Wilhelm von Boddien, wusste genau, dass es nicht reichen würde, die Ermöglichung der Rekonstruktion bloß zur Berliner Bürgerpflicht zu erklären. Es musste schon eine größere Erzählung her. Das Stadtbild solle geheilt werden, Berlin wieder zum „geliebten Spree-Athen“ werden, wird auf der Website des Vereins verkündet. Und in einer eigenen Zeitung, dem Berliner Extrablatt, wird seit Jahren ein nostalgischer Schlosskult sondergleichen zelebriert, um Preußen- und Kaiser-Fans von überallher das Geld aus den Taschen zu ziehen.
Dass diese gerne nicht nur konservativ eingestellt, sondern vielleicht auch rechts bis rechtsextrem sind: egal. Als vor ein paar Jahren vor allem durch Recherchen des Architekten und Kasseler Uniprofessors Philipp Oswalt bekannt wurde, dass auch unter den Großspendern ziemlich dubiose Gestalten vom äußerst rechten Rand zu finden sind, wollte der Verein davon nichts wissen und sich von den Geldgebern nicht distanzieren. Die Stiftung Humboldt Forum, der das ganze Geld dann übergeben wurde, tat zwar ein wenig empört, nahm den Großteil der Spenden aber doch gerne an.
Diese indifferente Haltung hielt die Stiftung auch bei, als es nun um die acht Propheten-Statuen ging, die Anfang der Woche auf der Kuppel-Balustrade der Schlossattrappe montiert wurden. Die Statuen, deren Rekonstruktion der Stiftungsrat erst vor drei Jahren beschlossen hatte, seien garantiert nicht von rechtsextremen Spendern mitfinanziert worden, hieß es noch auf einem Pressetermin vor zwei Wochen. Inzwischen gibt man an, man kenne die Namen der Spender gar nicht. Falls nun letzteres stimmt: Warum besteht man nicht darauf, diese Namen zu erfahren, nachdem in der Vergangenheit bereits dem Großspender Erhardt Bödecker eine Ehrentafel gestiftet wurde, die man dann wieder abbauen durfte, weil der sich Zeit seines Lebens wohl doch einmal zu oft antisemitisch geäußert hatte?
Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, den der Bundestag im Jahr 2002 beschlossen hatte und mit dem dann konkret 2013 begonnen wurde, war von Beginn an hochumstritten. Was soll das bitte, ein Schloss als Attrappe neu zu errichten, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und dann in der DDR gesprengt wurde?
Reichsbürger und Kaisertreue
Doch damals konnte man immerhin noch nicht ahnen, dass es in naher Zukunft mal eine in Teilen rechtsextreme Partei wie die AfD geben würde, die in manchen Bundesländern eine beängstigende Zustimmung erreicht. Und dass Reichsbürger und Kaisertreue mehr sein können als bloß Spinner, sondern demokratiezersetzende Kräfte.
Dieses rasant gewachsene Milieu wähnt sich in einem Kulturkampf, den es auch in der Architektur und Baupolitik ausficht. Da wird von „rechter“ und „linker“ Architektur geredet und im Berliner Stadtschloss ein Symbol dafür erkannt, dass man eine rechte Agenda auch mitten in Berlin verwirklichen kann.
Natürlich kann man sich auch einfach lustig darüber machen, dass den Schlossfans offensichtlich die Tränen der Rührung kommen, wenn irgendwelche Propheten-Statuen aus Sandstein auf einer Schlossattrappe montiert werden. Die also an einem Bauwerk angebracht wurden, in dem letztendlich nur jemand ein richtiges Schloss erkennen kann, der auch glaubt, das Poster seiner „Mona Lisa“ über dem Bett sei ein Original von Leonardo da Vinci.
Aber die Schlossfans sehen ihren Job ja immer noch nicht als beendet an. Der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus soll zurück an den Schlossplatz, an dem er einst stand, fordern manche. Und der Förderverein Berliner Schloss, eine private Institution mit viel zu viel Einfluss, wird sich bestimmt auch noch etwas ausdenken, um weitere Träume rund um das Schloss wahr werden zu lassen. Falls die Stiftung Humboldt Forum oder Claudia Roth als Kulturbeauftragte der Bundesregierung deren Machenschaften nicht endlich stoppen.
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