piwik no script img

Berliner Schloss als KulturkampfDubiose Gestalten

Kommentar von Andreas Hartmann

Am Schloss sind die Propheten-Statuen montiert. Wieder mal hat der private Förderverein Berliner Schloss seine ästhetischen Vorstellungen durchgesetzt.

Noch mehr neu nachgemachtes Altes für das Schloss Foto: Jörg Carstensen/picture alliance/dpa

G eld stinkt nicht. Das war die Devise des Fördervereins Berliner Schloss, als er damit begann, für Spenden zu trommeln, um die Fassaden des teilrekonstruierten Berliner Schlosses in Mitte schön zu machen. Der Gründer des Vereins, Wilhelm von Boddien, wusste genau, dass es nicht reichen würde, die Ermöglichung der Rekonstruktion bloß zur Berliner Bürgerpflicht zu erklären. Es musste schon eine größere Erzählung her. Das Stadtbild solle geheilt werden, Berlin wieder zum „geliebten Spree-Athen“ werden, wird auf der Website des Vereins verkündet. Und in einer eigenen Zeitung, dem Berliner Extrablatt, wird seit Jahren ein nostalgischer Schlosskult sondergleichen zelebriert, um Preußen- und Kaiser-Fans von überallher das Geld aus den Taschen zu ziehen.

Dass diese gerne nicht nur konservativ eingestellt, sondern vielleicht auch rechts bis rechtsextrem sind: egal. Als vor ein paar Jahren vor allem durch Recherchen des Architekten und Kasseler Uniprofessors Philipp Oswalt bekannt wurde, dass auch unter den Großspendern ziemlich dubiose Gestalten vom äußerst rechten Rand zu finden sind, wollte der Verein davon nichts wissen und sich von den Geldgebern nicht distanzieren. Die Stiftung Humboldt Forum, der das ganze Geld dann übergeben wurde, tat zwar ein wenig empört, nahm den Großteil der Spenden aber doch gerne an.

Diese indifferente Haltung hielt die Stiftung auch bei, als es nun um die acht Propheten-Statuen ging, die Anfang der Woche auf der Kuppel-Balustrade der Schlossattrappe montiert wurden. Die Statuen, deren Rekonstruktion der Stiftungsrat erst vor drei Jahren beschlossen hatte, seien garantiert nicht von rechtsextremen Spendern mitfinanziert worden, hieß es noch auf einem Pressetermin vor zwei Wochen. Inzwischen gibt man an, man kenne die Namen der Spender gar nicht. Falls nun letzteres stimmt: Warum besteht man nicht darauf, diese Namen zu erfahren, nachdem in der Vergangenheit bereits dem Großspender Erhardt Bödecker eine Ehrentafel gestiftet wurde, die man dann wieder abbauen durfte, weil der sich Zeit seines Lebens wohl doch einmal zu oft antisemitisch geäußert hatte?

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, den der Bundestag im Jahr 2002 beschlossen hatte und mit dem dann konkret 2013 begonnen wurde, war von Beginn an hochumstritten. Was soll das bitte, ein Schloss als Attrappe neu zu errichten, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und dann in der DDR gesprengt wurde?

Reichsbürger und Kaisertreue

Doch damals konnte man immerhin noch nicht ahnen, dass es in naher Zukunft mal eine in Teilen rechtsextreme Partei wie die AfD geben würde, die in manchen Bundesländern eine beängstigende Zustimmung erreicht. Und dass Reichsbürger und Kaisertreue mehr sein können als bloß Spinner, sondern demokratiezersetzende Kräfte.

Dieses rasant gewachsene Milieu wähnt sich in einem Kulturkampf, den es auch in der Architektur und Baupolitik ausficht. Da wird von „rechter“ und „linker“ Architektur geredet und im Berliner Stadtschloss ein Symbol dafür erkannt, dass man eine rechte Agenda auch mitten in Berlin verwirklichen kann.

Natürlich kann man sich auch einfach lustig darüber machen, dass den Schlossfans offensichtlich die Tränen der Rührung kommen, wenn irgendwelche Propheten-Statuen aus Sandstein auf einer Schlossattrappe montiert werden. Die also an einem Bauwerk angebracht wurden, in dem letztendlich nur jemand ein richtiges Schloss erkennen kann, der auch glaubt, das Poster seiner „Mona Lisa“ über dem Bett sei ein Original von Leonardo da Vinci.

Aber die Schlossfans sehen ihren Job ja immer noch nicht als beendet an. Der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus soll zurück an den Schlossplatz, an dem er einst stand, fordern manche. Und der Förderverein Berliner Schloss, eine private Institution mit viel zu viel Einfluss, wird sich bestimmt auch noch etwas ausdenken, um weitere Träume rund um das Schloss wahr werden zu lassen. Falls die Stiftung Humboldt Forum oder Claudia Roth als Kulturbeauftragte der Bundesregierung deren Machenschaften nicht endlich stoppen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Die heutige Form des Schlosses, mit einer rekonstruierten Fassade und einem modernen Innenteil, war ein Kompromiß, um die Kritiker einer kompletten Rekonstruktion zu besänftigen und einzubinden.

    Ausgerechnet aus diesen Kreisen kommt jetzt der Vorwurf, das Schloss sei eine Attrappe.



    Das zeigt deutlich, es war ein Fehler, zu versuchen, diese Leute einzubinden. Eine echte Rekonstruktion wäre besser gewesen, dann hätten sie wenigsten Grund, sich aufzuregen.

  • Die ganze Farce wird ja erst rund, wenn nun auch noch eine Herrscherattrappe von damals rekonstituiert wird. Wer könnte am besten den alten Fritz mimen? Der mit der Attrappen-Doktorarbeit würde sicher nochmal gut ankommen.

  • Das Establishment hat sich schon vor langer Zeit durchgesetzt. Mir fallen eigentlich nur zwei Beispiele ein, in denen Prunkbauten der vordemokratischen Zeit nach ’45 nicht wieder aufgebaut wurden, wenn es die Idee dazu gab und immer waren reichlich rechte Spender vorhanden. (Die Hamburger Nikolaikirche wäre vermutlich auch wieder aufgebaut worden, wenn man den Platz nicht dringend für die Ost-West-Straße gebraucht hätte ...)



    Es sind und bleiben Symbole einer vordemokratischen Zeit, der Ausbeutung von Kolonien und – breiter relevant – der hiesigen Untertanen und oft genug auch der Natur (der Kolonialismus begann mit der „inneren Kolonisation“ und um Berlin herum mit der Slawenmission.) Im Übrigen sind sie nicht nur konservativ, sondern reaktionär, denn es wird ja nichts Altes erhalten, das noch ordentlich funktioniert (klassisch konservativ) oder nachgebessert, weil man sich daran gewöhnt hat (traditionalistisch).



    Die Mumifizierung unserer Umgebung schreitet voran statt dass man sich mit der Verbesserung der Lebensumstände von uns Heutigen auseinandersetzt. Und darum brauchen wir eine Vermögens-, Erbschafts- und breit bemessene Einkommenssteuer: Damit nicht einige wenige Reiche entscheiden können, wofür Geld da ist und wofür nicht. Auch wenn das so nur an der Oberfläche kratzt ...

  • Ein Glück, dass das Berliner Schloss in seiner originalen Hülle wieder aufgebaut wurde. Auch ich habe gerne dafür gespendet.

  • Das wiederaufgebaute Schloss Charlottenburg, das unmittelbar nach dem Krieg sogar noch stärker zerstört war als das Stadtschloss, ist also auch ein kolossaler Kitsch, oder? Und die Frauenkirche? Und Peterhof? Und der Katharinenpalast? Und die Basilika von San Marco? Etcetera. Schönheit ist zwar subjektiv, aber diejenigen, die das Stadtschloss für einen Schandfleck halten, sind meiner Erfahrung nach ausnahmslos ideologisch besessene Linke. Als Ausländer ist mir klar, dass in Deutschland alles mit Ideologie beginnt und endet, aber verzeihen Sie mir, wenn ich das sowohl traurig als auch komisch finde. Die Stiftung hat wiederholt erklärt, dass, soweit sie feststellen kann, rechtsextreme Spender nur einen winzigen Teil der Unterstützer ausmachen. Wie bei der Potsdamer Garnisonkirche ist es klar, dass die Linksextremen keine Vorstellung davon haben, wie breit die Unterstützung für solche Rekonstruktionen ist. Man muss sich nur die Namen auf den beschrifteten Ziegeln in der Kirche ansehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen.

  • Ich bin, wie viele andere auch, ziemlich verwirrt darüber, warum einige Zeitungen die Pressemitteilungen des Stadtschloss-Kritikers Philipp Oswalt ohne Frage schlucken, einschließlich seines neuesten Spiels, die Identität von Spendern zu ermitteln. Die Mehrheit der Spender einer historischen Rekonstruktion vertrat stets konservative Ansichten. Na und? Spender haben keinerlei Einfluss auf den Wiederaufbau. Im Gegensatz zu Oswalts Behauptungen waren die Statuen der Propheten und anderer immer Teil der Pläne, da Spenden dies nach und nach zuließen. Einzelne Spender können daran nichts ändern! Private Meinungen und politische Ansichten sind also absolut irrelevant. Wenn Sie jedoch ein hysterischer Kritiker des Stadtschlosses sind, ist es eine willkommene Verzerrung der Wahrheit, dies zu behaupten.

    Über 30.000 Menschen aller Altersgruppen und Glaubensrichtungen spendeten großzügig für den Wiederaufbau, einige davon alt genug, um sich an das ursprüngliche Stadtschloss zu erinnern. Doch die TAZ kann sich nur über ihre Großzügigkeit lustig machen?

    In dem Artikel heißt es: "Welchen Sinn hat es, eine Schlossattrappe wieder aufzubauen, die im Zweiten Weltkrieg beschädigt und dann in der DDR gesprengt wurde?" Warum sollte man die Ruine Charlottenburg, die Ruine Peterhof oder die Ruine der Basilika San Marco wieder aufbauen? Weil historische Schönheit wichtig ist. Werden sie als 'Disney' verleumdet? Nein, natürlich nicht. Und das Stadtschloss ist es auch nicht.

    Das Stadtschloss war der Geburtsort Berlins. Der Wiederaufbau stellte das Herz der Stadt wieder her. Warum öffnen Sie nicht Ihr eigenes Herz für seine honigfarbene Schönheit, wie es viele andere Berliner getan haben? Während es noch viele Jahrzehnte dauern wird, bis das Innere seine ordnungsgemäße Nutzung findet (idealerweise als Museum für Berlin und Deutschland), ist das Äußere nicht nur ein Instagram-Favorit: Es ist ein glorreicher Triumph, der die Stadt aufwertet, und ein Prunkstück deutscher Handwerkskunst.

    • @James Petersen JamesP:

      Hilfe, ein Propagandatext!

    • @James Petersen JamesP:

      Es gibt historische Schönheit und es gibt restaurativen, kolossalen Kitsch. Dass man für die Finanzierung solcher Scheußlichkeiten in rechtsextremen Hetzblättern wie der Jungen Freiheit inseriert, ist natürlich ökonomisch zielführend, das ist eben die Kernzielgruppe für solchen nostalgischen Mumpitz, aber das macht diese Form von Fundraising nicht weniger abstoßend. Wenn man solche Schandflecke nur mit braunen Spendengeldern in die Stadt klotzen kann, dann hätte man es besser gelassen.

    • @James Petersen JamesP:

      Ich kann Ihren Kommentar nur loben. Ich hatte mich schon gewundert, als ich diesen Artikel gelesen habe, wie einseitig die Rekonstruktion der Fassaden des Schlosses beurteilt wurden sind. Ihr Kommentar beinhaltet alles, was ich dazu zu sagen habe und muss deshalb nicht nochmal wiederholt werden. Vielleicht sollten wir uns einfach mal darüber freuen, dass die Rekonstruktion möglich gemacht wurde. Für einen zeitgenössischen Bau hätten mit Sicherheit nicht so viele Menschen gespendet. Das sollte man anerkennen und nicht in den "rechten Bereich" rücken. Mit diesem Artikel hab ich mich als Befürworter der Schlosses in eine Ecke gerückt gefühlt in die ich nicht gehöre, weil ich keine rechte Ideologie teile.

      • @Finn Burkard:

        Danke schön. Es ist kaum zu glauben, wie sich Deutschland über den Wiederaufbau quält, während die Russen und Ungarn, die ebenfalls so viel verloren haben, sich keine Gedanken mehr machen und sich einfach an die Arbeit machen. Und die Art und Weise, dass bei der Rekonstruktion auch etwas Modernes vorhanden sein muss, um das rekonstruierte Gebäude von seinem Vorgänger zu unterscheiden, ist außerordentlich albern! Die bloße Idee, dass kein schönes Gebäude, das verloren gegangen ist, reproduziert werden sollte, weil sie historisch falsch ist, ist eines der dümmsten Argumente, die jemals formuliert wurden. Weit davon entfernt, eine ewige Wahrheit zu sein, basiert sie einfach auf reinem Glauben! Und mehr noch: Es ist eine reine Modeerscheinung. Gott sei Dank ist es eine Modeerscheinung, die aus der Mode kommt!

  • Die Unterüberschrift "Wieder mal hat der private Förderverein Berliner Schloss seine ästhetischen Vorstellungen durchgesetzt." ist falsch. Bereits im Jahr 2015 war vereinbart worden, dass der Gebäudeschmuck bzw. die Ensemblestatuen nur auf Basis von Spenden finanziert werden würde. Der Förderverein hält sich lediglich an diese Vereinbarung. Die ästhetischen Vorstellungen haben sich seither nicht weiter geändert.

    • @DiMa:

      Zumal es ja bei den Figuren um die möglichst getreue Rekonstruktion geht.

      Ob der Förderverein sie nun ästhetisch schön findet oder nicht, weiß niemand.