Berliner Neubau- und Mietenpolitik: Ideologische Sackgasse

Schwarz-Rot will, dass Neubau das Mietenproblem löst. Doch nicht mal die Landeseigenen können das noch leisten. Es braucht einen Strategiewechsel.

Mit einer Abrissbirne wird ein Gebäude zerstört

Nichts geht mehr in der Wohnungsbaupolitik Foto: dpa

Man weiß nicht, ob sich Franziska Giffey (SPD) zumindest im Stillen ein wenig freut: Darüber, dass sie so schlau war, das wichtige Amt der Stadtentwicklungssenatorin auszuschlagen, um stattdessen als Senatorin für Wirtschaft über den irdischen Problemen der Stadt zu schweben. Die Misere in der Neubau- und Mietenpolitik fliegt nicht in erster Linie ihr um die Ohren, sondern ihrem Parteigenossen Christian Gaebler. Der Senator muss sich spätestens im kommenden Jahr wohl für die niedrigsten Neubauzahlen im vergangenen Jahrzehnt verantworten.

Wie eine Umfrage unter den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gezeigt hat, werden sie nächstes Jahr statt der anvisierten 6.500 neuen Wohnungen nur die Hälfte fertigstellen. Dass sich zu diesen noch nicht mal 3.800 Wohnungen, die Howoge, Degewo und Co. bauen wollen, viele weitere von privaten Akteuren dazugesellen, darf bezweifelt werden. Die profitigetriebene Immobilienwirtschaft hat aufgrund hoher Zinsen neue Bauprojekte massenhaft auf Eis gelegt. Was sie noch bauen, sind im eigentlichen Sinne keine Wohnungen, sondern Kapitalanlagen für Reiche.

Dass sich die Stadt so weit von ihrem Ziel der 20.000 Neubauwohnungen pro Jahr entfernt – in diesem Jahr rechnet Gaebler noch mit etwa 16.000 –, ist in erster Linie ein Problem, wenn es bedeutet, dass die Zielzahl von 6.500 Sozialwohnungen verfehlt wird. Da diese bislang fast ausnahmslos von den kommunalen Gesellschaften errichtet wurden, heißt das vor allem: Bezahlbare neue Wohnungen gibt es (fast) keine mehr.

Dafür, dass es auch keine bezahlbaren Wohnungen im Bestand mehr gibt, sorgt die Koalition, die sich ideologisch in eine Sackgasse manövriert hat, selbst. Mit Verweis darauf, dass einzig der Neubau der Schlüssel gegen die Wohnungskrise sein kann, hat man sich aus der Sozialregulierung zurückgezogen. Den Enteignungs-Volksentscheid hat man gemeinschaftlich abserviert, den Mietendeckel hatte einst die CDU weggeklagt, zuletzt gestattete man den Landeseigenen hohe Mietsteigerungen. Systematisch hat man sich aller Mittel beraubt, um das Wohnen in der Stadt irgendwie bezahlbar zu halten.

Ungenaue Subventionen

Als soziale Maßnahme herhalten muss einzig die Verdopplung der Fördertopfsumme für den sozialen Wohnungsbau auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, in der Hoffnung, auch die Privaten würden dann hochsubventioniert Sozialwohnungen bauen. Der Beweis, dass das angenommen wird, aber fehlt. Und das langfristige Scheitern ist angelegt: Nach 30 Jahren fallen diese Wohnungen wieder aus der Sozialbindung.

Die neuen Wohnungen, die die Stadt braucht – bezahlbar und dauerhaft verfügbar – können und werden nur die Landeseigenen bauen. Wenn sie nun aber die Krise des Bausektors trifft, darf die Koalition nicht länger tatenlos zuschauen. Sie muss die eigenen Unternehmen besser ausstatten, gemeinsame Planungs- und Baukapazitäten schaffen und damit dem städtischen Neubau die höchste politische Priorität einräumen. Und nebenbei die Mieten regulieren, wo immer es möglich ist.

Angesichts der zuletzt noch schneller explodierenden Mieten sitzt die Koalition auf einem Pulverfass. Das könnte hochgehen, wenn Christian Gaebler in einem Jahr Neubauzahlen präsentieren muss, die aller Welt das Scheitern der Koalition vor Augen führt. Auch Giffey dürfte dann nicht mehr zum Lächeln zumute sein.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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