Berliner Linke berät zu Ukraine: Arbeit im Ausnahmezustand
Auf der Klausur der Linksfraktion berichtet Sozialsenatorin Kipping von der Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine. Petition einstimmig beschlossen.
Sozialsenatorin Katja Kipping berichtete, dass es in den vergangenen Tagen gelungen sei, alle in Berlin ankommenden Flüchtlinge mit einer Unterkunft zu versorgen, auch mit Unterstützung von vielen freiwilligen Helfer:innen. Am Donnerstag seien mindestens 6.000 Menschen allein in Zügen in Berlin angekommen, diesen Freitag könnten es bereits 10.000 sein. Auch wenn etwa zwei Drittel der Geflüchteten direkt weiterreisen, arbeite man derzeit im „totalen Ausnahmezustand“.
Es handele sich um die „größte Fluchtbewegung seit Ende des zweiten Weltkrieges in Europa“. Kipping kritisierte den Bund, der „die Dimension, die auf uns zukommt, überhaupt nicht registriert“ habe. Anders als die „Massenzustrom-Richtlinie“, die ukrainischen Geflüchteten den Asylstatus gewährt, unterscheide Berlin nicht zwischen Geflüchteten mit ukrainischer Staatsbürgerschaft oder ohne. Auch viele etwa georgische oder belarussische Arbeitsmigranten oder syrische Flüchtlinge aus der Ukraine würden derzeit in Berlin ankommen.
Bereits Anfang nächster Woche will das Land seine Strukturen am Hauptbahnhof stärken. In einem großen Messezelt, das von der Stadtmission betrieben werden wird, sollen die Ankunft organisiert und alle Hilfsangebote gebündelt werden; Kipping sprach zudem von Plänen für ein „großes Ukraine-Ankunftszentrum“. Riesige Herausforderungen sieht die Linke bei der Unterbringung aller Kinder in den Schulen und Willkommensklassen. Die ärztliche Versorgung mit einem Erst-Check und Corona-Impfungen wird derzeit organisiert; womöglich müsse dies auch um Schutzimpfungen für Kinder erweitert werden.
Selbstkritische Linke
Kipping warb für eine unzweifelhafte Position innerhalb der Partei: „Es gibt keine Verharmlosung mehr und keine Relativierung mehr von Putin. Putin ist ein Feind der Linken.“ Auch eine Reihe weiterer Redner:innen warben für selbstkritische Aufarbeitung früherer Positionen. Dazu gehöre laut Kultursenator Klaus Lederer auch, „nicht Leute zu beschimpfen, die sagen, man muss den Preis für Putin in die Höhe treiben“. Gleichzeitig war man sich einig: Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte Aufrüstung der Bundeswehr, die grundgesetzliche Festschreibung eines Verteidigungsetats über zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes sei „nicht akzeptabel“, wie Lederer es formulierte.
Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Katalin Gennburg warb für eine Sanktionierung russischen Immobilienkapitals in Berlin. Die Beschlagnahmung von Immobilien könne ein geeignetes Mittel gegen russische Eliten und Oligarchen sein. Gennburg forderte eine Prüfung. Über eine am Freitag eingereichte Kleine Anfrage an den Senat sollen Immobilien im Besitz russischer Unternehmen ermittelt werden.
Am späten Nachmittag will die Linksfraktion über ihre Schwerpunkte für die kommenden Arbeit in der rot-grün-roten Regierung beraten. Am Samstag steht die Debatte zum weiteren Umgang mit dem Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen auf den Programm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies